Ulvers Entwicklung vom Black Metal hin zum elektronischen Experimentalismus erreicht mit «Liminal Animals» eine weitere sehr düstere Wendung. Die Osloer Band um Kristoffer Rygg setzt ihre Reise in Richtung düsterem Synth-Pop fort, einer Klanglandschaft, die Melancholie mit komplexen Klang-Texturen verbindet. Mit ihrer neuesten Veröffentlichung, einer Zusammenfassung der im letzten Jahr veröffentlichten Singles, bewegen sie sich an der Grenze zwischen düsterer elektronischer Musik und nachdenklichen Rock-Einflüssen.
Der erste Track «Ghost Entry» gibt den Ton an mit schimmerndem Synthie-Pop im Stil der 80er Jahre, eine Hommage an Bands wie Tears For Fears. Die Helligkeit des Songs steht in starkem Kontrast zu den düsteren Themen, die folgen, und fasst die atmosphärische Spannung des Albums zusammen. Im weiteren Verlauf des Albums wird mit Titeln wie «A City In The Skies» und «Locusts» eine bedrohlichere Unterströmung eingeführt, die an die dunkleren Aspekte von The Cure und Depeche Mode erinnert.
Diese Stücke zeichnen das Bild einer Gesellschaft im Krieg mit sich selbst, überschattet von der überwältigenden Präsenz des technologischen und politischen Verfalls. «Forgive Us» sticht hervor, wo Ryggs gefühlvoller Bariton eine tiefe, existenzielle Klage ausdrückt, unterstützt von Nils Petter Molværs bewegendem Trompeten-Solo. «Nocturne #1» und sein atmosphärischer Vorgänger «Nocturne #2» schaffen eindringliche instrumentale Zwischenspiele, als wollten sie den Zusammenbruch der vertrauten Welt in etwas viel Fremderes andeuten.
Der Höhepunkt des Albums, «Hollywood Babylon», bietet eine scharfe Kritik an der amerikanischen Kultur, verpackt in geschmeidige, paranoid anmutende Synthie-Melodien. Doch selbst inmitten dieses vernichtenden Kommentars sorgt Ulvers Sinn für kühle Distanz dafür, dass der Track nie in Klischees verfällt. Mit dem ausufernden «Helian (Trakl)» verwebt die Band gesprochenes Wort mit hypnotischer Elektronik und lässt den Zuhörer in einem meditativen, fast rituellen Raum schweben.
«Liminal Animals» ist eine ebenso introspektive wie beunruhigende Reise, eine meisterhafte Mischung aus beunruhigender Schönheit und melancholischer Atmosphäre. Ulvers Weigerung, statisch zu bleiben, sorgt dafür, dass sie selbst in ihren zugänglichsten Momenten die Tiefen menschlicher Verzweiflung ausloten. Für eingefleischte Black Metal Fans wohl ein "No-go"! Aber für diejenigen, die bereit sind, sich auf das Unbehagen einzulassen, bleibt als Fazit eine eindringliche und fesselnde Erfahrung. Unbedingt vorher reinhören!
Lukas R.