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05. – 07. Januar 2023, Wasen im Emmental
By Tinu (tin) & Rockslave (rsl) - All Pics by Rockslave
Die ersten News über eine Lungenkrankheit, die in China ausbrach, erreichten uns im Dezember 2019, was das ICE ROCK Festival im Januar 2020 zum Glück nicht tangierte. Kurz darauf war dann aber fertig mit lustig, und es folgten zwei ganze Jahre in der Menschheitsgeschichte, die einschneidend waren. Als die Pandemie immer mehr in den Hintergrund rückte, da vermeintlich bis überwiegend überstanden schien, kehrte das normale Leben und die Zuversicht auf bessere Zeiten zunehmend zurück, und fast alle setzten grosse Stücke auf das letzte Jahr, doch anfangs 2022 zeigte sich die Situation noch nicht ganz so, wie man das "im Wasen oben" braucht und vor allem auch wollte, nämlich ein Festival ohne jegliche Einschränkungen! Der Verzicht schmerzte ungemein, war aber letztlich richtig und nachvollziehbar. Somit waren alle Augen auf 2023 gerichtet, und die Vorfreude stieg mit jedem Monat mehr, auch wenn der sinnlose Krieg in der Ukraine, der schon bald ein ganzes Jahr tobt, echt nicht hätte losgetreten werden müssen. Unsere gemeinsame Passion, sprich die ganze Hard & Heavy Szene stand und steht jedoch nach wie vor über dem Ganzen und kennt keinerlei Ausgrenzung. Die Maxime heisst gemeinsam eine gute Zeit mit guter Musik unter Freunden zu verbringen, und genau dafür steht mitunter auch das ICE ROCK Festival! (rsl)
05. Januar 2023 (erster Tag)
Scars Of Yesterday
Den Auftakt am diesjährigen ICE ROCK Festival machte eine Schweizer Band, die mir, obwohl sie 2020 den Schweizer Final des "SPH-Contests" in Zürich gewann, zuvor kein Begriff war. Im Wissen darum, dass der Opening-Act jeweils vor eher wenigen Besuchern aufspielt, ist die Wahl einer erfahrenen und eingespielten Band unter dem Strich eher besser, aber das muss nicht generell so sein. Scars Of Yesterday spielten auf jeden Fall einen überraschend melodisch ausgerichteten Modern Metal, der mit viel Groove daher kam und gesanglich zwischen clean und core hin und her pendelte. Auch tempomässig lässt man sich nicht einengen und bringt frei Schnauze einfach das, was Spass macht. Im Vordergrund stand jedoch vor allem der Gesang von Frontmann Remo, der dem Ganzen, nebst seiner agilen Performance den Stempel aufdrückte. Das weckte zunehmend auch das Interesse der anwesenden Besucher, die sich gegen das Ende hin zahlreicher vor der Bühne einfanden. Mir blieb letztlich vor allem das fette Gitarren-Brett bei «Hillclimber» hängen. (rsl)
Setliste: «3146» - «Why Do You Bleed» - «Old Black River Ghosts» - «London's 4 Wall» - «Dead Or Alive» - «Another Day To Fight» - «From Holding And Loosing» - «I Scream» - «Victimized» - «The One Real Thing» - «Behold Your Madness» - «Worlds First Breath» - «Hillclimber» - «Well Denied»
Lacrimas Profundere
Was gibt es Schöneres, als wenn man sich als Veranstalter einen Traum erfüllen kann? So geschehen mit der Verpflichtung der deutschen Dark Gothic Rocker aus Bayern. Die Truppe wurde bereits 1993 gegründet und das dreizehnte Studio-Album «How To Shroud Yourself With Night» erschien letztes Jahr, drei Jahre nach dem Vorgänger «Bleeding The Stars». In der vergangenen Zeit hat man sich die genremässige Fanbase aufbauen können und unzählige Festivals, gross wie klein bespielt. Das Line-up änderte dabei immer wieder mal und stilistisch wanderte der ursprünglich gezockte Gothic Metal mehr in Richtung Dark Rock. Somit genau das Ding von Marco Forster, dem ICE ROCK Bandbooker. Dieser stand seitlich der Bühne und genoss sichtlich jeden Moment des Auftritts. Mit Bassist Ilker Ersin (Ex-Freedom Call) stand zudem ein auch mir bekanntes Gesicht auf der Bühne. Auch wenn die düstere Mucke, gut zur Hälfte aus Songs der erwähnten zwei Alben bestehend, eigentlich für weniger Fröhlichkeit stand, kam diese ganz gut an und sorgte für die erhoffte Konzertstimmung. Frontmann Julian Larre, der seit 2018 dabei ist, sorgt mit Jahrgang 1992 für entsprechend frisches Blut, das mindestens den mittelfristigen Fortbestand der Band in Aussicht stellt. (rsl)
