Swiss Hard Rock and Heavy Metal Magazine since 1999
You can reach us via email or phone.
+41 (0) 79 638-1021
06. September 2022, Pratteln – Z7
By Tinu
Endlich waren sie wieder in der Schweiz zu sehen. Udo Dirkschneider und sein Ensemble, das auf den Namen U.D.O. getauft ist. Dass es im Vorfeld zu diesem Gig einen gesundheitlichen Rückschlag gab, könnt ihr weiter unten lesen. Was aber blieb, war die Stimmgewalt von Udo sowie eine Band, die "tight as hell" aufspielte und eine gewisse Unsicherheit zu Beginn schnell beiseite schob. Dies mit einer Setliste im Gepäck, die sehr viele Stationen der Truppe abdeckte, und dies aus einer Epoche von über dreissig Jahren (zählt man die Zeit seiner alten Band Accept nicht dazu) und ohne all die Hits zu spielen, die der Deutsche eigentlich spielen sollte.
Existance
Eine mir völlig unbekannte Band eröffnete den Abend. Schon bald liess sich aber erahnen, dass das Quartett aus Frankreich hier nicht angereist war, um nur ein bisschen zu musizieren. Die Jungs um den singenden Gitarristen Julian Izard wollten Pratteln im Sturm erobern. Mit ihrem reinrassigen Metal, der bedingt durch die doppelläufigen Gitarrenparts immer wieder an Iron Maiden erinnerte, liessen sie nichts anbrennen. Dazu wurde die Truppe mit grandiosem Licht unterstützt, das an die selige «The Beast On The Road» Tour erinnerte. Rasante Rhythmen trieben die Jungs an, und die wiederum bewegten sich viel auf Bühne, wechselten die Bühnenseite und posten wie die Götter. Es war viel Action zu sehen, die sich langsam auf die Besucher ausbreitete. Mit vier Alben im Gepäck bewiesen die Herren ihr Gespür für kernigen Metal, der sehr viel Potenzial besitzt. Jung, wild und frei, so wie es damals in den Achtzigern an der Tagesordnung war, lieferten Existance voll ab. Und sollte ein Besucher leicht zu gähnen beginnen, riss ihn Julian mit seinen Bruce Dickinson Gedenk-Screams aus der Lethargie. Die Truppe jetzt aber bloss als pure Maiden Kopie abzustempeln, würde den Franzosen allerdings nicht gerecht werden. Dazu besitzen sie zu viel Eigenständigkeit. Was ihnen halt noch fehlt, ist ein Hit wie «Princess Of The Night» (Saxon), «Flight Of Icarus» (Iron Maiden), oder «Riding In The Wind» (Judas Priest). Ausserdem sind Existance nicht mit Enforcer zu vergleichen, da der Sound der Franzosen strukturierter und nicht so ungezähmt ist. Hier trumpfte eine Band auf, auf die man endlich sein Augenmerk legen sollte, denn der agile Vierer aus Clermont bot beste Werbung in eigener Sache.
U.D.O.
Vor dieser Show machte die Neuigkeit die Runde, dass Tilen Hudrap im Spital liege. Ein Burnout hat den Bassisten niedergestreckt (an dieser Stelle alles nur erdenkliche Gute, komm bald wieder auf die Beine Tilen!). Da sein Ersatz, Peter Baltes (!), der ehemalige Accept Gefährte von Udo Dirkschneider, noch nicht an Bord war, wurde die Show nur zu viert gespielt. Bedeutet, neben Udo, sass sein Sohn Sven an den Drums und es standen die beiden Gitarristen Fabian "Dee" Dammers und Andrey Smirnov (neuerdings mit Kurzhaarfrisur) auf der Bühne. Eine gewisse Anfangsunsicherheit schien bei den Saitenakrobaten vorhanden zu sein. Hatte ich doch das Gefühl, dass sich die beiden zu Beginn mit den für sie grösseren Platzverhältnissen zuerst noch "anfreunden" mussten. Mit zunehmender Spieldauer konnte die komplette Truppe aber wie gewohnt auf der ganzen Linie glänzen. Die Chorgesänge kamen von der kompletten Band und mit Mister Dirkschneider, der mit seinen siebzig Jahren noch immer endlos abliefert, hatten U.D.O. den perfekten Dirigenten an Bord.
