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19. Juni 2024, Dübendorf – The Hall
By Tinu
Die Vorfreude auf Alice war nach dem sagenhaften Gig am diesjährigen "Sweden Rock Festival" riesengross. Auch die Anfahrt und die damit verbundene Blechlawine, die sich wieder einmal durch den Gubrist quälte, konnte dieser Freude keinen Abbruch tun und das bei Temperaturen, die man locker als "hot in the city" bezeichnen konnte. Das war aber alles nix im Vergleich zu "burning hell in the Parkhaus", denn dort schien die Luftfeuchtigkeit Dimensionen zu erreichen, die unerträglich sind. Das Klima und selbst die Fussball-EM schien die Besucher nicht davon abzuhalten, sich Vincent Damon Furnier anzusehen.
Der Sohn eines Priesters hält seit 1969 mit seinem Debüt-Album «Pretties For You» unter seinem Künstler-Namen Alice Cooper die Musik-Landschaft in Atem. Hält man sich vor Augen, dass der mittlerweile 76-jährige Sänger noch immer eine mehr als nur berauschende, gesangliche Qualität und eine noch fesselndere Bühnen-Show präsentiert, so ziehe ich den von ihm ausgeliehenen Zylinder, knie vor dem Ami nieder und stottere ein leises "ich bin unwürdig" vor die Lederstiefel des Meisters (wer erinnert sich nicht an die grandiose Szene aus dem Film «Wayne's World»?).
King Zebra
Bevor der Held des Abends aber einmal mehr allen bewies, wer nach wie vor der Meister der grossartigen Bühnen-Shows ist (leider sind KISS nicht mehr mit von der Partie), standen die Jungs von King Zebra auf den Brettern, welche die Welt bedeuten. Die Truppe um den ehemaligen China Sänger Eric St. Michaels konnte mit ihren rockigen Tracks von Song zu Song mehr Fans auf ihre Seite ziehen. Dass sie als Lokal-Matadoren einen relativ leichten Stand haben würden, war klar. Trotzdem machte es Freude zu sehen, wie gross der Beifall für das Quintett ausfiel, sprich von jenen Besuchern, wo mitunter Enkel ihre Opas an diesen Event begleiteten bis hin zu knackigen Omas, die bei Alice in pure Ekstase verfielen.
Gleichzeitig stellte man aber auch fest, dass King Zebra noch nicht da sind, wo 1989 die damaligen Support-Acts Great White und Britny Fox standen. Dies schien Bassist Manu Judge jedoch ziemlich schnuppe zu sein, der mit seiner sehr professionellen Performance immer wieder die Augen auf sich zog. Nicht zu vergessen Eric, der an diesem Abend wirklich gut sang und die Band mit dem letzten Track «Children Of The Night» einen Hit aus dem Ärmel schüttelte, den man nicht alle Tage schreibt. King Zebra bewiesen ohne Zweifel, dass mit ihnen zu rechnen ist, hatten einen fetten Sound und verabschiedeten sich von einem Publikum, das sich mehr als nur angetan von der Darbietung des Fünfers zeigte.
Alice Cooper
Wie schon in Schweden, verdeckte ein weisser Vorhang den Blick auf die Bühne. Darauf zu lesen war heute Abend "The Swiss Gazette – Banned In Switzerland! Alice Cooper". Während sich die Instrumentalisten auf den beiden grossen Treppen, die zu einem kleinen Balkon führten, schon mal in Pose schmissen, oblag es dem Meister Himself mit seinem Schwert die "Zeitung" zu teilen und unter tosendem Beifall die Bühne zu betreten. Ab dieser Szene konnte sich Mister Cooper auf einen Siegeszug freuen, wie er immer, aber vielleicht nicht in diesem Ausmass in Helvetien feiern konnte.
Hinter der Band standen vier als Spiegel getarnte Video-Leinwände, die immer wieder (auch) für die hinteren Zuschauer das Geschehen auf der Bühne sichtbar machten oder spannende und abwechslungsreiche Szenen, welche die Songs optisch unterstützten, zum Besten gaben. Mit dem «Raise Your Fist And Yell» Track «Lock Me Up» startet die Show, welche in das einzige, neue Stück «Welcome To The Show» überging, das vom 2023er Album «Road» stammte.
Danach folgten Hits auf Hits, die sich wie ein klebriges Spinnennetz um die Besucher wickelten, sie nicht mehr losliessen und eine Faszination auslösten, der man sich nicht mehr entziehen konnte. Ältere Heuler wurden abgelöst von Smashern der 80er, und die bekannten Show-Elemente wurden geschickt eingestreut oder kamen nach langer Zeit wieder einmal zum Einsatz. Dazu gehörten unter anderem die züngelnde Boa, welche sich Alice bei «Snakebit» um den Hals legte.
Diesen Klassiker zu hören, wie auch «Bed Of Nails», «Lost In America», «Hey Stoopid», «Feed My Frankenstein» (mit einem drei Meter grossen, auf der Bühne herum laufenden Alice-Frankenstein), sowie das von mindestens jedem zweiten Handy mitgefilmten «Poison» (der sich deswegen aufregende Kaufi war ein Bild für die Götter) liess die eh schon feuchte, sorry "fröhliche Temperatur" nochmals ansteigen.