Setliste: «Intro» - «To Disappear In You» - «Celestite Woman» - «Like Screams In Empty Halls» - «A Cloak Woven Of Stars» - «My Release In Pain» - «Be Mine In Tears» - «Mother Of Doom» - «Remembrance Song» - «Intro / Awake» - «The Letter» - «My Velvet Little Darkness» - «The Kingdom Solicitude» - «Unseen» - «An Invisible Beginning» - «Ave End» - «Father Of Fate» - «Millions Way To Die (Outro)»
Brainstorm
Während OK-Mitglied Marco sein erstes persönliches Highlight des Festivals bereits abhaken konnte, stand meines noch bevor. Da ich die "Brain-Rage-Tour" im vergangenen Oktober im Z7 in Pratteln verpasst hatte, freute ich mich umso mehr auf den Auftritt der deutschen Power Metal Institution schlechthin. Allerdings war das Ganze ein Tanz auf der Rasierklinge, da sich Frontmann Andy B. Franck erst kürzlich einer Leistenbruch-Operation unterziehen musste und es deshalb zunächst nicht 100-prozentig sicher war, ob es deswegen überhaupt geht. Nicht zu kommen war für Andy jedoch keine Option, und darum konnten sich alle glücklich schätzen, dass Brainstorm die Bühnenbretter als Headliner des ersten Tages vollzählig und motiviert bis in die Fingerspitzen betraten. Dass sich der Frontmann dabei etwas vorsichtiger und bedachter als sonst auf der Bühne zeigte, färbte letztlich nicht auf die Performance als solche ab.
Vielmehr schoss die Band erneut aus allen Rohren, und auch heute Abend stellte sich abermals die gleiche Frage, warum es dieser talentierten Truppe bisher nicht zu höheren Weihen gereichte. Auf jeden Fall boten die Schwaben einen energetischen Set, der nebst ein paar brandneuen Songs wie den Opener «Where Ravens Fly», «Glory Disappears» oder «Escape The Silence» auch unverzichtbare Klassiker der Liga «Shivas Tears» oder «All Those Words» bot. Bei letzterem Track sangen die voll antizipierenden Fans auch nach Ende des Songs "Oh oh oh oh, oh oh oh oh" unentwegt weiter. Gänsehaut machte sich breit, und es war einmal mehr einfach nur geil! Der begeisterte Mob forderte Nachschlag und wurde deshalb mit der ungeplanten Zugabe «End In Sorrow» belohnt. (rsl)
Setliste: «Where Ravens Fly» - «Worlds Are Comin' Through» - «Devil's Eye» - «Shiva's Tears» - «Glory Disappears» - «Highs Without Lows» - «Drum Solo» - «The Pyre» - «Jeanne Boulet (1764)» - «Bass Solo» - «Escape The Silence» - «Turn Off The Light» - «Guitar Solo» - «All Those Words» -- «Ravenous Minds» --- «End In Sorrow»
Emerald
Nach so einem Brett nochmals auf die gleiche Bühne steigen zu müssen, ist kein leichtes Unterfangen, auch wenn vonseiten des Veranstalters explizit darauf hingewiesen wurde, sich nicht gleich in Scharen vom Acker zu machen. Das geschah natürlich nicht, obwohl sich dennoch einige Reihen unübersehbar lichteten. Für sowas hatten die Schweizer True Heavy Metaller von Emerald aber eh kein Gehör und richteten sich ruhig wie professionell für die abschliessende Metal-Sause des ersten Festival-Tages ein. Möglich, dass der stimmlich angeschlagene Frontmann Mace Mitchell diesen Abend lieber im Backstage-Wagen bei einem warmen Tee oder einer Honig-Milch verbracht hätte, doch ausser den Musikern die es vorab wussten, merkte da vor der Bühne bei weitem nicht jeder den Unterschied zwischen neunzig und hundert Prozent. Letzteres traf so oder so auf die agile Band zu, die vor allem im Saiten-Bereich mit Frohnatur Vania Truttmann (Bass), Riff-Hüne Michael Vaucher und Solo-Künstler Julien Menth absolut tough bestückt ist.
