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22. Februar 2023, Aarau – KiFF
By Oliver H. - Pics: @slaylina.phototropic
Bei all dem Gerede darüber, dass Bands in letzter Zeit aufgrund steigender Kosten und fehlender Tour-Busse nicht mehr in der Lage sind, durch Europa zu touren, klang die Ankündigung, dass Kataklysm und Soilwork für fast drei Monate auf eine massive Tour durch den alten Kontinent gehen werden, wie Wunschdenken. Fügt man dann sogar noch eine Support-Band hinzu, die sich der Mischung anschliesst, hat man ein schönes Märchen beisammen. Am 22. Februar konnte man sich aber live davon überzeugen, dass Märchen durchaus wahr werden können. Von wegen Trübsal blasen!
Wilderun
Mit der bis dato unbekannten Newcomer-Truppe Wilderun gaben die US of A ihr Stelldichein in Aarau. Mutig in Anbetracht der Tatsache, dass die Combo teils folkig angehauchten Progressive Metal mit im Gepäck hatte, der bereits früh am Abend gehobene Hör-Kost versprach. Nicht ganz einfach zu verdauen waren die überlangen Kompositionen, und auch die Vocals von Sänger/Gitarrist Evan Anderson Berrys liessen sich nicht in eine Schublade drücken. Abseits von sporadischen Growls wusste er durchaus mit seiner warmen und charismatischen Singstimme zu beeindrucken. Der Funke wollte jedoch nicht so richtig überspringen, denn wer an diesem Abend ein Ticket sein Eigen nannte, wollte eine Dampfhammer-Performance erleben. Dass die Songs des Starter-Quartetts dabei eher an neue Opeth-Songs erinnerten, machte die Sache auch nicht wirklich besser. Das Publikum klatschte zwar höflich Beifall, liess sich jedoch nicht aus der Reserve locken. Fazit: Der Club hatte gestimmt, die Vorband oder das Publikum leider nicht.
Setliste: «The Tyranny Of Imagination» - «Identifier» - «Passenger» - «Far From Where Dreams Unfurl»
Soilwork
Da sah es zu Beginn beim ersten Headliner Soilwork schon anders aus. Bereits zum Intro des Titeltracks der aktuellen Platte «Övergivenheten» machte sich Bewegung im Lokal breit. Als sich dann die Saitenfraktion um Gitarrist Sylvain Coudret und Tour-Verstärkung Simon Johansson noch äusserst spielfreudig zeigte, hatte sie die Menge in der Tasche. Der Mob im gut gefüllten KiFF klatschte euphorisch mit, hob regelmässig im Kollektiv die geballte Faust oder trudelte von einem Circle-Pit zum nächsten. Während die Rhythmus-Sektion die Bühne bewegungstechnisch auslotete, war Sänger Björn Strid, der auch auf dieser Tour wieder auf seine federbewehrte Weste schwört, eher reserviert und vorwiegend auf seine gesangliche Performance fixiert. Dies tat der Stimmung jedoch keinen Abbruch, denn schliesslich wollte man an diesem Abend satte Musik konsumieren und keinen Hampelmann sehen. Strid erlaubte sich deshalb stimmlich keine Blösse. Der Zuspruch wuchs von Song zu Song, und der Frontmann fand sogar die Zeit, die Fäuste in der ersten Reihe abzuklatschen. Irgendwie schien alles wie immer, und dennoch schwebte während der gesamten Spielzeit der Geist von David Andersson (Gitarre) über der Menge, der erst Mitte September 2022 verstorben war. Vielleicht ist es nur mir so ergangen, aber ein wenig Wehmut war schon mit dabei. Jedenfalls fühlten sich diese 75 Minuten trotz leichten Stimmungsschwankungen sehr kurzweilig an, als «Stålfågel» bereits den Schluss dieses Auftritts einläutete. Viele Fans hätten mit dem Schweden-Trupp noch locker weiter machen können, ja wollen, doch der andere Teil wollte nun geballte franko-kanadische Death Metal Power, und die liess nicht mehr lange auf sich warten.
