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13. Mai 2023, Pratteln - Z7
By Tinu
In den Medien wurde viel über die Trennung von Bandleaderin Filippa Nässil (Gitarre) und Guernica Mancini (Gesang), Mona Lindgren (Bass) sowie Emlee Johansson (Drums) gesprochen. Für manchen Fan war dies eine unverhoffte Wendung in der Band. Filippa präsentierte jedoch bald ein neues Line-up, in welchem Majsan Lindberg (Bass) wieder zu Thundermother zurückkehrte und mit Joan Massing (Schlagzeug, Honey Creek) und Linnéa Vikström (Gesang, At The Movies) neue Gesichter gezeigt wurden. Das Internet überschlug dazu sich mit Berichten, die Wahrheit sollte aber an diesem 13. Mai auf der Bühne zu sehen sein. Nämlich inwieweit sich eine neue Truppe mit sehr wenigen Gigs (nur gerade zwei Support-Shows mit den Scorpions) als eingespielte Einheit auf der Stage beweisen würde. Um das Fazit gleich vorweg zu nehmen, mit dem Bewusstsein, dass die Last dieses Konzertes bezüglich der Erwartungen schwer auf den Schultern der vier Schwedinnen lastete, war es ein Jahrhundert-Gig, der neben einer kräftigen Portion Rock'n'Roll auch verdammt viel Spass bereitete und eine Truppe zeigte, die bereit war zu kämpfen. Frei nach dem Motto ihres Hits «We Fight For Rock'n'Roll», doch zuerst schön der Reihe nach.
Sweet Needles
Zuerst standen die Jungs aus Paris auf der Bühne. Sweet Needles sind im Grundsatz eine coole Truppe, die optisch und von der Aktivität auf der Bühne an die jungen Anthrax und Exodus erinnert. Sweet Needles hüpften auf der Bühne rum, tanzten wie Scott Ian (Anthrax) ihre Kreise und bangten was die langen Haare hergaben. Ein wilder Haufen der bereit war, das Z7 im Sturm zu erobern. Ein grundsätzlich guter Vorsatz, der aber leider an der Qualität der Songs scheiterte. Das musikalische Gemisch aus Punk, Metal, Modern Stuff, verspielten Parts und Gang-Shouts erinnerte an die jungen Faith No More. Die 2012 gegründete Combo hat mit Sänger Oscar Bonnot einen Schreihals in ihren Reihen, der sich nicht davor scheut, seine Grenzen auszuloten und mit seiner theatralischen Bühnenpräsentation immer wieder die Blicke auf sich zog. Das Eis brach mit zunehmender Spielzeit, und in den Augen der Besucher sah man eine Mischung aus Begeisterung, Verwunderung und Entsetzen. Je länger der Gig aber dauerte, desto mehr schien sich die Chose in einem dichten Joint-Nebel zu verstricken. Würden die Jungs ihre Tracks anders strukturieren und sich mehr auf die Songs fokussieren, könnte hier durchaus etwas sehr Interessantes entstehen.
Thundermother
Nun standen sie also da! Die Mädels, welche der Welt beweisen wollten, dass auch die neue Besetzung von sich reden machen wird, und das tat sie auch. Von der ersten Sekunde an waren Linnéa, Filippa, Majsan und Joan auf Betriebstemperatur und liessen nichts anbrennen. Das Einzige was brannte, war die Luft im Z7, die Bühne und die Fans. Was für eine geile Truppe hat Filippa da um sich geschart! Majsan kannte man schon von früheren Konzerten. Zusammen mit der Gitarristin ist sie eine Bank, die immer wieder tanzend, bangend, kniend (wenn Filippa über ihr steht), posend und grandios singend (übernahm den Leadgesang beim Pre-Chorus von «Whatever») zum Gelingen der Show beitrug. Filippa gab derweil die wilde Tigerin, die auch im Fotograben («Into The Mud») oder in den Fans («Shoot To Kill») ihre Solos und begnadete Riffs zu Besten gab. Das Zusammenspiel mit Majsan war unglaublich tight und liess keine Wünsche offen. Der grundsolide Beat kam von Joan, die mit einem kleinen, feinen wie mitreissenden Solo glänzte. Der neue Mittelpunkt nennt sich jedoch Linnéa, die stimmgewaltige Sängerin, die das Z7 mit ihren Screams immer wieder erschütterte. Sang sie nicht, poste sie mit den beiden anderen Ladys und diese liessen ihre Haare zu dritt im Kreise drehen.