Vervollständigt wird das Sextett durch Drummer Al Spicher, der unentwegt powert und Tastenmann Thomas Vaucher, der alle möglichen Sounds "ab Band" rigoros unterbindet. Richtet man den Blick auf die untenstehende Setliste, werden sich alle, welche den Ort des Geschehens vorzeitig verliessen, heftig in den eigenen Arsch beissen, denn schon nur für den Killer-Opener würden andere töten! Ganz zu schweigen davon, was danach noch folgte. Mit Fokus auf dem letzten Album «Restless Souls» (2019) und dem Titeltrack des Vorgängers rissen Emerald nichts als eine exzellente Metal-Show vom Leder, die sich gewaschen hatte. Mace legte dabei stimmlich wirklich alles rein, war er noch im Tank hatte, ohne dabei das Gesicht zu verlieren. Das noch anwesende Publikum würdigte diesen selbstlosen Einsatz und die sichtliche Spielfreude der Hintermannschaft mit lautstarkem Zuspruch. Der Iron Maiden Classic «Wasted Years» vermochte dabei gar noch einen drauf zu setzen, und mit «Revenge» "nötigte" man schliesslich auch Emerald zu einem zusätzlichen Song. Metal-Herz, was willst Du mehr?! Ich bald ein neues Album!! (rsl)
Setliste: «Only The Reaper Wins» - «Reckoning Day» - «Digital Slavery» - «Cad Goddeu» - «My Final Stand» - «Son Of Sam» - «One Moment Of Freedom» - «Tears Of A Warrior» - «Freakshow» - «Horns Up» - «Wasted Years (Iron Maiden Cover)» - «Revenge»
06. Januar 2023 (zweiter Tag)
Royal Desolation
Gregi und sein Weg zum ICE ROCK. Fridu erzählte vor dem Gig von Royal Desolation, wie ein kleiner Junge bei den ersten Festivals rechts am Bühnenrand stand und zuerst kaum über selbige hinaus schauen konnte. Die Jahre verstrichen, und Gregi wurde grösser, bis ihm Fridu ein Versprechen gab. "Wenn du eines Tages eine Band hast, darfst du am ICE ROCK auftreten!" Es ging nicht lange, da erinnerte der inzwischen zum Schlagzeuger gereifte Jüngling den Veranstalter an das Versprechen. Dieser hielt natürlich sein Wort, und so standen Royal Desolation am Drei-Königs-Tag auf der Bühne. Der wilde Haufen hatte seine Gesichter mit schwarzen Linien verziert und machte keinen Hehl daraus, dass sie als Lokalmatadoren das Publikum auf ihre Seite ziehen wollten. Der Metalcore mit vielen melodischen Parts schien die grosse Masse aber nicht anzusprechen, doch die Jungs konnten sich mit ihren teils groovenden Parts in die Herzen diverser Konzertbesucher hinein spielen. (tin)
Setliste: «3146» - «Why Do You Bleed» - «Old Black River Ghosts» - «London's 4 Wall» - «Dead Or Alive» - «Another Day To Fight» - «From Holding And Loosing» - «I Scream» - «Victimized» - «The Real On Thing» - «Behold Your Madness» - «Worlds First Breath» - «Hillclimber» - «Well Denied»
Nitrogods
