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"... Ich bin zu verbunden mit ihnen. Auch wenn ich andere Dinge ausprobierte, kam ich am Ende des Tages immer wieder auf diese Combos zurück..."
Erinnert sich noch jemand an die Little Angels aus Scarborough in England? Die Jungs um Sänger Toby Jepson konnten zwischen 1984 und 1994 viel Aufmerksamkeit auf sich lenken und gehörten zu den hoffnungsvollsten Truppen der Hard Rock Szene. Was aber so schrill am Himmel strahlte, schlug plötzlich hart auf dem Boden auf, und es wurde sehr still um die "kleinen Engel". Toby wurde bei anderen Truppen wie den Dio Disciples, Fastway und Gun aktiv, bevor er 2017 mit Wayward Sons auf sich aufmerksam machte. Kerniger, erdiger und klassischer Rock schrieb sich das Quartett auf die Fahnen und ging damit keine Kompromisse ein. Nun steht das dritte Werk in den Startlöchern, und Meistersänger Toby sass ganz relaxt zu Hause, um die allgemein gültige Frage zu beantworten, ob das dritte Album auch noch heute zum "make it, or break it" einer Band wird, wie damals in den achtziger Jahren.
Toby: Martin, mein Leben ist momentan sehr kompliziert (lautes Lachen). Ich schaue nicht nur alt aus, ich bin es auch, aber das ist okay (lacht). Du bist aus der wunderschönen Schweiz? Du musst sehr glücklich sein! Danke, dass du da bist und mit mir sprechen willst. Du hast schon das komplette Album gehört? Magst du es?
MF: Ja, sehr sogar!
Toby: Sehr gut (grinst). Ich liebe es, dies zu hören. Ich denke, diese "make it, or break it" Sache hat sich über die letzten Jahren ziemlich relativiert (lacht). Klar gab es aus den guten alten Tagen Paradebeispiele, wie mit «Slippery When Wet» von Bon Jovi. Das ist das klassische Beispiel, dass der Durchbruch mit dem dritten Album kommt oder Def Leppard mit «Pyromania». Die Evolution einer Band hat viel mit den Fans zu tun. Kennen dich die Leute und teilen sie ihre Erfahrungen mit anderen Leuten. Diese Mund-zu-Mund Propaganda hat viel zum Erfolg einer Combo beigetragen. Als Musiker durchlebst du bis zum dritten Album einige Phasen, welche dich prägen und weiter bringen, wie auch bei Wayward Sons. Die erste Scheibe war sehr aufregend für uns. Zu sehen, wie sich Songs aus unseren Ideen formten und wohin sich der Weg bewegte. Bei der zweiten Scheibe fokussierten wir uns auf eine seriösere Arbeitsweise. Beim dritten, und ich hoffe, das hört man der Platte auch an…, klar die Pandemie hat ihren Teil dazu beigetragen. Wir hatten Zeit, uns die ersten beiden Scheiben anzuhören und aus der Distanz zu analysieren. Wir konnten intensiv am neuen Material arbeiten. Jeder hatte unglaublich viel Zeit, bei sich zu Hause an den Tracks zu arbeiten. Auch wenn dies nicht die Art ist, wie ich es mag zu komponieren und aufzunehmen. Früher hast du acht Monate an einem neuen Werk gearbeitet und tausende von Euros verbraten (lacht). Und heute machst du eine neue Scheibe für drei Pfund…
MF: …wo sind nur die guten alten Zeiten geblieben…
Toby: …ja, du hast absolut recht. Ich wünsche mir diese Zeiten zurück, dass man sich für eine Produktion wieder Zeit nimmt. So, dass das Resultat positiv klingt. Klar, die technische Seite hat sich enorm verändert. Mit Pro-Tools kannst du heute Dinge machen, da hättest du früher massig Geld und Zeit verschleudert. Das Equipment heute ist einfacher kleiner, und du kannst von zu Hause aus deine eigene Produktion anfertigen. Verstehe mich nicht falsch, das ist eine wirklich interessante Entwicklung. Wenn ich denke, was wir früher sinnlos im Studio sassen und nichts zu tun hatten. Heute haben wir andere Möglichkeiten, welche uns durch die Pandemie geholfen haben. Aber es fehlt dir einfach das Feeling, zusammen im Studio das neue Material einzuspielen. Bei diesem Album nutzen wir die Technologie und die Zeit intensiver nachzudenken. Ich denke, dass die neue Scheibe die Komfortabelste geworden ist. Für uns und die Welt. Sie fühlt sich definitiv nach ein paar weiteren Schritten nach vorne an. Ich wüsste nicht, was wir hätten besser machen können (lautes Lachen). Was bin ich für ein Schwätzer (lacht).
