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04. Oktober 2024, Biberist – P9
By Tinu
Es war ein regnerischer Abend, der in einem musikalischen Sturm endete, respektive bei dem die herbstliche Kälte einer schweisstreibenden Wärme weichen sollte. Victory, die Truppe um Gitarrist Herman Frank, gaben sich die Ehre und zimmerten mit Gianni Pontillo (Gesang), Mike Pesin (Gitarre), Malte Burkert (Bass) und Michael Stein (Drums) eine rockige Metal-Wand ins P9. Der einzige Wermutstropfen blieb der einen Support-Band Why Amnesia vorbehalten, welche den Weg über Grenze hin zu uns nicht fanden und aus behördlichen Gründen wieder die Heimreise antreten mussten.
Attractive Chaos
Dafür standen, wie vorgesehen, Attractive Chaos auf der Bühne, die von Sängerin Emma Elvaston angeführt wurden. Die sich auf der Bühne tanzend gebärdende, attraktive Shouterin zog die Blicke von Anfang an auf sich und liess mit ihrer Stimme, zu der sie auch bei einer Symphonic Metal Kapelle eine gute Figur abgeben würde, nichts anbrennen. Musikalisch bot das erst vor zwei Jahren aus der Taufe gehobene, franco-italienische Quartett neben den engelsgleichen Gesangslinien auch derbe Growls und zeigte mit ihrem melodischen Metal, der (bewusst) nicht im symphonischen Sumpf unterging, einen gewagten, farblichen Tupfer und Kontrastpunkt hin zum erdigen Sound des Headliners. Trotzdem boten Attractive Chaos eine stets begeisterungsfähige Show und auf die Frage, wer sie denn schon gesehen habe, brüllte ein Besucher das komplette P9 in Grund und Boden. (Sorry, Fotos von Attractive Chaos gibt es leider keine…)
Victory
Die Jungs von Victory hatten anschliessend leichtes Spiel, das Publikum auf ihre Seite zu ziehen. Immerhin ging der Fünfer, dank des neuen Longplayers «Circle Of Life», mit stolz geschwellter Brust auf die Bühne. Was die Herren hier ablieferten, reichte locker, um das P9 in seinen Grundmauern zum Erzittern und den Bau beinahe zum Einsturz zu bringen. Das musikalische Beben ging von der ersten Sekunde an los und hielt bis zum letzten Ziehen der Gitarren-Saite von «Check's In The Mail». Angetrieben von Steini am Schlagzeug, der mit seinem druckvollen Beat keine Löcher zuliess und dank des fett pumpenden Bass von Malte konnten sich die beiden Gitarristen ihre Riffs und Solos mit einem frechen Grinsen zuspielen. Herman, den man auch von Accept her kennt (ob er wohl auch bei der 50-Jahre Feier von Accept dabei sein wird, wenn Wolf hierfür alte Musiker auf der Bühne begrüssen wird?), hat nach wie vor nichts von seiner messerscharfen Spielweise eingebüsst und solierte noch immer in seiner unvergänglichen Art.
Wenn Mister Frank in die Saiten haut, dann rauchen, ja bluten die Fingerkuppen und das Riff erklingt nach einem Beton zerfräsenden Anschlag. Er lässt dabei sein Instrument sprechen, speziell beim sehr gefühlvollen Solo und weiss mit einem kecken Lächeln, dass seine Spielweise auf den Gitarren-Saiten zerstören kann. Wie auch die Stimme von Gianni, die perfekt zur Truppe passt und mit Charlie Huhn sowie Fernando Garcia immer grandiose wie stimmgewaltige Shouter in den eigenen Reihen stehen hatte. Diese Tradition lebt der Schweizer mit viel Hingabe weiter und kann dabei die Lieder seiner Vorgänger problemlos interpretieren. Mit «Gods Of Tomorrow», dem Titelsong des Vorgänger-Albums von «Circle Of Life», ging der Segen los, und der Gang zum Altar des Rock'n'Rolls wurde losgetreten. Spielten die Jungs nun alte Klassiker die frisch klangen oder neues Material, das wie ein Evergreen daherkam, der Fünfer konnte aus einem unglaublichen Fundus an genialem Songmaterial wählen. Und trotzdem fehlten unverzichtbare Momente wie «Dying In Your Arms Tonight», «No Way Tonight» oder «The Warning».
Eine Verschnauf-Pause gab es deswegen nicht, denn mit «Rock The Neighbours», «Are You Ready» und «Take The Pace» legten die Jungs einen flächendeckenden Brand aufs Parkett, dem kein Feuerlöscher gewachsen war. Druckvoll, spielfreudig, arschtretend und mit einem siegesgewissen Grinsen auf ihren Gesichtern liessen die Jungs nichts anbrennen. Mit den emotionaleren Tracks «Feel The Fire» und «On The Loose» sowie dem abendländisch angehauchten «Temples Of Gold» wussten Victory den Spannungsbogen stets hochzuhalten und liessen sich dabei vom Zeremonienmeister mit seiner meisterlichen Stimme durch die sehr kurzweiligen neunzig Minuten lenken. Frei nach dem Motto "let the music do the talking" rockten die Deutschen, als gäbe es kein Morgen mehr, und die Stimmung im P9 kochte siedend über. Dies auch dank Liedern wie dem 37 Jahre jungen «Hungry Hearts», einem weiteren Aushängeschild, das nie etwas von seinem Flair verloren hat. Wie auch das furiose «Always The Same» oder «Don't Tell No Lies» mit seinem Shuffle-Rhythmus und letztlich «Love & Hate», schlicht die Hymne vor dem Herrn.
Neben diesen Klassikern standen (wie erwähnt) die Tracks des neusten Werkes «Circle Of Life» als ebenbürtige Ehren-Anwärter bereit, die interessanterweise erst gegen Schluss des Sets zum Einsatz kamen. «Tonight We Rock», «Moonlit Sky», «Virtual Sin» und das gottgleiche «Count On Me» setzten als vier der letzten sechs Killer-Tracks das Set auf einen unglaublichen Level, so dass die Zugaben «On The Loose» und das aus allen Kehlen lauthals mitgesungene «Check's In The Mail» nochmals alle zum kollektiven Abrocken mitrissen. Nach diesem Siegeszug liessen sich die Musiker noch für Fotos und Autogramme bei den Fans blicken und zementierten den eh schon grandiosen Ruf mit einem zusätzlichen wie sehr fannahen Abschluss. Mit Victory ist nach wie vor zu rechnen, mehr denn je! Man merkte den Jungs an, dass sie gewillt sind, erneut um einen Platz an der Sonne zu kämpfen. Am 26. Januar 2025 werden Victory übrigens als Support von Grave Digger im Z7 aufspielen. Wer Herman und seine Jungs am heutigen Abend verpasst hat, sollte sich dieses Datum fett im Kalender anstreichen. Die Dagewesenen haben sich die Tickets dazu eh schon bestellt. An Victory führt aktuell kein Weg vorbei!
Setliste: «Gods Of Tomorrow» - «Rock The Neighbours» - «Are You Ready» - «Take The Pace» - «Standing Like A Rock» - «Feel The Fire» - «Love & Hate» - «Hungry Hearts» - «Always The Same» - «Guitar Solo Herman Frank» - «Temples Of Gold» - «Tonight We Rock» - «Moonlit Sky» - «Rock'n Roll Kids Forever» - «Don't Tell No Lies» - «Count On Me» - «Virtual Sin» -- «On The Loose» - «Check's In The Mail»