"Habt ihr Bock auf Rock'n'Roll?", wollte der singende Bassist Klaus "Oimel" Larcher (er teilte sich den Leadgesang mit Henny) bereits vor dem ersten gespielten Ton vom Publikum wissen. Der Wasen war bereit für "three men are enough", welche von der ersten Sekunde an ein Feuerwerk ablieferten, welches in meinem Augen und Ohren zum absoluten Highlight des kompletten Festivals wurde. Die Bude brannte förmlich nieder, und das lag nicht nur am schnörkellosen Rock der Deutschen, sondern auch an den Ansagen. "Die Luft hier ist trocken (was Oimel immer wieder dazu veranlasste, einen grossen Schluck aus dem Bier-Stiefel zu trinken)" oder "…wir sind die erste Band an diesem Festival aus Übersee, genauer gesagt aus Überbodensee" brachte die Lacher auf seine Seite. Aber auch Gitarrist Henny Wolter geizte nicht mit Ansagen, wie jene zu «Lipsynch Stars». "Der nächste Song handelt von Bands, die nicht live, sondern playback spielen.
Wir beweisen euch heute, dass wir nicht zu solchen Truppen gehören", was Oimel mit dem Satz beantwortete "weil wir zu doof sind". Legendär ist nach wie vor das Bierflaschen Drum-Solo von Klaus Sperling. "Kein Playback, aber live an der Bierflasche. ICE ROCK…, habt ihr Bock auf ein Bierflaschen-Solo?" Die Jungs wussten genau, dass sie mit ihrer natürlichen Art das Publikum im Handumdrehen auf ihre Seite ziehen konnten und liessen nichts anbrennen. So authentisch, wie das Trio auf der Bühne stand, hat es seit den seligen Tagen von Motörhead keine Truppe mehr gegeben. Sie kamen, sahen und brannten das ICE ROCK ab. Wie keine andere Band mehr, ausser vielleicht Pink Cream 69, die am darauf folgenden Tag noch nachzulegen vermochten. Zur so eher nicht erwarteten Zugabe liessen sich die Herren jedoch nicht zweimal bitten und feuerten mit «Overkill» eine famose Version des Motörhead Klassikers ins Publikum. (tin)
Setliste Nitrogods: «Black Car Driving» - «Rebel Dayz» - «Breaking Loose» - «At Least I'm Drunk» - «Lipsynch Stars» - «Rats And Rumours» - «Back Home» - «Boogeyman» - «Blind As Stone» - «Damn Right (They Call It Rock' n Roll)» - «Rancid Rock» - «Take It To The Highway (Thunderhead Cover)» - «Get Lost» - «The Haze (And Endless Drift Through The Void)» - «Whisky Wonderland» - «Wasted In Berlin» -- «Overkill (Motörhead Cover)»
Mystic Prophecy
Auch wenn die Deutschen um Sänger Lia in meinen Augen einen schweren Stand hatten, so liessen sie es sich nicht nehmen, von den Fans lautstark abgefeiert zu werden. Dies auch dank Markus Pohl, der mit seinem von Zakk Wylde beeinflussten Posing immer wieder ein Hingucker war. Zusammen mit Evan, der mit feinen Solos auf sich aufmerksam machte, waren sie die messerscharfe Kraft hinter der Truppe. Joey Roxx und Hanno Kerstan wuchteten derweil ihren fetten Rhythmus-Teppich ins Publikum, und Lia erwies sich dabei nicht nur als toller Sänger, sondern auch als ein Entertainer, der sein Publikum voll im Griff hatte. Mit einem illustren Querschnitt durch die vergangenen 22 Jahre waren sie an diesem Abend für die traditionellen Metal-Klänge verantwortlich.
