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02. November 2023, Aarau - KiFF
Text by Tinu (tin) & Oliver H. (oli) - Pics by Tinu
Ein kühler Donnerstag-Abend, und alle Zeichen standen auf Thrash! Unter dem Motto «Night Of The Living Thrash» besuchten Death Angel nach einer gefühlten Ewigkeit wieder einmal die Schweiz! Seit 1982 sind die Kalifornier aktiv und ein Garant für intensivste Live-Performances. Im Schlepptau hatten sie keine geringere Truppe als Sacred Reich. Zu den bekanntesten Werken der Arizona Thrasher gehören die EP «Surf Nicaragua» und die Platte «The American Way». Als Anheizer dienten die spanischen Energiebündel Angelus Apatrida, die in der Schweiz seit ihren letzten drei Alben spürbar Boden gut gemacht haben. Alle drei schafften es jedenfalls problemlos, den Laden innert kürzester Zeit mit altem und neuem Material in ein Tollhaus zu verwandeln. (oli)
Angelus Apatrida
Die Mitstreiter des Openers verkauften um 18:55 Uhr noch ganz gelassen ihr Merch, um nur fünf Minuten später bereit zu sein und lautstark auf der Bühne zu stehen. Da der Abend im Zeichen des Thrash stand, hatte der spanische Vierer leichtes Spiel beim Publikum. Sympathisch und energiegeladen bretterte die Combo um Guillermo Izquierdo (Gesang, Gitarre), David G. Álvarez (Gitarre), Víctor Valera (Drums) und Jose J. Izquierdo (Bass) los. Bei viel Rauch und dezentem Licht gaben sie «Bleed The Crown» vom Pandemie-Werk «Angelus Apatrida» zum Besten.
Sie heizten der Menge im KiFF ganz schön ein, und diese wusste es definitiv zu schätzen, denn der Saal füllte sich rasend schnell. Noch selten habe ich erlebt, dass die Menge bei einer Vorgruppe dermassen abgeht. Danach brachte der Kracher «Snob», von der neuen Platte «Aftermath», die Menge in Bewegung, gefolgt von ihrem Überhit «Indoctrinate». Die Fans moshten, schrien und feierten. Nach sieben Songs war jedoch für den spanischen Wirbelsturm Sendepause, denn die Bühne erwartete noch zwei weitere Hochkaräter, die diesem Abend die Krone aufsetzen wollten. Die Spanier haben aber definitiv ein Rundum-Sorglos-Paket für Thrasher geboten, das perfekt ankam. Im Anschluss gesellte sich die Band wieder zum Merchstand, wo sie anschliessend mehr als genug zu tun hatten – wohlverdient! (oli)
Setliste: «Bleed The Crown» - «Snob» «Indoctrinate» - «Cold» - « Give’em War» - «Sharpen The Guillotine» - «You Are Next»
Death Angel
«The Night Of The Living Thrash Tour» war das Motto dieser Konzert-Reise, und wie lebendig das Paket war, zeigten auch die alten Haudegen von Death Angel, die sich alles andere als tot auf der Bühne präsentierten. Die Jungs sind eine eingespielte Einheit, und wenn die beiden Gitarristen Rob Cavestany und Ted Aguilar in die Saiten greifen, dann wird das Thrash-Herz einmal richtig umgerührt und in Wallung gebracht. Die Kraft, die Power und das filigrane Spiel der Jungs entlud sich nicht nur im letzten Track «Thrown The Wolves» und zeigte alle Metallicas dieser Welt, was ein interessanter und vielseitiger Track ist.
Die coole Socke auf der Bühne war Bassist Damien Sisson, der stets mit einem breiten Grinsen auf der Bühne steht und einen Wahnsinns-Groove aus seinem Instrument haut. Drummer Will Carroll ist derweil für den bodenständigen Rhythmus-Teppich verantwortlich, aber die Geheimwaffe des Todesengel heisst ganz klar Mark Osegueda. Was der Shouter auch an diesem Abend wieder leistete, war Olympia-verdächtig.
Schrie er sich nicht gerade seine Stimme aus dem Körper, dann war der wirblige Shouter immer in Bewegung, fiel vor Rob auf die Knie, wenn dieser am Solieren war, bangte wild auf der Bühne herum, rannte von der linken zur rechten Seite oder hüpfte mit einem Spreizsprung vom Schlagzeug-Podest herunter. Er scheute den Kontakt zu den Fans nicht, war ihnen nahe, klopfte Hände ab oder zelebriert die Texte mit weit aufgerissenen Augen und hochgezogenen Augenbrauen.
Dabei waren seine Blicke mal sehr böse oder wieder mit einem unglaublichen Schalk versehen. "Thank you, we have a long history with this country", bedankte sich der Sänger bei den Fans im KiFF, um gleich seine Liebe zum Metal kund zu tun: "It's brilliant to be here! Thank you for keeping this alive! This is not a trend, this is a lifestyle! Will you celebrate metal from the Bay Area?". Und wie die Fans dies wollten! Von alten, ergrauten Thrashern der Achtziger bis hin zu jungen Fans, alle feierten Death Angel ab, bildeten einen Moshpit und tatsächlich hüpften zwei Stagediver von der Bühne aus zurück in die Meute.