Dass Udo jeweils an seine neuen Alben glaubt, ist nichts Neues. So wurden aus der aktuellen Scheibe «Game Over» nicht weniger als fünf neue Stücke gespielt. Dabei machten «Kids And Gun», «Like A Beats» und die Hymne «Metal Never Dies» die beste Figur. Dagegen boten «Prophecy» und «Holy Invaders» einen erstaunlicherweise eher sperrigen Einstieg, der aber sofort mit dem überraschend in das Set gerutschten «Go Back To Hell» aufgefangen wurde. Ab diesem Zeitpunkt lieferte die Band U.D.O. einen grandiosen Siegeszug durch ihre musikalische Karriere ab. Dass sie nach endloser Zeit wieder den Opener vom «Dominator» Album, «The Bogeyman» einbauten, erstaunte jedoch. Wunderschön auch wieder «Blind Eyes» zu hören, das neben der Ballade «I Give As Good As I Get» zu den ruhigeren Momenten gehörte. Mit dem mitreissenden «Never Cross My Way», der unzerstörbaren Hymne «24/7», dem Mitsing-Kracher «Independence Day» und dem von einem emotionalen Smirnov Gitarren Intro eingeleiteten «Rose In The Desert» konnte die Truppe nichts falsch machen. Die Sound-Monolithen «Animal House» und «Man And Machine», Letzterer mit seinem packenden Schlagzeugintro, punkteten ebenso wie die beiden Accept Klassiker «Princess Of The Dawn» und der Rausschmeisser «Balls To The Wall», die lauthals von den knapp fünfhundert Fans mitgesungen wurden. Es war eine Setliste zum Verlieben und eine Truppe, die sich den Arsch abspielte. Einerseits mit Souveränität und anderseits mit viel Hingabe.
Klar vermisste ich den Bassisten und noch viel lieber hätte ich U.D.O. zusammen mit Peter Baltes (wie hätte bloss «24/7» mit dem Mörderbass von ihm geklungen?) gesehen. Aber auch so hatte Udo die Show jederzeit im Griff. Eine, die mit der Coverversion von Motörheads «No Class» als Intro vom Band startete (nachzuhören auf der Udo Dirkschneider «My Way» Scheibe). Eine, die von der wilden Gestik von Andrey lebte, dem powervollen Drumming von Sven und der wilden Unbekümmertheit von Fabian. Die beiden Gitarristen ergänzten sich perfekt, spielten sich die Riffs mit geschlossenen Augen zu und liessen sich gegenseitig genügend Platz, um mit den Solos zu brillieren. Allein was die beiden bei «Independence Day» an den Tag legten oder besser gesagt in der Nacht spielten, war Sonderklasse. Beide beanspruchten ihren Platz und liessen dem anderen trotzdem seinen Freiraum. Das war ganz grosses Kino. Udo glänzte mit seiner nach wie vor kratzigen Stimme und liess die Musik sprechen. Wie gewohnt sprach er wenig zum Publikum, wenn dann aber mit Inhalt. "Vielen Dank! Wie lange ist es her, seit wir im Z7 spielten? Aber wir lassen uns von einem Parasiten nicht klein kriegen. Es ist schön wieder dazu sein und im Z7 für Euch zu spielen." Oder: "Wir kommen zum letzten Stück", eine Ansage, die mit lauten "Buh"-Rufen quittiert wurde, was Udo mit einem Lächeln zu folgender Aussage hinriss: "Wir werden auch nicht jünger!" Trotzdem spielten die Jungs ein Show, die eine Stunde und 45 Minuten dauerte.
Die Frage, ob es noch Accept Tracks im Set von U.D.O. braucht, wurde, wie schon erwähnt, mit einem klaren, aber auch kleinen Beitrag beantwortet. In meinen Augen hat die Band U.D.O. genügend eigenes Material, aber es scheint, dass die Fans noch immer darauf warten, die Accept Hits mit der Originalstimme zu hören. Der Kompromiss, den Udo schmiedete, ging auf und raubte den U.D.O.- Tracks nicht zu viel Platz. Seien wir ehrlich, wenn man die Version von «Balls To The Wall» hör,t steht man mit offenem Mund da und freut sich wie ein kleines Kind diesen Track aus dem Mund von Mister Dirkschneider zu hören.
Tja, das verkleinerte Quintett hat es noch immer drauf. Mit unglaublicher Wucht wurde der teutonische German Metal in das Gemäuer des Z7 geblasen, und es war erneut eine Freude, diese Lieder und diese Band geniessen zu dürfen. Gab es enttäuschte Gesichter? Wenn ja, dann habe ich sie ignoriert, denn die Show war, wie gewohnt, ein Erlebnis und riss mich mit. Danke Udo, danke an deine Band, und hoffentlich bald wieder in der Schweiz!
Setliste: «Intro – No Class (Motörhead Cover)» - «Prophecy» - «Holy Invaders» - «Go Back To Hell» - «Never Cross My Way» - «24/7» - «Independence Day» - «King Of Mean» - «Rose In The Dessert» - «Kids And Gun» - «Princess Of The Dawn» - «Blind Eyes» - «The Bogeyman» - «Like A Beast» - «Metal Never Dies» -- «I Give As Good As I Get» - «Man And Machine» - «Animal House» - «Balls To The Wall» - «Outro – The Show Must Go On (Queen)»