Eine Mission, welche die Truppe, anhand der Publikumsreaktionen, mit Bravour löste. Die "Oh-ohh-ohhh" Gesänge des Publikums waren wie schon am Abend zuvor bei Brainstorm zu vernehmen. "Wir haben den Schweiss in den letzten Jahren vermisst, darum kommt alle näher zur Bühne", verkündete der Frontmann und leitete den nächsten Song ein. Die Cover-Version von Mike Oldfields «Shadow On The Wall» wurde mit den Worten: "…1986 (was eh noch falsch war, da 1983 richtig ist – Rsl), da waren viele von euch noch flüssig. Wer war da schon auf der Welt? Ihr lügt doch alle!" angesagt. Songs wie «Dracula», «Metal Brigade» und das abschliessende «Ravenlord» liessen danach bereits viele Besucher schon den Nachhauseweg antreten. (tin)
Setliste: «Metal Division» - «Burning Out» - «Killhammer» - «Kill The Beast» - «The Crucifix» - «We Kill! You Die! » - «Hail To The King» - «Savage Souls» - «War Panzer» - «Shadow On The Wall (Mike Oldfield Cover)» - «Dracula» - «Eye To Eye» - «Metal Brigade» - «Ravenlord»
XII Gallon Overdose
Nach dem vorherigen metallischen Paukenschlag war es für die letzte Band des zweiten Festival-Tages nicht einfach zu punkten. Gut etwa die Hälfte der vorher noch anwesenden Fans wollten sich den stark von Airbourne beeinflussten Sound der Winterthurer aber noch anhören, und die liessen es sich natürlich nicht nehmen, respektive gossen mächtig Öl ins Feuer. Dass Frontmann Angry Z und Gitarrist Sash am Ende des Sets noch auf der Bar spielten, beziehungsweise die Bühnenshow des Sängers, welche stark an diejenige des Shouters von Massive Wagons angelehnt war, zeigte den ausgesprochen hohen Energielevel der Helvetier. Songtechnisch kamen, wie schon erwähnt, vor allem die Fans von Airbourne auf ihre Kosten, sprich eine quasi metallene Version der alten AC/DC suchte und fand den Zuspruch des Publikums. Es roch förmlich nach Öl und Benzin auf der Bühne, und die kreischende wie heisere Stimme tat das Übrige, um nachhaltig in Erinnerung zu bleiben. Ob als Opener oder Rausschmeisser eines Festivals, die überdosierten Gallonen unterhielten die Dagebliebenen ohne Abstriche. (tin)
Setliste: «Bang Your Head» - «Hellevator» - «Booze Abuse» - «Baby Gone Bad» - «Damn Hot» - «Rock The Rock» - «Out Of Fuel» - «Heavy Load Rolling» - «Bad Blood» - «Running High» - «Bloodbound To Rock» - «NPNGNRNR»
07. Januar 2023 (dritter Tag)
Bulletproof Monkeys
Es gibt wohl kaum ein anderes Festival, wo ein Barmann, konkret ist hier die Rede von Lorenz "Löru" Aeschlimann, nebst dem Ausschank von kühlem Bier und anderen Trinkgenüssen auch noch die Bühne mit (s)einer Band zu entern vermag. So geschehen aber zum Auftakt des dritten Festivaltages, und der bunte Reigen an schmissig vorgetragenen Cover-Versionen quer durch den Rock-Kosmos hindurch war genau das Richtige, um allfällig verkaterte Knochen wieder in Bewegung zu bringen. Dass «Long Stick Goes Boom» dabei einen würdigen Opener abgibt, wissen nicht nur Krokus, und so bliesen die Bulletproof Monkeys darauf mehr als ein Dutzend an Rock- und Metal-Classics ins Tenn und bewiesen dabei ein gutes Händchen bei der Songauswahl. Ein Blick nach unten zur Setliste genügt, um das zu bestätigen. «Lick It Up» (KISS) und «Turbo Lover» (Judas Priest) zauberten dann auch unserem El Tino ein Lächeln aufs Gesicht. Meine Wenigkeit fand das Ganze zumindest sehr cool von der Affiche her, und der beherzte Auftritt erfüllte letztlich seine Mission zu 100 % und empfahl sich als idealer Opener wie Stimmungsmacher. (rsl)