So stand Alice mit seinem Gehstock bei «I'm Eighteen» auf der Bühne, liess Konfetti-Schlangen in blau, weiss und rot bei «Elected» ins Publikum schiessen oder stach auf einen aufdringlichen Paparazzi bei «Hey Stoopid» ein. Das Kernstück dieses Inszenierungs-Prozesses bleibt aber nach wie vor die Hinrichtungs-Szene von Alice, die mit «Welcome To My Nightmare» seinen Einstieg fand. Der sich in seiner wirren Welt wiederfindende Alice tanze mit einer Puppe bei «Cold Ethyl», die bei «Go To Hell» wieder zum Leben erweckt wurde und den Sänger kurzerhand auspeitschte.
Nach dem filigranen Solo von Gitarristin Nita Strauss, das durch ein kurzes von Ryan Roxie und Tommy Henriksen ergänzt wurde, sah man Mister Cooper in einer Zwangsjacke, die ihn in der nachfolgenden Szene zur Guillotine führte, wo er kurzerhand enthauptet wurde. Musikalisch darf sich Mr. Cooper seit 2014 auf Nita, Ryan, Tommy, Drummer Glen Sobel und Chuck Garric am Bass verlassen.
Dies im wahrsten Sinne des Wortes, denn die Instrumentalisten bewegten sich sehr agil auf der Bühne (speziell Nita), wechselten die Bühnen-Seiten und posten nicht nur für die Fotographen zu zweit oder dritt. Dabei stand Alice immer Mittelpunkt, überliess seinen Musikern aber gerne das Feld, wenn sie am Solieren waren. Allein das Spiel von Glen sucht seinesgleichen und erinnert mit seiner Stick-Show an jene von Ken Mary (Flotsam And Jetsam) sowie Tommy Lee (Mötley Crüe). Chuck markierte den liebenswürdigen Biker, der einen druckvollen Beat vorgab.
Alice sang, wie schon erwähnt, sehr souverän, war stetig in Bewegung und wechselte seine Garderobe bei jedem Lied. So durfte auch dieses Mal der weisse Frank und gleichfarbige Zylinder bei «School's Out» nicht fehlen. Seine Hommage an Zürich besang er bei «Be My Lover» und die bewegbaren, balkonisierten Treppen verhalfen ihm immer wieder zu einem zusätzlich optischen Gag. Wie bei «Elected», bei der er sich wie ein zukünftiger, zu wählender Präsident der USA präsentierte.
Die Band bot eine grossartige Show mit einem unglaublichen Unterhaltungswert und bei dem man sah, dass Alice nichts dem Zufall überlässt und das Publikum von der ersten bis zur letzten Sekunde zu fesseln vermag. Auf Ansagen wartet man bei Mister Cooper dabei vergeblich. Der Ami lässt lediglich die Musik und seine visuelle Show sprechen, und da bedarf es keiner weiteren Worte mehr.
Verfolgt man die musikalische Reise von Alice seit 1969, dann weiss man, wie unterschiedlich sich der Shouter immer wieder auf seinen neusten Alben präsentierte. Trotzdem besitzt auf der Bühne alles seinen roten Faden. Dass hier eine Nummer abfällt, passiert nie, da das Gesamt-Konzept in sich sehr stimmig ist und stetig Platz für eine musikalische Überraschung lässt.
Musiker wie Alice Cooper wird es in zehn Jahren nicht mehr geben. Dies, weil hier Leute auf der Bühne stehen, die jeden Ton leben, fühlen, sowie geniessen und von einem Zeremonien-Meister (fantastisch wie Alice seine Gitarren-Front mit einem Stock vom Balkon aus dirigierte) geführt werden, der sich ganz weit weg von einem grossen Ego befindet. Solange man sich solche Künstler noch ansehen wie anhören kann, sollte jede sich bietende Gelegenheit hierzu genutzt werden!
Ich durfte neben dem ein Quäntchen besseren Gig in Schweden (dank der Nummer «He's Back (The Man Behind The Mask)», die in The Hall leider fehlte), in Dübendorf einen weiteren sensationellen, grossartigen, wundervollen, packenden und mitreissenden Auftritt von einer Band erleben, die so zusammengeschweisst ist, dass nicht einmal eine Ameise durchschlüpfen könnte. Danke Alice, Ryan, Tommy, Nita, Chuck sowie Glen, und kommt bitte bald wieder in die Schweiz!
Setliste: « Intro (Court Intro)» - «Lock Me Up» - «Welcome To The Show» - «No More Mr. Nice Guy» - «I’m Eighteen» - «Under My Wheels» - «Bed Of Nails» - «Billion Dollar Babies» - «Snakebite (mit Boa)» - «Be My Lover» - «Lost In America» - «Hey Stoopid» - «Drum-Solo Glen Sobel» - «Welcome To My Nightmare» - «Cold Ethyl» - «Go To Hell» - «Poison» - «Feed My Frankenstein» - «Intro (The Black Widow Segment From Alice Cooper: The Nightmare» - «Guitar-Solo Nita Strauss» - «Black Widow Jam» - «Ballad Of Dwight Fry (Guillotine)» - «I Love The Dead (Band Only)» - «Elected» -- «School's Out»