MF: Wie viel Beatles steckt in «Faith In Fools»?
Toby (lachend): Die haben mich inspiriert (grinst). Es gibt vier Fundamente an Bands, die mich immer beeinflussen. Die haben sich in mir verfestigt. Ich kann nicht vor den Beatles fliehen, sie sind eine dieser Truppen. Eine andere ist Queen. Ich verleugne meine Einflüsse nicht, weil ich es auch gar nicht könnte. Über all die Jahre haben mich diese Eckpfeiler begleitet. Ich bin zu verbunden mit ihnen. Auch wenn ich andere Dinge ausprobierte, kam ich am Ende des Tages immer wieder auf diese Combos zurück. Es ist dieses allgemeine Gefühl, wenn ich neue Tracks schreibe. Wie und warum ich etwas fühle und dies in eine Idee implementiere. Keine Ahnung, woher diese immer kommen, aber sie sind immer da (grinst). Ja, die Beatles sind übermächtig und grossartig für mein Songwriting. Martin, ich schreibe stetig. Es befinden sich immer Ideen in meinem Kopf. Diese Scheibe ist das direkte Ergebnis des Konsenses der letzten beiden Alben. Wir gingen in diese Besessenheit rein und versuchten das Bestmöglichste raus zu holen. Dabei entstanden 56 Songs. Wir mussten für uns heraus finden (lacht)…, lach mich nicht aus, es war auch eine Menge Scheisse dabei (lacht). Aber wir hatten diese Tracks und tauchten ein. Hätten wir zwei Alben veröffentlichen können und sollen? Am Ende nahmen wir 23 Lieder auf. Wir wussten, was das «The Truth Ain't What It Used To Be»-Album repräsentiert. Dabei fielen einige Tracks ins Wasser, weil sie nicht passten. Als wir von der Tour zusammen mit Steel Panther zurück kamen, wollten wir das beste Album kreieren, das möglich war. Wir hatten wirklich tolles Material zusammen. Es kann gut möglich sein, dass sich mein Songwriting durch die aktuelle Zeit ein bisschen dunkler färbte. Das Stück «Fake» entstand, als ich die anderen Alben hörte, und es dauerte nur fünfzehn Minuten bis es fertig war. Manchmal muss man sich nur an seine frühere Arbeit zurück erinnern und kriegt so frische, neue Ideen.
MF: Was willst du uns mit deinen Texten erzählen?
Toby: Ich habe immer über Prozesse gesungen. Seit den Little Angels Tagen habe ich immer über die Welt um mich herum gesungen. Wie ich sie sah und fühlte. War ich angepisst oder nicht. Meine Sichtweise hat sich über all die Jahre verändert. Ich schrieb bei den Little Angels einen Song über die Isolation als Teenager. Der Charakter entsprach immer mir selbst. Ich versuchte den Leuten meine Sichtweise zu vermitteln. Ich wurde älter, älter und mürrischer…
MF: …nicht weise…
Toby: …ein Stück auch (grinst). Ich war lange verheiratet und habe Kinder. Das brachte mir auch ein stabiles Leben ein. Mit Kindern siehst du die Welt mit anderen Augen. Ich fühle mich heute auf eine andere Art angepisst. Ich wäre verdammt, wenn ich nicht darüber sprechen könnte. Sex, Drogen und Rock'n'Roll-Texte haben mich nie interessiert. Die fand ich schon als Teenager sehr langweilig. Es sind die kreativen Erzählungen, mit all den Dingen, die mich beschäftigen. Es gibt noch immer viele Dinge, die mich wütend machen. Sei es, dass wir noch immer glauben, dass wir die Leader dieses Planeten sind, und dabei machen wir uns nur zu verfluchten Opfern. Ich versuche durch meine Lyrics mit den Menschen zu sprechen. Dabei will ich kein Fingerpointing machen, sondern nur sagen: "Schau, das fühle ich, lass uns bitte darüber sprechen, weil wir es nicht ignorieren dürfen".