Setliste: «Long Stick Goes Boom» - «No Pain, No Gain» - «Runnin' Wild» - «Hush» - «Miss Sophie» - «Fight For Your Right To Party» - «Kickstart My Heart» - «Lick It Up» - «Not Even Maybe» - «Turbo Lover» - «Live It Up» - «Devil In The Sky» -- «Rebel Yell»
Hydrahog
Während mich die Bulletproof Monkey mit ihren eigenen Songs und den Cover-Versionen (trotz ein paar Texthängern) überzeugten, tat ich mich anschliessend mit den modernen Hüpf Metal Klängen von Hydrahog eher schwer. Auch wenn mich die ungezügelte Energie, die von der Bühne zweifellos rüber kam, irgendwie packte, so lag es generell an den spielerisch zwar tadellos vorgetragenen Songs, die mich kaum berührten. Und sorry, ein Shirt mit dem fragwürdigen Aufdruck "Say perhaps to drugs" finde ich ehrlich gesagt alles andere als prickelnd. Dies trug Frontmann Niklaus Flückiger zur Schau, der mit seiner wilden Bühnenperformance ausserdem zu einer echten Gefahr für sich seine Mitmusiker wurde. Mit seinem wilden, brüllenden wie schreienden Gesang peitschte er seine Aggressivität förmlich in die Scheune hinein, und offensichtlich schien der Sound nicht allen gleich gut zu gefallen. (tin)
Setliste: «Make It Count» - «Lifeline» - «Gun» - «Hail The Dog» - «Mon The Cliff» - «First Blood» - «All Is Well» - «War Pigs» - «Crash & Burn»
Mad Max
Auf die Jungs von Mad Max war ich sehr gespannt. Mit Bandgründer Jürgen Breforth an der Gitarre und dem ehemaligen Jaded Heart Trommler Axel Kruse standen zwei langjährige Mad Max Recken auf der Bühne. Mit dem jüngsten Bandmitglied Sänger Julian Rolinger hat das Quintett einen nicht nur optisch hervorragenden Entertainer in den eigenen Reihen, sondern der Jüngling sang die Klassiker auch taufrisch. Abgesehen davon, dass er seinen Mikrofonständer in die Höhe hob und dieser sich fast in der Lichttraverse verankerte, liess Julian nichts anbrennen. Trotz seiner Erkältung sang er richtig gut und gab Klassikern wie «Burning The Stages», «Starcrossed Lovers», oder «Night Of Passion» einen neuen Anstrich. Mit Leadgitarrist Dethy Borchardt hat der Fünfer einen Virtuosen in der Band, der sich aber durchaus song- und banddienlich präsentierte. Toller Auftritt einer Band, die leider immer ein bisschen in Vergessenheit gerät. (tin)
Setliste: «Burning The Stages» - «Starcrossed Lovers» - «Rollin' Thunder» - «Days Of Passion» - «Heroes Dies Lonely» - «Ladies And Gentlemen» - «Fly Fly Away» - «Fallen From Grace» - «Night Of Passion» - «Too Hot To Handle» -- «Heroes Never Die»
Atlantean Kodex
Im Vorfeld wurde viel über diesen Auftritt gesprochen, denn einerseits absolvierten die bayrischen Epic Metaller, die schon seit 2005 existieren, ihren allerersten Auftritt auf Schweizer Boden (!), und andererseits stand die Frage im Raum, wie das Ganze an diesem Festival wohl daher kommen würde. Um es gleich vorweg zu nehmen…, es war der Oberhammer! Das dürfte auch die Band mit Frontmann Markus Becker gefreut haben, denn es brauchte nicht lange, bis das dicht gedrängt vor der Bühne stehende Publikum lautstark kundtat, was es von dieser Performance hielt. Ich von meiner Seite her liess es einfach mal ohne jegliche Vorurteile auf mich zukommen, denn bis zu diesem Konzert war mir lediglich der Name der Band bekannt.
