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28. Mai 2024, Zürich - Hallenstadion
Text & Pics by Oliver H.
Drei Bands an einem Abend zu sehen, ist grundsätzlich eine gute Sache. Wenn es sich dabei um Genre-Grössen wie Five Finger Death Punch, Metal-Phänomene wie Ice Nine Kills und eine Art Newcomer wie Tenside handelt, eigentlich noch mehr – sollte man meinen. Am Dienstagabend befand ich mich im Hallenstadion Zürich genau in dieser Situation. Ich habe mich schon seit einiger Zeit auf diesen Gig gefreut, um dieses Line-up zu fotografieren. Nun war also der Moment gekommen, mit 7200 anderen eine Metal-Nacht zu feiern, und ich konnte es kaum erwarten, in den Fotograben zu steigen.
Tenside
Den Anfang machten die Münchner Tenside. In der Einleitung habe ich sie als eine Art Newcomer bezeichnet, da sie bisher völlig unter meinem Radar durchgesegelt sind. Allerdings gibt es die Truppe bereits seit 2004, haben seither sieben Alben heraus gebracht und können sogar Touren durch Asien für sich verbuchen. Auch an diesem Abend hatten die Leute Bock, sich den Vierer anzuschauen, obwohl einige vermutlich nach den ersten Klängen irritiert waren. Das schlichte Tenside-Backdrop, ganz im AC/DC-Schriftzug gehalten, hatte nichts gemein mit dem Sound der Deutschen.
Ihr Mix aus Groove, Metalcore, Modern und Nu Metal schien dem Publikum jedoch zu gefallen. Mal klang das Quartett wie die Emil Bulls, dann wieder wie Machine Head, wobei Letztere ihnen besser zu Gesicht standen. Fronter Daniel Kuhlemann schien richtig Bock zu haben und versuchte das Publikum möglichst in Bühnennähe zu installieren. Einige folgten, der Grossteil genoss aber noch die letzten Sonnenstrahlen oder folgte dem Plan der Nahrungsaufnahme. Tenside waren sehr professionell aufgestellt und erwiesen sich mehr als würdig, diesen Abend zu eröffnen. Nach bloss einer halben Stunde Bühnen-Präsenz war ihre Zeit auch schon wieder vorbei, und die Band musste das Feld für die Horror-Rocker von Ice Nine Kills räumen.
Ice Nine Kills
Nach einer kurzen Umbau-Pause mit neuer Kulisse waren alle bereit, für Bostons beste Horror Heavy Metal Band. Was Alice Cooper vor Jahren als Schock-Rocker begann, führen diese fünf Herren in ausbauendem Stil fort. Wer Stephen King liebt, kommt an dieser Band nicht vorbei, denn sie ist King in vertonter Form! Man sagt der Truppe um Sänger und Ur-Gründungs-Mitglied Spencer Charnas nach, dass ihr Musikstil irgendwo zwischen Metalcore, Symphonic Death Metal und Horror Punk liegt. Eine grosse Spannweite, die wohl so ausgelegt wird, um in keine Schublade gesteckt zu werden. Jedenfalls trugen alle fünf Jungs aus Massachusetts Anzüge mit Krawatte oder Fliege, und man hätte meinen können, sie seien soeben nach einem harten Arbeitstag in der Bank nach Hause gekommen. Sobald aber der erste Ton aus den Lautsprechern dröhnte, war sofort klar, dass dieses Quintett nicht zum Ausruhen aufgetaucht ist.
Sie brachten den Horror! Hannibal Lecter wurde mit Vollmaske und Zwangsjacke auf die Bühne gekarrt, ein Mann verfolgte eine hilferufende Frau, die später von einem Psycho in der Dusche erstochen wurde, und ein anderer durfte kopflos durchs Leben gehen. Das waren nur einige Ausschnitte aus dem 45-minütigen Set der Amerikaner. Diese Herren müssen Alfred Hitchcock persönlich als ihren Tour-Manager engagiert haben, ansonsten ist eine solche Szenerie kaum vorstellbar. Gerade in Anbetracht, dass die Bandmitglieder optisch brav erscheinen. Der Grossteil der Setliste bestand aus Material vom neuesten Album «The Silver Scream 2: Welcome To Horrorwood» (2021) und «The Silver Scream» (2018). Um Musiker zu sein und Teil einer Horror-Bühnenshow, bedingt, alle möglichen Herausforderungen zu meistern, aber diese Jungs liessen es richtig einfach aussehen.
Der Stimm-Umfang von Frontmann Spencer Charnas war dabei ziemlich beeindruckend. Er ist in der Lage, hohe, tiefe und mittlere Töne mit gelegentlichen Schreien zu singen, sodass die Schreckens-Szenen auf der Bühne etwas an Brutalität verlieren. Charnas hat in der Vergangenheit erwähnt, dass «Das Phantom der Oper» und «Les Misérables» zu seinen Lieblings-Musicals zählen. Diese Einflüsse waren nun definitiv bei seiner Show zu bestaunen. Für viele in der Halle hätten Ice Nine Kills noch lange weiter machen können, jedoch war auch für den Bostoner-Schlitzer die Zeit abgelaufen, und die Bühne wurde ein letztes Mal umgebaut.