"...es hat mir das Herz gebrochen. Das war meine Band und waren meine Freunde. Es war hart zu sehen, wie alles den Bach runter ging..."
MF: Dann warst du in der Vergangenheit auch verärgert über das Musikbusiness, Labels und Manager?
Toby: Jaaaa (grinst). Ja, es hat was eines Gefängnisses. Die Erfahrungen reflektieren. Ich habe einige Fehler gemacht, da muss ich in den Spiegel sehen, mir das eingestehen und die Verantwortung dafür tragen. «Faith In Fools» ist ein gutes Beispiel einer Selbstreflektion. Ich habe diese abscheulichen Erfahrungen machen müssen. Es ist auch eine Frage der Zeit und der Situationen. Mit den Little Angels…, es hat mir das Herz gebrochen. Das war meine Band und waren meine Freunde. Es war hart zu sehen, wie alles den Bach runter ging, aber ich war ein Teil davon und trug die Verantwortung mit.
MF: Wo siehst du die Unterschiede zwischen den Little Angels und Wayward Sons?
Toby: Nun gut, ich würde sagen, dreissig Jahre (lautes Lachen). Die Little Angels war eine gute und wichtige Erfahrung. Wir waren naive Kinder und hatten keine Ahnung davon, was wir taten. Das ist der Unterschied, was Toby bei den Little Angels war und bei Wayward Sons ist. Das sind diese dreissig Jahre dazwischen, welche mich einiges anders angehen liessen. Ich sehe einige Dinge heute komplett anders. Ich näherte mich mit der Zeit meinen Visionen. Mein Verlangen Musik zu machen, daran hat sich nie etwas verändert. Ich wollte nie im Ghetto leben und dabei cool sein. Die Musik interessierte mich, nicht der Lebensstil. Heute kann ich glücklicherweise mehr Dinge kontrollieren, als noch in der Vergangenheit.
MF: War der Start mit den Wayward Sons einfacher als damals im Vergleich mit den Little Angels?
Toby: Oh, das waren völlig unterschiedliche Erfahrungen. Begonnen beim Plattenlabel, über die Promoters bis zum Touren. Aber ich kann noch immer Musik schreiben, spielen und leben. Ich hoffe, die Leute mögen es noch immer. Klar, es hat sich sehr viel verändert in den letzten Jahren, von damals zu heute. Ab und zu ist es grossartig und dann wieder schrecklich. Wir haben zwei Schritte nach vorne und wieder einen zurück gemacht. Wir versuchen Dinge zu verbessern (lacht). Eines kann ich dir versprechen Martin, ich klebe an meinen Liedern. Es gibt drei wichtigste Dinge in einer Band. Das ist der Song, der Song und der Song! Das ist alles!
MF: Trotzdem hattest du nie den grossen Erfolg verbuchen können, trotz der noch immer unglaublichen Gesangsstimme und dem tollen Start mit den Little Angels. Wieso nicht?