Schon der Einstieg mit dem intromässigen «The Alpha And The Occident», gefolgt vom Opener «People Of The Moon» liess keinen Zweifel darüber aufkommen, dass an diesem Abend auf dem Wasen oben erneut Festival-Geschichte geschrieben wird. Optisch wie spielerisch setzte "Neuzugang" Coralie Baier (g), die seit 2019 zum Line-up gestossen ist, zusätzliche Akzente. Der Fokus der Songs lag auf dem letzten Album «The Course Of Empire» von 2019, und die Mucke, die zu Beginn oft doomig schleppend gehalten wird, entwickelt sich hinten raus, wie bei «Chariots», meist zu einem galoppierenden Epos, das die Matten kreisen lässt. Je länger das Konzert dauerte, desto mehr steigerte sich der Zuspruch, und Atlantean Kodex wussten augenscheinlich nicht, wie ihnen geschieht. Somit alles richtig gemacht "ICE ROCK", und hoffentlich spielt diese geile Truppe bald wieder in der Schweiz auf! (rsl)
Setliste: «The Alpha And The Occident» - «People Of The Moon» - «Chariots» - «He Who Walks Behind The Years» - «Heresiarch» - «Sol Invictus» - «Lion Of Chaldea» - «Marching Homeward» - «Twelve Stars And An Azure Gown» - «The Atlantean Kodex» - «The Course Of Empire»
Pink Cream 69
War ich nach dem zweiten Tag der unabänderlichen Meinung, dass Nitrogods das absolute Highlight an diesem Festival sind, so kratzten die Karlsruher mächtig an dieser Meinung. Mit den neuen Bassisten Roman Beselt, haben PC69 eine kleinen Bühnenderwisch in ihren Reihen, der auch noch einen absolut fetten Bass spielt. Auch Marco Wriedt (ehemals Axxis) hat mit seinem filigranen Spiel eine neue musikalische Heimat gefunden. Chris Schmidt haute wie ein Berserker rein und Gründungsmitglied Alfred Koffler ist nach wie vor nicht aus der Band wegzudenken. Der Mittelpunkt in der Band ist und bleibt aber David Readman, welcher seit 1994 mit seiner kräftigen Stimme ein nicht wegzudenkender Faktor bei Pink Cream 69 ist. Mit dem Überhit «Keep Your Eyes On The Twisted» liessen die Jungs nichts anbrennen und starteten ein Furiosum, welches das Ice Rock in einen wahren Begeisterungssturm verwandelte.