Setliste: «Övergivenheten» - «This Momentary Bliss» - «Stabbing The Drama» - «The Living Infinite I» - «Is It In Your Darkness» - «Electric Again» - «Bastard Chain» - «Valleys Of Gloam» - «The Nurturing Glance» - «Harvest Spine» - «Death Diviner» - «The Ride Majestic» - «Arrival» - «Nerve» - «Stålfågel»
Kataklysm
Nach einem doch recht kurzen Change-over und jeder Menge Vorfreude, da Drummer James Payne von Kataklysm seine Küche selber aufgebaut hatte und bereits mit den Fans interagierte, war es dann auch nicht erstaunlich, als bereits beim Opener «Push The Venom» die Hölle losbrach. Von hinten drückte die Masse und von vorne wurden die tanzenden Körper wieder in den Pit zurück geschubst. Noch selten habe ich gesehen, dass eine Band innert zwei Minuten die Menge völlig unter Kontrolle hat. Dass Kataklysm als Live-Macht bekannt sind, ist kein ja Geheimnis mehr, aber dass sie derart abgehen, das war schon beeindruckend. Auch sie legten eine horrende Spielfreude an den Tag und grinsten um die Wette, wenn sie nicht gerade showmässig finster dreinblickten. Die Blastbeats sassen, die "Guillotine" war messerscharf, und an diesem Abend wurde niemand zum "Outsider" gemacht, der das nicht wollte. Es war eine Feier der guten Laune, und das Quartett tat mit ihrer bunt gemischten Setliste ihr Nötiges dazu. Im Gepäck hatten sie logischerweise Tracks vom aktuellen Album, das durch die verschobene Tour zwar schon fast wieder alte Klassiker herauf beschwor, aber ausgerastet sind die Fans dennoch bei den Gassenhauern «Where The Enemy Sleeps» oder «In Shadows And Dust». Da gab es kein Halten mehr. Das Publikum begann vermehrt über der Crowd zu surfen, bis zum Schluss fast zu wenige Hände da waren, um die Fans in der Luft zu halten. Vermutlich hätten die Kanadier an diesem Abend auch Schlager zu Metal verwursten können, die Fans hätten es gefressen. Frontmann Maurizio Iacono feierte stets die Stimmung und heizte sie gar noch mehr an. Der Circle-Pit wechselte hin zu einer Wall Of Death und anschliessend wieder zurück in die kreisende Raserei. Während Shouter Iacono etwas zu den Fans sagen wollte, wurden Rufe nach den nächsten Songs laut. Die Leute wollten mehr auf die Ohren, und das bekamen sie letztlich auch. Iacono klopfte Fäuste, spuckte und brüllte wie auch der Rest der Crew mit viel Publikumsnähe für Begeisterungsstürme sorgte. Als Rausschmeisser wurde das epische «Blood In Heaven» auserkoren, was den Vierer unangefochten zum Gewinner des Abends machte. Soilwork hatten ihre Sache sicherlich gut und solide gebracht, aber Kataklysm haben die Bude voll abgerissen.
Setliste: «Push The Venom» - «Guillotine» - «Narcissist» - «Underneath The Scars» - «Where The Enemy Sleeps» - «Manipulator Of Souls» - «To Reign Again» - «The Killshot» - «Outsider» - «Crippled & Broken» - «At The Edge Of The World» - «As I Slither» - «In Shadows And Dust» - «The Black Sheep» - «Blood In Heaven»
Fazit der momentan angesagten Doppel-Headliner-Shows: Manchmal ist es schade, wenn Top-Acts ihr Setting kürzen müssen, um den "Gleichgrossen" Platz zu machen, die dann showmässig jedoch nicht mithalten können. Andererseits besteht so die Möglichkeit, gleich zwei erfahrene Haupt-Acts hintereinander erleben zu dürfen, und wenn die richtig abliefern, hat man nur gewonnen! Wenn nicht, dann kann man sich immer noch eine Bratwurst und ein Bier holen!