Mark peitschte die Anwesenden unentwegt an und schrie mit ihnen um die Wette. Da wo andere Stimmen versagen, liess der Shouter seine Schreie mit zunehmender Spieldauer noch länger und höher erklingen. Mit sechs Tracks von den ersten drei Scheiben liess der Todesengel seine Vergangenheit ebenso aufkeimen, wie mit sieben Vertretern der letzten sechs Studio-Alben, sprich die Epoche nach der Reunion. Dass Death Angel dabei solche Perlen wie «Lord Of Hate» oder «I Chose The Sky» auf der Seite liegen liessen, tat zwar weh, war aber verkraftbar, da das Set wie aus einem Guss klang.
Mark zelebrierte mit seinen Jungs und den Fans den Thrash Metal der Achtziger Jahre, der bis heute nichts von seiner Faszination verloren hat, und wenn mir eine Lady in meinem Alter nach dem Gig freudig ins Ohr bellte, dass sie mit dieser Band aufgewachsen sei und der Sound nichts von seiner Faszination verloren hätte, kann man dem nichts mehr hinzufügen. Ausser vielleicht, dass der Groove der Todesengel von keiner anderen Truppe kopiert werden kann. Dies bestätigten auch die ausufernden Tanzbewegungen eines Fans. (tin)
Setliste: «Evil Priest» - «Voracious Souls» - «Seemingly Endless Time» - «Buried Alive» - «3rd Floor» - «I Came For Blood» - «Disturbing The Peace» - «The Dream Calls For Blood» - «The Moth» - «Relentless Retribution» - «Truce» - «The Ultra-Violence (Intro)» - «Thrown The Wolves»
Sacred Reich
Die Headliner-Position wechselten sich Sacred Reich und Death Angel jeden Abend aufs Neue ab. Eine in meinen Augen eigentlich gefährliche Situation für die Arizona Thrasher um den singenden Bassisten Phil Rind, aber wer die Phoenix-Jungs kennt, weiss, dass sie sich nicht beirren lassen. Speziell Knuddelbär Phil sang verdammt gut und grinste wie ein Honigkuchenpferd, das gerade seine Weihnachts-Geschenke auspackt. Von einem Mister Rind geht jedoch keine pure Aggressivität aus.
Der "good and friendly, violent fun", den Mark soeben auf der Bühne zelebrierte, ist nämlich nichts für den Sacred Reich Bassisten. Er huldigt lieber dem Frieden auf dieser Welt, lässt sich von der Familie, den Kindern und der Natur begeistern und weist auf die Umstände der Welt hin. Selbst wenn er seiner Aussage nach nicht alles kontrollieren kann. Der umsichtige Bär kann jedoch durchaus auch ein bangendes Monster auf der Bühne sein, das einfach seine Musik geniesst.
“Do you have a good time? Excellent!” Ja, so ist er eben, der gute Phil. Umsichtig und auf Spass bedacht, aber niemals ein brüllender Asi, sondern jemand, der diese Herausforderung sportlich annimmt und nach Death Angel auf die Bühne geht. Mit dem Wissen, dass seine Kumpels aus der Bay Area die Hütte einmal mehr in Grund und Boden zerlegt haben und ausser einem feinem Betonstaub nichts mehr so war, wie vor deren Gig.
Phil macht sich diesen "Staub" ganz einfach zu eigen und kreiert daraus filigrane wie bodenständige Thrash-Tracks, die immer mit einem Hauch Black Sabbath vorgetragen werden. Dabei profitiert er von den Qualitäten seines Schlagzeugers Dave McClain (ehemals Machine Head), dem jungenhaften Flair von Gitarrist Joey Radziwill und seinem langjährigen Partner in Crime Wiley Arnett, der mit seinen brillanten Leads immer wieder für offene Kauleisten sorgte.
Die Setliste war bestückt mit den Liedern der ersten Alben «Ignorance» (1987), «The American Way» (1990), «Independent» (1993), der «Surf Nicaragua» EP (1988) und dem aktuellen Werk «Awakening» (2019). Das Album «Heal» (1996) wurde hingegen einmal mehr aussen vorgelassen, aber auch so zauberte das Quartett einen Set aufs Parkett, der sich sehen und hören lassen konnte.
Der Eröffnungs-Dreier mit «Divide & Conquer», «Love…Hate» und «One Nation» liess nichts anbrennen und konnte die Stimmung von vorher erneut entfachen. Auch wenn diese nicht mehr an die Ausgelassenheit bei Death Angel heran reichte, durften sich Sacred Reich zu Recht nach dem letzten Ton abfeiern lassen. Mit Songs wie «Salvation», «Who’s The Blame» oder «Death Squad» zeigten sich die Herren von ihrer besten Seite und verbuchten mit der abschliessenden Triplette «The American Way», «Surf Nicaragua» und dem Black Sabbath Cover «War Pigs» mehr als nur einen Pluspunkt auf ihrer Seite.
Ein fantastischer Abend ging zu Ende, und wenn sich nach einem Gig nur noch die CDs der Protagonisten in meinem Player drehen, dann darf man getrost von einem gelungenen Anlass berichten. Einem, vom dem ich sicherlich noch meinen Enkeln einmal erzählen werde. "Meine Lieben, es waren einmal ein Mark und ein Phil, die von der Art nicht unterschiedlicher hätten sein können und sich doch so ähnlich waren…" (tin)
Setliste: «Divide & Conquer» - «Love…Hate» - «One Nation» - «Ignorance» - «Manifest Reality» - «Free» - «Salvation» - «Who’s The Blame» - «Independent» - «Death Squad» - «The American Way» - «War Pigs (Black Sabbath Cover)» - «Surf Nicaragua»