Mit einem starken Querschnitt aus den vergangenen 36 Jahren reihte sich Hit an Hit, oder besser gesagt Klassiker an Klassiker. Es bleibt eines der ganz grossen Geheimnissen, wieso diese Band den grossen Durchbruch nie schaffte. Sie lieferten auf der Bühne, wie auch mit neuem Songmaterial immer ab und dies bewiesen sie auch an diesem Samstagabend im Emmental. Als nach «Shame» die Fans lautstark nach einem weiteren Song verlangten, brachte dies die Truppe leicht in Verlegenheit, da das komplette eingespielte Material schon vorgetragen wurde. So fanden sich die beiden Gitarristen und David alleine auf der Bühne wieder und spielten in einer unglaublich emotionalen Version «One Step Into Paradies». Die Jungs spielten nicht nur den geilsten Gig dieses Festivals, sondern verliessen die Bühne mit einem Gänsehautmoment, der so schnell nicht in Vergessenheit geraten wird. (tin)
Setliste: «Keep Your Eyes On The Twisted» - «Welcome The Night» - «Break The Silence» - «Carnaby Road» - «Hell's Gone Crazy» - «Lost In Illusions» - «The Spirit» - «Walls Come Down» - «Livin' My Life For You» - «Talk To The Moon» - «Do You Like It Like That» - «Seas Of Madness» - «Shame» -- «One Step Into Paradise (Acoustic)»
V8 Wankers
Nach drei Festival-Tagen als letzter Act auf die Bühne zu steigen, ist eine Ehre und Bürde zugleich, und Letzteres kann für Bands ohne "genügend Eier" in einem mittleren Desaster enden. Nicht so für die Punk'n'Rollers von V8 Wankers aus Offenbach! Die Truppe, die schon bald ein Vierteljahrhundert an Karriere-Jahren aufweisen kann, geht sowas sowieso voll am Arsch vorbei. Das einzige was hier zählt, ist mit genügend Bier und Spiritusen (Jim Beam) auf die Bühne zu kommen, die Amps zu starten und den Hebel, ganz in der Tradition der Nitrogods, gleich bis zum Anschlag umzulegen. Und genau das tat die Truppe um Fronter Lutz Vegas, sprich knallte ihren High Speed Rock'n'Roll ohne Unterlass in die immer noch ansehnliche Masse an Fans hinein. Sah man sich das Line-up etwas genauer an, dann wurde gewahr, dass diese Besetzung der Saiten-Fraktion deutlich jünger daher kam.
Drummer Stefan Zimmerling, der durchaus auch noch aus früheren Jahren stammen könnte, trägt allerdings die Nummer fünf auf dem Rücken. Nichtsdestotrotz stand Lutz, der "Gesinnungs-Bruder" von Rose Tattoo's Angry Anderson im Zentrum des Geschehens und lieferte eine schweisstreibende Performance ab. Dass dabei während dem Konzert, nebst einigen Bieren, auch fast der ganze Inhalt der Whiskey-Flasche vernichtet und nachher mit "…ordentlich was getrunken? Ne, damit fange ich erst an!" kommentiert wurde, setzte dem Ganzen noch die Krone auf. Hinten raus wollten die Rabauken fast nicht mehr aufhören zu spielen und sorgten so für einen würdigen Abschluss des so zu sagen neu belebten ICE ROCK Festivals, Ausgabe 2023. (rsl)
Setliste: «Harden The Fuck Up» - «Black Belt» - «What Me Worry? » - «Party Round The Clock» - «Lights Out! » - «Rockin' Horse» - «Rock'n Roll Dictator» - «So Hard To Love» - «Bad Boys Paradise» - «Prolehead» - «The Day Rock'n Roll Died» - «Bomb The Bastards» - «Great Racer» - «Gun Bunny’s Bug» - «Blitzkrieg Burnout» - «This One Is For You» - «Eier aus Stahl» - «We Went Rockin'» - «Wankers Without A Cause» - «Lived by RNR» - «Fist Of Rock» - «Nette Jungs spielen keinen Rock 'n Roll (Rose Tattoo Cover)» -- «Party Round The Clock» - «?» - «Lived by RNR» - «Fist of Rock» - «?»
Wie im Fluge vergingen die drei Tage, respektive Abende im Emmental, und es war wieder genau so, wie noch vor Corona. Das tat allen Besuchern spürbar gut, das ICE ROCK Festival wieder frei und ausgelassen unter Freunden geniessen zu können. So gross die Freude war, musste jedoch mit grossem Bedauern zur Kenntnis genommen werden, dass ICE ROCK Gründer und Festival-Oberhaupt Fridu Gerber gesundheitlich sichtlich angeschlagen war und am Ende des Festivals bei der Verabschiedung gar durch Tochter Lea vertreten werden musste, die, zusammen mit OK-Mitglied und Booker Marco Forster, allen fürs Kommen dankte und gemeinsam die wichtigste Info mit auf den Heimweg gab, nämlich dass es 2024 weiter gehen wird, hell yesss! (rsl)