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10. November 2024, Pratteln - Z7
By Tinu
Das gut gefüllte Z7 bot an diesem Sonntagabend eine illustre Schar an Fans, heisst neben Alt-Rockern auch viele junge Leute sowie aufgebrezelte Ladys. Sie alle wollten dem Charme der Dead Daisies erliegen, die mit ihrer Leidenschaft den klassischen Hard Rock ins 21. Jahrhundert gerettet haben, ohne dabei altbacken zu klingen. TDD sind eine Bank auf der Bühne, die genau wissen, wie sie die Mischung aus kernigem Rock'n'Roll mit "kick ass" Attitüde und einem frechen Klaps auf den knackigen Po der holden Weiblichkeit platzieren. Auch wenn heute solche Ausdrücke verpönt sind, am Ende des Tages besitzt der Rock'n'Roll stets eine sexy Anziehungskraft, der dank The Dead Daisies Frontmann John Corabi noch immer mit ganz viel Charme, Leidenschaft und ohne Starallüren auf der Bühne präsentiert wird.
Mike Tramp
Bevor aber die toten Gänseblümchen das Geschehen dominierten, stand Mike Tramp mit seinem Gitarristen auf der Bühne. "How to loose the bass player and the drummer?", fragten sich nicht nur die Besucher, sondern auch Mike stand bei dieser Aussage ein bisschen befremdet auf der Stage. Zumindest versprach er das nächste Mal wieder mit einer kompletten Truppe zu spielen. Mister Tramp bedankte sich beim Schweizer Publikum und dass er mit seinen Bands White Lion, Freak Of Nature und seinen Solo-Truppen, mit jeweils unterschiedlichen Haarlängen, immer warm empfangen wurde. Auch wenn Mike die besten Hits von White Lion zum besten gab, war er weit davon entfernt dem Glam Rock zu huldigen.
Vielmehr verpackte er «Living On The Edge», «Broken Heart», «Little Fighter», «Tell Me» und «Wait» in ein rockigeres Gewand, das mit einem Singer-Songwriter-Gürtel zusammengehalten wurde. Der Däne hatte sichtlich Spass am Gig, und zusammen mit Marcus roch das Ganze nach einer Wiederholung. Viele, wenn nicht alle ertappten sich auch dabei, wie man den Text und die Refrains der White Lion Klassiker problemlos mitsang und war zugleich über die sehr "eigenwillige Version" der Überballade «When The Children Cry» überrascht. Was ich nicht erwartet hatte, traf ein, nämlich dass mich Mike von der ersten bis zur letzten Sekunde überzeugte, verdammt gut sang und nichts von seinem Charme sowie seiner herzbrechenden Art verloren hat!
Beasto Blanco
Das Bühnenbild änderte sich nun schlagartig, und statt einer hellen und rockigen Vorstellung, sah man nun die Neandertaler, welche die Apokalypse heraufbeschworen. Was Beasto Blanco boten, war eine Inszenierung, die sicherlich auch die Handschrift eines Alice Cooper trägt. Immerhin spielen neben Calico Cooper, der Tochter von Alice, auch dessen Bassist Chuck Garric bei Beasto Blanco mit. Das Licht wechselte von blutrot zu dunkelblau, liess Calico immer wieder als Mischung aus einer der Hölle entwichenen Hexe und dem modernen "Machine Girl" darstellen, das mit farbigen Laserstrahlen spielte oder diese gar aus ihrem Mund schiessen liess. Ihr cleaner, zerbrechlicher Gesang kämpfte mit dem bösen von Chuck. Schwang Calico ihren mit Nägeln bestückten Baseball-Schläger, so ging Chuck vor ihr auf die Knie.