Toby: Weil da draussen alle doof sind (lautes Lachen), abgesehen von dir (lacht). Nein, ich scherze nur. Wenn ich wüsste, wie Erfolg arbeitet, wäre ich schon lange Multimillionär und würde in goldigen Schuhen herum laufen. Ich habe aber keinen Schimmer. Du kannst Erfolg nicht erzwingen. Ich interessiere mich auch mehr an der kreativen Seite der Musik. Etwas, das es wert ist zu veröffentlichen. Ob dies dann erfolgreich werden wird…, es ist ein unmögliches Szenario, denn du wirst nie wissen, wohin der Weg führen wird. Du kannst hoffen und an das glauben, was du machst. Alles andere ist komplett ausserhalb deiner Kontrolle. Die Little Angels hatten grossen Erfolg. Wir spielten auf der ganzen Welt, dabei waren wir mit Van Halen und Bon Jovi unterwegs in grossen Stadien. Das war grossartig und hatte ein gewisses Level. Ich fühle mich noch heute sehr glücklich, mit dem was wir mit den Little Angels erreichten. Noch heute bin ich Sänger, während viele andere das nicht mehr sind. Du willst noch immer mit mir, diesen kleinen Idioten sprechen! Da muss doch etwas sein, das noch immer okay ist? Ich versuchte einige Zeit der Musik zu entfliehen und aus dem Business raus zu kommen. Aber wie man sieht, versuche ich wieder mitzuspielen (grinst). Warum? Weil, ich ohne die Musik nicht leben kann. Ich bin ein Art Narzisst, wenn ich Lieder schreibe. Meine Träume und Hoffnungen sind einfach weiter zu machen. Wenn dies einige Leute interessiert, macht mich dies glücklich. Ich will weiterhin kreativ sein und Shows spielen. Ich denke noch immer an den nächsten Track, den ich komponiere. Das hört nie auf. Das sind die Träume, die wahr wurden. Mehr als das, was ich mir jemals erhoffte.
MF: Welches waren deine schwersten Zeiten mit der Musik?
Toby: Es ist immer sehr hart, wenn du von etwas überzeugt bist und die Leute interessiert es nicht. Du machst Demos, verbringst viel Zeit mit einer Idee, bist überzeugt, das wird ein Hit und die Leute sagen: "Okay". Ich liebe diejenigen, welche sich einen Track gerade mal 36 Sekunden anhören. "Verdammt, das ist nicht fair!!!". Das ist ein generelles Problem. Es ist eine schmerzhafte Erfahrung und emotional getrieben. Du kehrst dein Inneres nach aussen und bringst es den Leuten nahe. Es ist hart, wenn sie sich abdrehen und es sie nicht interessiert. Ich hasste es, wenn ich Probleme auf der Bühne mit dem Singen hatte. Es war eine sehr schwierige Erfahrung, als ich bemerkte, dass meine Stimme nicht immer gleich klingen würde. Ein harter Moment in meinem Leben.
MF: Existieren die Little Angels noch?
Toby: Es besteht eine Idee und wir sprechen darüber, dass es eine Möglichkeit geben könnte, 2023 einige Shows zum 30-jährigen Jubiläum von «Jam»-Album zu spielen. Das wäre eine guten Chance, dies zu tun. Aber es muss der richtige Moment sein, und die Fans müssen diese Konzerte auch wollen. Wir hatten einigen Erfolg mit der Band, und das Radio spielt unsere Lieder. Für uns ist es sehr wichtig, dieses Erbe intakt zu halten. Ist der Planet bereit und die Promoters interessiert, könnten wir einige Konzerte spielen und «Jam» zelebrieren.
MF: Kommen wir zum Schluss, was war in der Vergangenheit wichtig und was ist es heute?
Toby: Wow, das ist eine verdammt gute Frage. Früher war es, den Weg zu finden konkurrenzfähig zu sein, auf eine positive Art und Weise. Wir wollten mit den Little Angels eine eigenständige Truppe sein und uns stetig verbessern. Wir wollten niemanden kopieren, sondern uns selber sein und tolle Songs schreiben. Heute ist es viel wichtiger ein gutes Album zu veröffentlichen, mit dem wir etwas aussagen können. Wir wollen keine Fragen stellen, sondern hoffen Antworten zu bringen.
MF: Toby, ich danke dir ganz herzlich für dieses sehr offene, ehrliche und authentische Interview.
Toby: Nichts zu danken, ich habe zu danken! Hoffentlich sehe ich dich bald an einem unserer Konzerte!? Es würde mich sehr freuen, mit dir wieder zu sprechen. Es war schön dich zu sehen mein Freund.