Setliste: «Hip To Be Scared» «Rainy Day» - «Meat & Greet» - «Ex-Mørtis» - «Savages» - «Funeral Derangements» - «The American Nightmare» - «A Grave Mistake» - «The Shower Scene» - «Welcome To Horrorwood»
Five Finger Death Punch (5FDP)
Die mächtigen Five Finger Death Punch brauchen keine Einführung. Die amerikanische Heavy Metal Band aus Las Vegas besteht seit fast zwanzig Jahren und hat nicht weniger als neun Studio-Alben, ein Live-Album und zwei Compilations veröffentlicht. Sie stürmten um 21:30 Uhr die Bühne im Hallenstadion und legten kurzerhand einen guten Boden für einen tollen Konzert-Abend. «Lift Me Up» und «Trouble» klangen fett, und die ganze Truppe zeugte von enormer Spielfreude. Bei gerade mal neunzig Minuten Spielzeit des Headliners und einem doch stolzen Eintrittspreis von über achtzig Schweizer Franken, durfte man dies allerdings auch erwarten. Mit ihrer charakteristischen Mischung aus knallharten Riffs, kraftvollem Gesang und einer vor Testosteron strotzenden Bühnen-Präsenz haben 5FDP schon oft bewiesen, weshalb sie eine dominierende Kraft in der Metal-Szene sind.
Die Leistung von Frontmann Ivan Moody war zu Beginn herausragend. Sein Stimm-Umfang und seine emotionale Ausdrucksweise kamen voll zur Geltung und fesselten das Publikum mit jedem Schrei wie jeder Melodie. Moodys Interaktionen mit dem Publikum waren authentisch und engagiert. Leider machte er bald viele Pausen, um Anekdoten zu erzählen, die wohl nur seine unerschütterliche Fan-Gemeinde anregend fand. «Wash It All Away» war dann wieder ein Gröhler und Hitparaden-Song, der beim letzten Zuschauer positiv ankam. Die Cover-Version von «The House Of The Rising Sun» war zwar schön, sorgte aber nur bedingt für Stimmung, die bei weiteren A Capella-Versionen von «Remember Everything» und «Far From Home» völlig im Keller landete (zumindest bei mir und vielen um mich herum). Für Ersteres holte Moody schliesslich noch eine junge Dame aus dem Publikum, mit der er im Duett sang. Er umarmte, quatschte über seine Eltern und die Zeit verstrich, ohne einen anständigen Ton gespielt zu haben. Seine Mitmusiker hatten dabei gute zehn Minute Pause!
Erst als das Publikum "Death Punch Rufe" von sich gab, zeigten sich die Gitarristen Zoltan Bathory, der Londoner Neuzugang Andy James, Bassist und Fluch der Karibik Pirat Chris Kael sowie Schlagzeuger Charlie Engen wieder auf der Bühne. Es folgte endlich wieder ein bisschen Musik. Was bis zu dieser Minute wirklich mehr beeindruckte, war die aufwändige Bühnen-Produktion, die ein Spektakel für sich darstellte. Mit Lichtshows, die die Musik ergänzten und die riesige Schlange im Hintergrund in abwechselnde Farben tauchte, verliehen die visuellen Elemente der Aufführung eine zusätzliche Spannung. Die Synchronisierung zwischen Musik und Bildmaterial schuf ein Erlebnis, das den Blick des Publikums Richtung Bühne lenkte.
Die positive Energie des Publikums war im vorderen Drittel stets spürbar, im hinteren wuchs die Wut. Bierbecher wurden auf den Boden geworfen, begleitet von den Worten, dass nun endlich einmal Musik und nicht bloss Geschwafel angebracht wäre. Nach den letzten paar Midtempo-Nummern, die technisch zwar einwandfrei klangen, endete der Abend schliesslich ziemlich abrupt und erst noch zehn Minuten zu früh, dass manch einer sich ernsthaft fragte, ob 5FDP dies jetzt wirklich ernst meinen. Und sie meinten es ernst! Sie verteilten die restlichen Plektren vom Mikrofon-Ständer und liessen sich von den ersten Reihen frenetisch feiern.
Dass die hinteren Reihen bereits wütend und leicht konsterniert die Biege, respektive Fliege gemacht hatten, davon bekamen die vorne nichts mit. Während Moody noch locker versprach, bald wieder zu kommen, wird sich das der eine oder andere Fan beim nächsten Mal wohl gut überlegen. Five Finger Death Punch haben an diesem Abend nicht allen einen "tödlichen Schlag" versetzt, sondern viele Fans quasi zu "Tode gestreichelt".
Setliste: «Mother» (Danzig Song)» - «Lift Me Up» - «Trouble» - «Wash It All Away» - «Jekyll And Hyde» - «The House Of The Rising Sun (Animals Cover)» - «IOU» «Remember Everything (A Capella)» - «Far From Home (A Capella)» - «Wrong Side Of Heaven» - «Salvation» - «Under And Over It» - «The Bleeding»
Der Headliner vermochte, meiner Meinung nach, in Zürich nicht zu überzeugen. Nach Bands wie Tenside und Ice Nine Kills hätte es einen Haupt-Act gebraucht, der nicht nur rein technisch überzeugt, sondern auch motivationstechnisch! Das Publikum, bestehend aus 7200 Personen, hat zu viel bezahlt, um bloss einen Mann reden zu hören. Dass dabei nicht einmal die volle Spielzeit ausgeschöpft wurde, zeugt zudem von einer gewissen Arroganz den Besuchern gegenüber. Eine Band vom Kaliber 5FDP hätte hier klar mehr Gas geben müssen. Technik und (Light-) Show allein reichen da nicht aus, schade!