Danach zeigte er dem Z7 seine diabolische Zunge, als hätte der Teufel höchstpersönlich von ihm Besitz ergriffen. Die beiden boten ein Schauspiel, das nicht schauriger hätte sein können und die Besucher gleichermassen erschreckte oder völlig begeisterte. Die Truppe bot ein Spektakel, auf das sich die Hard Rocker zuerst einlassen mussten und mit Schrecken feststellten, dass sie den Alice Cooper Hit «Feed May Frankenstein» erst am Schluss erkannten. Die Combo nahm sich den Klassiker zur Brust und drehte ihn im musikalischen Fleischwolf so lange herum, bis ein zähflüssiges, sich selbst zerstörendes Monster daraus wurde. Das apokalyptische Theater fand sein Ende mit «Breakdown» und hinterliess verwirrte wie gleichzeitig begeisterte Gesichter, die sich nun alle auf The Dead Daisies freuten.
The Dead Daisies
Kurz vor dem Tourstart erreichte die Fan-Gemeinde die schockierende Nachricht, dass ein Krebstumor am Hals von Leadgitarrist Doug Aldrich den Aufenthalt im Spital unumgänglich machte. Dass dieser mittlerweile zu den beliebtesten Saiten-Zauberer gehört, belegte nicht nur sein Mitwirken bei Whitesnake und Dio, denen er neues Leben einhauchte, sondern auch, dass unzählige Leute ihm nur das Beste für seine Krebsbehandlung wünschten, was Sänger John Corabi zum Anlass nahm, den "Swiss Fans" mitzuteilen, dass Doug allen seinen Dank dafür aussprach. "Tell all the crazy Swiss motherfuckers, thank you for all the health wishes"! Der vakante Posten wurde vom ehemaligen Whitesnake, Dokken und aktuellen Winger Gitarristen Reb Beach besetzt. Auch wenn Reb einen sehr guten Job ablieferte, einen Mister Aldrich ersetzt man nicht so leicht auf der Bühne. Dafür ist Doug ein zu agiler und den Kontakt zu den Fans suchender Musiker, der eine Mörderaustrahlung hat und einen sehr eigenen, nicht kopierbaren Gitarren-Sound.
Das wurde speziell bei der ersten Zugabe «Long Way To Go» offensichtlich, da diese Killer-Nummer ohne den Blondschopf nicht annähernd an das Flair heranreicht, wenn nicht er in die Saiten haut. Reb ist garantiert ein begnadeter Gitarrist, aber eben kein Showman wie Doug. Dies wusste auch Bandleader David Lowy (Gitarre), der somit mehr ins Geschehen eingriff, um die Lücke zu schliessen, wenn John wieder einmal seine Position wechselte, was er übrigens ständig tat. Die Bühne war grundsätzlich "leer", sprich ohne Monitorboxen oder anderen Schnickschnack gefüllt und so konnten The Dead Daisies frei nach dem Aerosmith Motto "let the music do the talking" das zelebrieren, was sie am liebsten tun. Eine Rock-Show, welche den grossen Truppen KISS, AC/DC und Aerosmith gerecht wurde und sie somit die legitimen Nachfolger dieser Grössen sind. Mit Bassist Michael Devin (ehemals Whitesnake) hat der Fünfer einen zusätzlichen Sänger in den Reihen, der grandiose Backings sang und John perfekt unterstützen konnte.
So ganz nebenbei war er auch immer in Bewegung, schüttelte seine Locken und grinste wie ein Kind vor dem Weihnachtsbaum ins Publikum hinein. Dass John und Michael alles teilten, sogar die eine Frau, liess Mister Corabi die Audience bei der Bandvorstellung mit einem breiten Grinsen (das man hinter seinem dicken Bart fast nicht mehr sah) wissen. Einmal mehr wurde jedes Bandmitglied mit einem Song vorgestellt. So auch der zurückgekehrte Trommler Tommy Cluefetos (ehemals Black Sabbath und Alice Cooper), der einen grandiosen Job verrichtete. Auch wenn ich die Stick-Show von seinem Vorgänger Brian Tichy und dessen Power-Drumming vermisste, Tommy stellte vom ersten Track («Light'em Up») klar, dass er nicht nur optisch wie eine jüngere Version von Tommy Lee aussah, sondern auch ebenso auf seine Becken und Trommeln einschlagen konnte. Das Zentrum der Show bleibt aber der unglaubliche John Corabi, der den grenzenlosen Spass wieder in die Band zurückbrachte.
