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14. September 2024, Pratteln - Z7
By Tinu
Es war eine mutige Entscheidung von Johnny Gioeli, neben dem Gig im Z7 auch noch weitere Konzerte in der Schweiz zu spielen. Doch der Plan schien für den Ami mit italienischen Wurzeln aufzugehen, denn das Z7 präsentierte sich mit immerhin einer halbvollen Halle und einer Stimmung, welche vom sympathischen Sänger immer wieder angetrieben wurde. Johnny ist nicht nur im Z7 ein gern gesehener Gast, sondern vermag durch seine agile Art jeden Club und jede Halle zu Begeisterungs-Stürmen hin zu reissen. Man kann durchaus auch der Meinung sein, dass der in Diensten von Axel Rudi Pell stehende Shouter mit seinen Plaudereien die Spielzeit jeweils etwas strecken will (was er wahrscheinlich auch getan hat), aber es gab kaum jemanden im Z7, der ihm dieses Gebaren als negativen Punkt anheftete.
Sevi
Mit im Gepäck hatte Johnny seine Entdeckung Svetlana "Sevi" Blitznakova. Die Sängerin hörte er eines Tages auf einer Festival-Bühne, so dass er, nur mit einer Unterhose bekleidet, den hinteren Teil der Bühne stürmte und der wundervollen und kräftigen Stimme der Bulgarin lauschte. Seit diesem Zeitpunkt formt und fördert er die Shouterin und ihre Band. Eine Truppe, wo der erst 19-jährige Schlagzeuger Peter Petrov mit viel Druck und einem gehörigen Wumms für den passenden Rhythmus-Teppich sorgte. Derweilen stand Johnny die ganze Zeit am Mischpult, hing Sevi an den Lippen und animierte das Publikum fortwährend zum Mitklatschen. Die Frontfrau bewies dabei mit ihrer sehr ausdrucksstarken und variablen Gesangs-Stimme, dass sie zu den Besten ihres Fachs zählt.
Dabei stand sie nie ruhig auf der Bühne, sondern war immer in Bewegung, liess ihre voluminöse Haarpracht im Takt mitschwingen und versuchte das Publikum auf ihre Seite zu ziehen. Vielleicht passte der Sound der Bulgaren nicht wirklich zu demjenigen von Hardline, und darum verhielten sich die Anwesenden zuerst auch eher ruhig, reserviert und gingen erst dann aus sich heraus, als Johnny beim letzten Song zu einem Duett auf die Bühne geholt wurde. "The most fucking amazing voice in the world!" begrüsste Mister Gioeli "seine" Sevi auf der Bühne, und was dann folgte, war ein Gänsehaut-Moment, den man so schnell nicht wieder vergessen wird. Dies lag aber auch zu einem grossen Teil am Hardline Sänger. Wenn er die Stage betritt, verwandelt sich diese stets in eine berauschende, mitreissende und faszinierende Bühne. Nach knapp einer Stunde verliessen Sevi und Johnny unter grossem Applaus den Ort des Geschehens.
Hardline
Was danach folgte, war eine Lehrstunde in Sachen Hingabe, Leidenschaft und musikalischem Können. Mit Alessandro Del Vecchio hat die Truppe eine begnadeten Songschreiber, Musiker und auch Sänger in den Reihen, der es sich nicht nehmen liess, Johnny immer wieder mit Sprüchen heraus zu fordern. Legendär, wie sich Ale "aufregte", als Johnny Cappuccino falsch betonte und am Schluss mit einem "a" aussprach. Tja, die Italiener sind da sehr eigen, wenn es um ihre Ess- und Trink-Kultur geht. Und dies nur, weil Johnny erwähnte, dass seine italienischen Bandmitglieder frühmorgens aufsteht, kaum aus den Federn wie ein Maschinengewehr zu sprechen beginnt und er mit einem "good morning" zuerst seinen Kaffee, Espresso oder eben Cappuccina trinken will.
