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04. Juli 2024, Murten - Stars Of Sounds
By Tinu
Es war der 30. August 1986 auf dem Zeppelinfeld…, und das «Monsters Of Rock» hatte in Nürnberg Halt gemacht. Dabei liessen Warlock, Bon Jovi (kurz bevor die Jungs mit «Slippery When Wet» durchstarteten), die McAuley Schenker Group, Def Leppard («Hysteria» war gerade in der Mache) und Ozzy mit Jake E. Lee an der Gitarre das Thermometer in die Höhe schnellen. Dies war aber alles nichts im Vergleich dazu, was ich danach mit meinem ersten Konzert der Scorpions erleben sollte. Klaus Meine (Gesang), Rudolf Schenker (Gitarre), Matthias Jabs (Gitarre), Francis Buchholz (Bass) und Hermann Rarebell (Drums) zerlegten Nürnberg feinsäuberlich in seine Einzelteile und rockten das Zeppelinfeld, als gäbe es kein Morgen mehr. Mit im Gepäck hatten die Jungs den Millionen-Seller «Love At First Sting» und das Über-Live-Album «World Wide Live».
Mit einer unglaublichen Energie (hätte man die Gage der Herren nach Kilometer-Geld bezahlt, wäre jeder Veranstalter mit grossen Schritten seinem Bankrott entgegen gelaufen) und einer Spielfreude wie sie im Buche steht, rockten die Skorpione alles in Grund und Boden. Das "erste Mal" vergisst man bekanntlich nie. So auch bei den Scorpions, die eine Show boten, wie ich sie noch selten erlebt hatte. Knapp 38 Jahre später feiern die Deutschen den 40. Geburtstag von «Love At First Sting», welches 1984 das Licht der Welt erblickte. Die Party dazu sollte am "Stars Of Sounds Festival" in Murten stattfinden. Ein sehr schöner Ort, direkt am Murtensee liegend, mit vielen, kleinen Ess- und Trinkständen sowie einer vorbildlichen Betreuung der Journalisten, wie man sie sich wünscht. An dieser Stelle ein grosses Dankeschön an Jeannette Riesen, die fürsorglich und kompetent all unsere Wünsche von den Lippen ablesen und erfüllen konnte!
Storace
Krokus haben sich nicht erst seit gestern in drei Bands aufgeteilt. Während Fernando von Arb und Mark Kohler bei Bad Ass Romance die Hits der Frühlings-Blumen in einer kernigen Version zum Besten geben, hat Mandy Meyer mit Gotus eine neue Band am Start. Sänger Marc Storace hat derweil seine Solo-Truppe formiert, die mit einem neuen Longplayer und Covers von seiner Stammband auf sich aufmerksam machen will.
Gesanglich hat der Malteser noch immer einiges zu bieten und kann mit seinen 72 Jahren nach wie vor einen Gänsehaut-Moment erzeugen. «Stayed Awake All Night» oder «Midnight Maniac» sowie «Rock'n'Roll Tonight» erzielten beim eher auf Mainstream gelagerten Publikum die besten Resonanzen. Auch wenn Emi Meyer (Bass) einmal mehr mit ihrer mitreissenden Art versuchte das Publikum aus der Reserve zu locken, wollte der Funke aber nicht richtig zünden.
