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04. März 2023, Zürich - Dynamo (Saal)
Text & Pics by Oliver H.
Dieser Abend stand ganz im Zeichen von Grindcore und Legenden! Alle Scheinwerfer waren wieder einmal auf die Metal-Hauptstadt Zürich gerichtet. «Züri Gmätzlets» erlebte seine zweite Ausgabe im Dynamo mit sieben Bands aus dem härteren Metal-Segment. Ich habe mir erlaubt, nur zwei Bands des Abends heraus zu picken – Benediction und Napalm Death. Beide habe ich in meiner langjährigen Karriere als Metal-Fan noch nie live gesehen, was nun dringend geändert werden musste. Vor und im Dynamo war schon reichlich Betrieb, als sich die gealterten Herren von Benediction auf der Bühne einrichteten.
Benediction
Die britische Death Metal Institution aus Birmingham machte den Anfang. Sänger Dave Ingram (Ex-Bolt Thrower), wankelte über die Bühne und brachte selbst ein Sixpack Wasser für seine Bandkollegen mit, wogegen er lieber bei seiner Flasche Rotwein blieb. Er witzelte mit den Zuschauern, während die Rhythmus-Fraktion ihre Instrumente testete. Dann ging es Schlag auf Schlag. Licht aus, Benediction an! Nun war es soweit. Ich sollte die Truppe endlich von meiner "noch nicht gesehen" Liste streichen können. Darren Brookes und Peter Rew griffen in die Saiten, während Frontmann Ingram das Publikum sofort in seinen Bann zog. Er brüllte sich die Seele aus dem Leib und gab den obersten Animateur. Trotz aller Professionalität des Fünfers wirkte er nicht immer ganz bei der Sache, da er vermutlich schon ordentlich gegorenen Traubensaft getankt hatte. Für die allgemeine Stimmung war dies jedoch kein Dämpfer, denn der Sänger zog das Set knurrend durch. Die Setliste war ein Potpourri aus allen Phasen ihres Schaffens. So gab es vom Album «Scriptures» (2020) die Tracks «Stormcrow» und «We Are Legion», natürlich den Klassiker «Subconscious Terror» oder auch «Vision In The Shroud» vom Werk «The Grand Leveller» (1991). Das Quintett spielte sehr tight auf und wirkte eingespielt, trotz Neuzugang Nik Sampson am Bass, der ordentlich frischen Wind in den Oldtimer namens Benediction blies. Die Engländer haben das Dynamo fachgerecht zerlegt, und das Publikum war mit viel Energie dabei. Dennoch hat man gespürt, dass die Menge auf einen noch grösseren Brocken Metal-Geschichte wartete. Während das eine Konzert mit der einen Death Metal Legende endete, machte sich eine weitere britische Ikone hinter der Bühne warm – Napalm Death.
Napalm Death
Die ebenfalls aus Birmingham stammenden Grindcore und Crust-Pioniere um Sänger Mark «Barney» Greenway (Ex-Benediction) und Shawn Embury (Bass), waren die unangefochtenen Headliner des Abends. Live gilt der seit 1991 unveränderte Trupp als der totale Abriss. Sie sind bescheidene Helden, die den ungehobeltsten und uncharismatischsten Metal spielen, dafür von den Fans aber geschätzt werden und deren Liebe wie Respekt nie als selbstverständlich hinnehmen. An diesem Abend in Zürich gab es allerdings gleich zwei "böse" Überraschungen – zumindest aus Anhänger-Sicht. Erstens fehlte Shane Embury aus mir unerfindlichen Gründen am Bass und zweitens war Barney auch nicht ganz sich selbst. Er humpelte nämlich an Krücken über die Bühne und nahm schliesslich, das Bein auf einem Stapel Frottiertücher hochgelagert, auf einem Stuhl Platz. Gegen seinen Willen war er nach einem Knöchelbruch gezwungen, die Konzerte sitzend zu absolvieren oder die ganze Tour abzusagen. Das spricht wohl für die Truppe selbst, dass sich nun ein sitzender Sänger das Mikro schnappte und ordentlich losfegte. Ja richtig, es war alles andere als eine stoische Show. Die typischen Greenway-Possen wie Posen gab es vom ersten Song an, denn er bewegte seinen Körper, als wäre er vom Teufel besessen.
Dazu lieferte er eine immense Gesangsleistung ab, und zwischen den Songs brachte er die Anwesenden mit seinen Ansagen zum Lachen. Glücklicherweise holte sich Mr. Greenway nicht auch noch eine Mittelarmfraktur, als er sich durch seine unkontrollierten Zuckungen den Ellenbogen an der Armlehne stiess. Napalm Death hatten ordentlich was zu bieten. Eine Setliste, die gefühlt durch die ganze Diskografie führte, und dazwischen wurden sogar noch die zwei Coversongs «Don't Need It» von den Bad Brains und «Nazi Punks Fuck Off» von den Dead Kennedys eingestreut. Die Fans goutierten dies mit ordentlichen Circle-Pits, Crowdsurf-Attacken und Mosh-Einlagen. Es entlud sich vor der Bühne so viel Aggression, dass man sich hinterher wieder friedlich in die Arme fiel. An diesem Abend gab es siebzig Minuten Chaos und Gemetzel, aber auf eine Art, die alle Beteiligten übers ganze Gesicht grinsen liess. Einige behaupteten sogar, dass die Welt durch Napalm Death ein besserer Ort sei. Dies kann ich zwar nicht belegen, aber nach ihrer Show stand auch für mich fest, dass sie ihren Kultstatus mehr als verdient haben.
Setliste: «Narcissus» - «Backlash Just Because» - «Fuck The Fuctoid» - «Contagion» - «Lucid Fairytale» - «Everyday Pox» - «Invigorating Clutch» - «Scum» - «I Abstain» - «Throes Of Joy In The Jaws Of Defeatism» - «Amoral» - «The Kill» - «Suffer The Children» - «When All Is Said And Done» - «Don't Need It (Bad Brains Cover)» - «Mentally Murdered» - «Unchallenged Hate» - «You Suffer» - «Smash A Single Digit» - «Dead» - «Nazi Punks Fuck Off (Dead Kennedys Cover)» - «Siege Of Power»