Die musikalische Eröffnung hatte es in sich, da mit «Fuel To The Fire», «Everything» und «Takin' Me Down» der Begeisterung von Beginn weg nichts mehr im Wege stand. Neben Derwisch Johnny war es Bassistin Anna Portalupi, die mit ihrem italienischen Feuer im Blut, dem Groove in den Hüften und der südländischen Lebensfreude jeden Besucher anstachelte. Dieser typische Groove, den ein Song wie «Takin' Me Down» benötigt, kann nur so gespielt werden, wer den Rhythmus auch im Körper fühlt. Anna und Johnny posten immer wieder zusammen auf der Bühne. Dabei ging der Sänger vor der Lady auf die Knie und flirtete mit ihr was das Zeug hält! Ganz grosses Kino war auch Luca Princiotta, den viele noch von seiner Zeit mit Doro kennen. Was der Italiener aus seinen Saiten zauberte, sucht seinesgleichen, und wenn wir ehrlich sind, gab es seit ihm keinen Gitarristen mehr, der bei Doro die Solos so spielt, wie sie sein müssen. Luca ist keiner, der sich in den Mittelpunkt spielen muss, sondern er geniesst sein Spiel, verschmilzt mit seiner Gitarre und steht, band- wie songdienlich, eher selten im Rampenlicht. Aber allein das Solo und der Einstieg bei «In The Hands Of Time» liessen meinen Kaubalken ganz tief herunter fallen und mich in Ehrfurcht erstarren. Was Luca hier bot, war ganz grosses Kino.
Mit der Einleitung zum akustischen Medley (nur Johnny und Alessandro waren auf der Bühne), erzeugte der Shouter einen weiteren Gänsehaut-Moment, als er Queens «Who Wants To Live Forever» sang und sich danach beim Publikum mit den Worten "I am nothing without you, you give me this life" bedankte. Er ist es auch, der jede Textzeile und Passage mit seiner Körpersprache umsetzt und dabei kaum still steht. Sei es der gefühlvolle zerbrechliche Part oder der wilde, um sich schlagende Moment. "I am an italien, but they are real italiens" bemerkte der Sänger mit einem breiten Grinsen und einem Seitenhieb seinen Mitmusikern gegenüber, die er zugleich mit den Worten "…this band has so much power and energy every night!" lobte. Oder seinen Keyboarder warnte und ihm zuwarf: "Milan boy, my family comes from Sicily!"
«Fever Dreams», als einer der ganz wenigen neueren Songs, liess Johnny brennen und das Z7 in einen wahren Begeisterungs-Sturm ausbrechen. Ebenso, als er dem Publikum zuraunte, dass der offizielle Set jetzt eigentlich vorbei sei und sie von der Bühne gehen würden, dieses Stargehabe nicht nötig sei, weil sie ja sowieso wieder auf die Bühne zurück kehren würden, um die letzten Songs zu spielen. Im gleichen Moment stimmte Alessandro "Zugabe" Rufe an, was wiederum Mister Gioeli verwirrte, der fragte, was das soll. Worauf Ale meinte, das sei das Gleiche wie "we want more!" Die Band lieferte ab, hatte immer wieder die Lacher auf ihrer Seite und spielte vom Debüt-Album nicht weniger als acht von zwölf Liedern. Hardline liessen die Achtziger auferstehen, ohne dabei altbacken daher zu kommen. Sie brachen das Eis im Z7, sofern es bei ihnen überhaupt vorhanden war und rockten die Bühne in Grund und Boden.
Insbesondere dann, wenn der Shouter im Fotograben den Fans ganz nahe war. Dies verbunden mit einem unglaublichen Charme, dem sich niemand entziehen konnte und einem Marco Di Salvia am Schlagzeug, der es sich nicht nehmen liess, immer wieder mit seinem Können auf sich aufmerksam zu machen (sein Propeller-Banging bei «Rhythm From A Red Car» ist und bleibt legendär!). Die Bandvorstellung beim letzten Song artete schliesslich in eine Comedy-artige Vorstellung aus und schnitzte jedem Besucher ein weiteres, breites Grinsen ins Gesicht. Auch wenn Hardline nie die ganz grossen Verdiener werden, was die Truppe an diesem Abend an Spielfreude und musikalischem Können sowie Emotionen ins Z7 transportierte, ist einfach einmalig. Ganz grosses Kino einer aussergewöhnlichen Truppe, die mit einem Zeremonien-Meister auftrumpfen konnte, wie man sie heutzutage nur noch selten zu Gesicht bekommt.
Oder anders ausgedrückt, Johnny kann sogar einen Haufen Scheisse locker in Gold umwandeln. Die Aktion von ihm und Alessandro, als diese an diesem Abend am Merch-Stand eine signierte Gitarre versteigerten, um damit herumstreunenden Hunden zu helfen und letztlich beide den erzielten Betrag dann noch verdoppeln wollten, zeigte, wie bodenständig diese Musiker geblieben sind.
Setliste: «Fuel To The Fire» - «Everything» - «Takin' Me Down» - «Dr. Love» - «Who Wants To Live Forever (Queen Cover) / In This Moment / Take You Home / Page Of Your Life» - «In The Hands Of Time» - «Life's A Bitch» - «Fever Dreams» - «I'll Be There» - «In The Air Tonight (Phil Collins Cover - Einstieg» - «Hot Cherrie» - «Rhythm From A Red Car»