Setliste: « Live And Let Live» - «High On Love» - «Midnite Maniac (Krokus Cover)» - «Rock This City» - «Hellraiser (Krokus Cover)» - «We All Need The Money» - «American Woman (The Guess Who Cover)» - «Carry The Burden» - «Stayed Awake All Night (Bachmann-Turner Overdrive Cover)» - «Rock'n'Roll Tonight (Krokus Cover)
Gotthard
Dies änderte sich mit den Hitparaden-Helden von Gotthard. Auch wenn sich der Wasserspiegel vor Ort bei der ersten Zugabe «Heaven» um mindestens zehn Zentimeter zunahm und die feuchten Augen, nicht nur der weiblichen Fans, den Murtensee zum Überlaufen zu bringen drohten, so war es natürlich nicht nur diese Ballade, welche den Tessinern sehr gut zu Gesichte stand. Ich weiss, alle wollen Steve Lee zurück und der Junge hat echt grosse Fussabdrücke hinterlassen, aber in meinen Augen macht Nik Maeder schon lange einen mehr als nur guten Job. Stimmlich in absoluter Topform war der Australier ein stetiger Aktiv-Posten, der immer wieder den direkten Kontakt zu den Fans suchte. Er war immer auf dem Laufsteg anzutreffen, überliess diesen aber den beiden Gitarristen Leo Leoni und Freddy Scherer, wenn sich ihren solistischen Einlagen hingaben, sondern liess sich bei «Lift U Up» auf des Tourmanagers Rücken durchs Publikum tragen.
Nik kommunizierte mit den Fans auf drei Sprachen, ist ein Sympathikus und hat seit seinem Einstieg an einer unglaublichen Sicherheit gewonnen. Dies zeigte er nicht nur bei den "Lee-Tracks", sondern speziell bei den Liedern aus seiner Zeit. «Remember It's Me» besitzt in meinen Ohren bedeutend mehr Tiefgang als ein «Heaven», muss aber leider noch immer hinten anstehen und dem Schmachtfetzen von Steve Lee den Platz überlassen. An diesem Abend konnte das Quintett spielen was es wollte, Murten frass Gotthard aus der Hand. Dies bewies einmal mehr, dass die Jungs in Helvetien eine sichere Bank sind und nichts falsch machen können. Die Latte für die Scorpions war somit hoch aufgelegt.
Setliste: «Everytime I Die» - «Hush (Cover Joe South)» - «Feel What I Feel» - «Top Of The World» - «What You Get» - «One Life One Soul» - «Remember It's Me» - «Starlight» - «Mountain Mama» - «Drum-Solo Flavio Mezzodi» - «Lift U Up» -- «Heaven» - «Anytime, Anywhere» - «Quinn The Eskimo, The Mighty Quinn (Cover Bob Dylan)»
Scorpions
Diesen Umstand nahmen die Herren Meine, Schenker, Jabs, Pawel Maciwoda (Bass) und Mikkey Dee (Schlagzeug) zum Anlass, mal locker eine verdammt geile Rock-Show zu präsentieren. Wie bereits erwähnt, war der 40. Geburtstag von «Love At First Sting» das Motto dieser Konzert-Reise. Aus diesem, allein in den Staaten mit dreifach Platin veredelten Album, wurden acht von neuen Songs gespielt und nur «As Soon As The Good Times Roll» fiel der Zeit zum Opfer. Mit diesen Krachern im Rücken konnte der Fünfer nur gewinnen. Ergänzt wurden die Tracks von «Gas In The Tank» vom letzten, glorreichen Werk «Rock Believer» und weiteren Sternstunden der Achtziger Jahren plus den 1990 in den USA mit Zweifach-Platin gesegneten Liedern von «Crazy World». Schon zu Beginn, wussten die Herren die komplette Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, als der akustische Einstieg von «Coming Home» eine von der Sonne erhellte Erdhalbkugel zeigte, die im Hintergrund auf dem Video-Screen erstrahlte.
Die Bühne wurde überdeckt von einer kleinen Nebeldecke. Aus dem Dunkel trat Klaus hervor, der die letzten Strophen von «Coming Home» sang, bevor die komplette Band in den Riff-Rocker einstieg. Dies flankiert von einer sehr geilen Lichtshow und den entsprechenden Videos im Hintergrund. Von der ersten Sekunde an war der ehemalige Motörhead Trommler Mikkey der Antreiber im Tank des Skorpions. Während Bassist Pawel eher genüsslich und ruhig seine Parts spielte, waren es einmal mehr Rudolf, der immer wieder mit seinen zum Takt passenden Hüpfern und zusammen mit Matthias für konstante Bewegung auf der Bühne sorgten. Klaus sang für seine 76 Jahre extrem gut. Seine typischen "Yeah Baby!" Rufe durften ebenso wenig fehlen, wie die sich auf den Video-Bildschirmen räkelnden Table Dance Girls bei «Tease Me, Please Me». Oder der Skorpion, der sich bei «Gas In The Tank» auf den Weg nach Murten machte.