Der ehemalige Mötley Crüe Sänger stand keinen Augenblick still, kommunizierte mit den Besuchern und strahlte dieses sympathische Rocker-Image aus, welches aus Leidenschaft für die Musik, Spass auf der Stage zu stehen, dem frechen, aber liebenswürdigen Schuljungen und der "Baby, heute Nacht gehörst du mir" Attitüde besteht. Solche Entertainer gibt es heute nur noch selten, da bei den meisten alles nur inszeniert ist. John lebt dies auf der Bühne aus und singt nach wie vor mit einer unglaublichen Kraft in der Stimme. So muss knackiger Rock'n'Roll klingen. Angriffslustig wie ein streunender Hund und sexy wie die mit einem Leder-Mini bekleidete und hochtoupierte Lady. Dies mit einem breiten Grinsen serviert und locker «I Wanna Be Your Bitch» aus den Hüften geschossen. Das sind The Dead Daisies. Mit der gefühlvollen Ballade «Lock'n'Load» schoss so manche Gänsehaut in die Höhe, wenn man dem gefühlvollen und emotionalen Gesang lauschte. Zusammen mit den grandiosen Backings von Michael war dies eines der Highlights der Show. Wie auch die Biker-Hymne «I'm Gonna Ride» (mit gespieltem Diva- Drama von John) oder der furiose Start mit «Light'em Up».
Dass die Jungs neben dem kernigen Rock aber auch den Blues lieben, belegte die Muddy Waters Nummer «I'm Ready», bei der Michael Mundharmonika spielte. "Pratteln! You go into Winter? Shit for you! So come with the Dead Daisies on a vacation! Where the sunshine and the sandy beach is! So let's go to Mexico” kündigte John den Hit «Mexico» an. Eine Episode gefällig? Als John zum Publikum sprach und ein Fan laut dazwischen schrie, konterte Mister Corabi dies mit einem Lachen und dem Kommentar "shut up motherfucker!" So lange solche Truppen wie The Dead Daisies ihr Unwesen treiben, so lange habe ich keine Angst um das Bestehen des klassischen Hard Rocks. Die Jungs können problemlos eine kleinere Bühne rocken, sind aber auch prädestiniert für Open Air Bühnen, welche sie im Sturm erobern werden. Sie kamen, sahen und siegten? Nein! Sie kamen, machten alle Frauen wuschig, rockten die Stage, machten keine Gefangenen und verabschiedeten sich mit einem siegesgewissen Lächeln auf ihren Gesichtern.
Setliste: «Intro (Rock'n'Roll – Led Zeppelin)» - «Light'em Up» - «Rise Up» - «Dead And Gone» - «Make Some Noise» - «I Wanna Be Your Bitch» - «Unspoken» - «Bustle And Flow» - «Lock'n Load» - «I’m Gonna Ride» - «Born To Fly» - «Take A Long Line (The Angels Cover)» - «Band Introduction (Dirty Dees Done Dirt Cheap (AC/DC Cover) / Seven Nation Army (The White Stripes Cover) / Children Of The Grave (Black Sabbath) / Living After Midnight (Judas Priest Cover) / Join Together (The Who Cover))» - «I’m Ready (Muddy Waters Cover)» - «Fortunate Son (Creedence Clearwater Revival Cover)» - «Mexico» - «Midnight Moses (The Sensational Alex Harvey Band Cover)» -- «Long Wy To Go» - «Helter Skelter (The Beatles Cover)»