Diese Band ist nichts als eine Macht auf der Bühne, kickt jeden Arsch und vereint mehr Rock'n'Roll in der Seele, als die meisten "Man-Bands". Wenn Majsan Angus Young like den Duck-Walk vorführt, bleibt kein Auge trocken. Man weiss, wie Rock-Geschichte geschrieben wird, und gerade an diesem Abend wurden wieder ein paar Seiten mehr dazu abgeliefert. Schade nur, dass die Mädels nicht auch den Support der Scorpions in Zürich bestreiten können, denn das wäre so schlicht ein grossartiger Abend geworden. Gerade von solchen Konzerten kamen die Donner-Muttis und zelebrierten «Dog From Hell» (mit einem unglaublichen Bass-Groove), wie auch «Thunderous», dass noch immer ein Highlight jeder Show ist. Nach dieser Nummer bebte das Z7 förmlich, und die Fans standen Kopf, was Linnéa zu folgender Aussage hinreissen liess: "You're beautiful people!" Bei «Into The Mud» spielte Majsan eine kleine Einleitung, bevor Filippa sich zum ersten Mal sehr fannah präsentierte und im Fotograben ihr Solo zelebrierte. Dies wiederum quittierte Frau Vikstöm mit einem Lachen und der Aussage: "Pratteln, this was fun! This is fun!" Und was für einer. Nahtlos ging es in den Killer «I Don't Know You» über, welcher den Stimmungspegel nochmals in ungeahnte Höhen steigen liess.
Wer gedacht hätte, dass Thundermother nun schon ihr ganzes Pulver verschossen hätten, sah sich erst jetzt den ganz grossen Momenten gegenüber stehen. Mit dem ultimativen Hit «Whatever» und dem anschliessenden «Shoot To Kill» stieg das Barometer in Höhen, welches selbiges platzen liess! Das Solo, welches die Gitarristin im Publikum spielte, bekam einmal mehr eine neue Dimension von wegen "den Stars nah sein" verliehen. Es war heiss im Z7, und die richtige Abkühlung kam in Form einer Akustik-Session mit Filippa an der akustischen Gitarre und Linnéa. Die Beiden gaben das wunderschöne «Fire In The Rain» zum besten. Mit welchem Gefühl die Sängerin hier ans Werk ging, sucht ihresgleichen. Nahtlos ging es in «Sleep» über, bei dem zum Schluss Joan und Majsan auf die Bühne zurückkamen. «Give Me Some Lights» wurde von Filippa gesungen und bewies, welch grossartige Sängerinnen die Damen in ihren Reihen stehen haben und woher die Backing-Vocals kommen. Definitiv nicht ab einem Tape!
Mit der Hymne «We Fight For Rock' n Roll» gaben die Mädels nochmals richtig Gas und beendeten mit «Watch Out» den offiziellen Teil des Sets. Dieser schweisstreibende und arschtretende Track liess den Rock'n'Roll Abend hervorragend ausklingen. Thundermother liessen sich aber nicht lumpen und kehrten mit «Driving In Style» ein letztes Mal zurück. Nach dieser kräftezehrenden und sichtlich Schweiss freisetzenden Show liess sich die Band zu Recht von ihren Fans feiern. Nach einer kurzen Verabschiedung fand sich die komplette Truppe am Merchstand wieder und war für Gespräche, Fotos und Autogramme verfügbar. Dies ohne weisse Handtücher um den Hals, wie es eine andere Truppe immer wieder vorführt. Wo der richtige Rock'n'Roll gespielt und zelebriert wird, war somit auch geklärt, nämlich bei Thundermother!
Meine Damen (und Herren), ich mochte die alte Besetzung und war ja ziemlich gespannt, wie sich die neue Truppe nun präsentieren würde. Dass Filippa eine grossartige Band aus dem Hut zaubern würde, war klar, aber diese bereits beim dritten Konzert dermassen tight und mit viel Spass in den Backen performen zu sehen, überraschte nicht nur mich. Das sehr gut gefüllte Z7 lag den Ladies auf jeden Fall zu Füssen und feierte sie verdientermassen ab. Wer weiss, vielleicht wird beim nächsten Konzert in Pratteln das "Sold out" Täfelchen an der Hallentüre zu sehen sein. Wenn man bedenkt, dass Thundermother ihr erstes Headliner-Konzert vor Ort noch im "Mini-Z7" spielten und wo sie heute stehen, dann kann man vor dieser bemerkenswerten Leistung nur den Hut ziehen!
Setliste: «Loud And Free» - «Try With Love» - «Hellevator» - «Heat Wave» - «Thunderous» - «Dog From Hell» - «Into The Mud» - «I Don't Know You» - «Whatever» - «Shoot To Kill» - «Fire In The Rain (Acoustic)/Sleep (Acoustic)» - «Drum Solo Joan Massing» - «Loud And Alive» - «Give Me Some Lights» - «We Fight For Rock'n'Roll» - «Watch Out» -- «Driving In Style»