Die Gitarrenfront an vorderster Stelle des Laufsteges bei «Make It Real» hat nach wie vor, sprich seit den frühen Achtzigern, nichts von ihrer Faszination verloren, und wenn Mister Jabs dabei traumhaft gespielte Solos aus seinen magischen Fingern zauberte, wussten wir alle, die Scorpions liefern immer noch ab! Dies heute vielleicht ohne die berühmtberüchtigte Pyramide, dafür mit einem breiten und zufriedenen Grinsen auf den Lippen. Dass das Publikum auf die Balladen «Send Me An Angel» (in einer Akustik-Version gespielt) und «Wind Of Change» warteten, war so sicher wie das Amen in der Kirche. Singt Klaus die ersten Strophen heute anders («Wind Of Change»), so hat er keinen Texthänger, sondern passt die ersten Zeilen bewusst den aktuellen Geschehnissen in der Ukraine an. Das Lied wurde damals unter den Eindrücken vom "Music Peace Festival" in Moskau geschrieben, als 260'000 Menschen im Olympia Stadion «Still Loving You» sangen – In meinen Augen war der grösste Gänsehaut-Moment aber bei «Still Loving You», als Klaus das Publikum den Text singen liess.
Dies nun auch in der sich verdunkelnden Murtener Nacht, was einem Bild für Götter gleich kam. Mit dem Solo «Delicate Dance» manifestierte Matthias sein Ausnahmekönnen an den Saiten. Nach dem Zitat des Sängers: "Jetzt kommt eine Nummer, die wir bis zu dieser Tour nie gespielt haben. Keine Ahnung wieso, denn sie ist schnell, hart und macht verdammt viel Spass!" erschütterte «The Same Thrill» den Platz vor der Bühne (Mikkey war dabei voll in seinem Element!) Auch «I'm Leaving You» wurde bis dato eher selten gespielt, strahlte aber eine Magie aus, der sich niemand entziehen konnte und für mich noch immer eine der drei besten Nummern der Deutschen ist. Mit den Standards «Blackout» (Rudolf einmal mehr mit seiner rauchenden Gitarre), «Big City Nights» und dem lauthals mitgesungenen «Rock You Like A Hurricane» wurde nach knapp 100 Minuten eine Show beendet, die einmal mehr bewies, dass die Hannoveraner noch immer zu den Besten des harten, melodischen Rocks gehören und sich auch nach einem halben Jahrhundert vor keinerlei Konkurrenz fürchten müssen.
Glücklich liess sich der Fünfer vom Publikum abfeiern und schmiss unzählige Plektren und Drum-Sticks ins Publikum hinein. Die Scorpions gehen schnurstracks auf den 60. Bandgeburtstag zu. Wer kann sonst noch von sich behaupten, so lange und dermassen erfolgreich über die ganze Erdkugel getourt zu haben und noch immer tourt? Die Deutschen sind ein Phänomen, das immer abliefert und Abend für Abend, den eigenen Lenzen zum Trotz, stets eine sensationelle Show auf die Bühne legt. Danke meine Herren, und hoffentlich auf bald wieder!
Setliste: «Coming Home» - «Gas In The Tank» - «Make It Real» - «The Zoo» - «Coast To Coast» - «I'm Leaving You» - «Crossfire» - «Bad Boys Running Wild» - «Delicate Dance (Guitar Solo Matthias Jabs und Ingo Powitzer)» - «Send Me An Angel (Acoustic)» - «Wind Of Change» - «Tease Me Please Me» - «The Same Thrill» - «New Vision (Drum-Solo Mikkey Dee)» - «Blackout» - «Big City Nights» -- «Still Loving You» - «Rock You Like A Hurricane»