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Auch 2025 rackert Tobias Sammet noch immer wie ein wilder und erschafft mit AVANTASIA metallisierte Versionen von «Bat Out Of Hell». Als Jim Steinman seiner Generation schnappt sich der Melodie-Haudegen erneut eine illustre Schar von Gästen, die dabei helfen, die Visionen von ausschweifendem Bombast-Rock zum Leben zu erwecken.
Ich persönlich bin Avantasia seit «The Metal Opera» verfallen, denn wenn der Meister seine Muse findet, schreibt er gewaltige Songs, die in jeder Hirnwindung hängen bleiben. Alben wie «The Scarecrow» oder «Ghostlights» waren bepackt mit überdimensionalen Melodien, die der leider zu früh verstorbene Michael Lee Aday alias Meat Loaf wohl um 1979 herum geschrieben hätte. Nun, Erinnerungen sind schön, «Here Be Dragons» ist anders! Tobias Sammet hat etwas weniger Gäste zur Party eingeladen, und Jørn Lande ist diesmal für einmal nicht dabei. Die Songs sind meist stürmisch, kurz und ziemlich direkt, nur mit dem Titeltrack unternehmen Avantasia einem epischen Ausflug in Richtung alter Tage. Der Opener «Creepshow» ist ein typisch pop-rockiges Sammet-Produkt, dem Songgut von Edguy zu «Rocket Ride» Zeiten nicht unähnlich.
Im Anschluss bringen Sammet und Geoff Tate ihre Stimmen in einen fast 9-minütigen Austausch, der mehr an die klassischen Avantasia erinnert. Michael Kiske taucht bei dem an Helloween angelehnten «The Moorlands At Twilight» auf und macht dem Song alle Ehre. Weitere Power-Momente sind «The Witch», bei dem Tommy Karevik von Kamelot seine dramatische Stimme in einem der mitreissendsten Tracks zum Besten gibt. Auch «Phantasmagoria», bei dem Ronny Atkins von Pretty Maids den harten, düsteren Rocker mimt, ist perfekt in Szene gesetzt. Bei «Bring On The Night» bringt Bob Catley von Magnum eine Süsse mit, die sich im kitschigen Refrain definitiv überschlägt – Gänsehaut pur! Avantasia können aber auch ganz ohne Gäste deftig brettern, und geben mit «Unleash The Kraken» eine Mischung aus Power Metal und Schmuse-Thrash zum Besten.
Die letzten drei Songs des Albums, die durch die Anwesenheit von Roy Khan (Conception, Ex-Kamelot), Adrienne Cowan (Seven Spires) und Kenny Leckremo (H.e.a.t) beehren, können doch nicht mehr ganz so zünden wie ihre Vorgänger. Mit zehn Songs und einer Laufzeit von fünfzig Minuten haben Avantasia eine eher kurze Platte veröffentlicht. Während die Texte vielleicht diesmal eher auf der seichten Seite einzuordnen sind, klingt dafür Tobias Sammets Stimme sehr gut. Bei früheren Produktionen hat er sich stellenweise in Höhenlagen gezwungen, die nicht immer ganz entspannt geklungen haben. Auf «Here Be Dragons» tut er das nicht und hält seinen Gesang kontrolliert und in angenehmen Gestaden. Seine Gaststars liefern alle einen tollen Job ab, obwohl nicht jeder das Glück hat, bei besonders eingängigen Songs mitzuwirken.
Ronnie Atkins, Bob Catley und Geoff Tate haben da mit Sicherheit die Nase vorne, dicht gefolgt von Tommy Karevik. Für alle, die gerne das berühmte Haar in der Suppe suchen, dürfte das Fehlen von Jørn Lande Grund genug sein, das neue Werk von Avantasia scheisse zu finden. Wenn es dann noch an Bombast fehlt, die Tracks zu schnell und kitschig sind, das Artwork an ein zweitklassiges Power Metal Album erinnert, dann ist «Here Be Dragons» wohl ein Fall fürs Klo. Wer aber auch mit einem etwas anderen Tobias Sammet leben kann, der mit seiner Truppe etwas straighter zur Sache geht und tempomässig weniger knausert, dem ist diese Veröffentlichung wärmstens empfohlen! Das neue Album besitzt nämlich wieder viele schöne, unterhaltsame und melodische Momente, die keinesfalls unter den Scheffel gehören!
Oliver H.