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"...ich würde mir selber keinen Gefallen tun, wenn ich in Amerika «Balls To The Wall» nicht spielen würde..."
Was soll man noch gross über eine der Stimmen im Heavy-Metal sagen? Udo Dirkschneider hat die Welt der harten Klänge geprägt wie kein anderer und hat dabei immer die Fahne des Metals hoch gehalten. Selbst in ganz schwierigen Zeiten, als der Grunge allen Helden der achtziger Jahre das Leben erschwerte. Aber Udo hat allen Widrigkeiten getrotzt und ist bis heute eines geblieben, sich selber. Kurz vor der Veröffentlichung des neuen Studio-Albums erscheint eine weitere Live-Scheibe («Live In Bulgaria 2020 – Pandemic Survival Show»), welche im Corona-Jahr 2020 in Bulgarien aufgenommen wurde. Genau in einer Epoche, in welcher die Zeit stehen geblieben war und kaum Konzerte ausgetragen wurden. In diesem Moment zog es die Band U.D.O. nach Sofia in ein schönes, altes Theater, um den Leuten das zu geben, wonach sie lechzten. Purer Metal, der immer von tollen Melodien, harten Riffs, duellierenden Solos, powervollen Drums und die noch heute kräftige, kratzende Stimme von Mister Dirkschneider begleitet wird. Udo war beim Interview in Plauderlaune und beantwortete mit der ersten Frage gleich deren sechs!
MF: Udo, wie gehts dir?
Udo: Ich bin gerade auf der Insel, und hier herrscht der absolute Lockdown. Da geht gar nichts mehr, ich kann nicht einmal mit Fitty (langjähriger U.D.O.-Bassist) einen Kaffee trinken gehen. Ansonsten stehen Interviews an, und ich arbeite an meinem Buch. Endlich habe ich dafür wieder Zeit. Wenn das Touren losgeht, was wir alle hoffen… Bei uns ist dies ab Ende September geplant. Ich kann mir gut vorstellen, dass dies funktioniert, da wir in Russland starten. Die impfen dort wie die Verrückten. Wenn ich mir vorstelle, was wir alles nachholen müssen! Amerika, Kanada, Südamerika… Dann sind wir bis Anfangs 2023 gut ausgelastet (lacht). Ansonsten…, haben wir ein schönes Live-Album veröffentlicht. Was ganz Nettes (grinst). Das war alles überhaupt noch geplant. Wir erhielten eine Anfrage für eine Show in Bulgarien. Klar konnten wir uns vorstellen dort zu spielen, aber wir waren sehr unsicher, ob der Gig überhaupt stattfinden konnte. Im Juli, August und September letzten Jahres, war ja alles noch einigermassen "easy", auch mit dem Fliegen. Anfangs September wollte der Veranstalter dort die Show unbedingt durchführen. So starteten wir mit den Vorbereitungen und probten für den anstehenden Gig (lacht). Zeitgleich haben wir auch die Fotosession für das kommende U.D.O.-Studioalbum durchgeführt. Man weiss ja nie… (lacht).
Die neue Scheibe wird im Sommer 2021 veröffentlicht. Die Geschichte mit dem Konzert in Bulgarien konkretisiert sich und wir bekamen die Location zugeschickt, in der wir auftreten sollten. Dieses alte, romanische Theater war schon… WOW!!! Das sah ja dermassen geil aus, dass wir uns dazu entschlossen, das Konzert auch in Bild und Ton festzuhalten! So gingen die Vorbereitungen für den Film los, und dann sassen wir auch schon im Flugzeug (lacht). In Bulgarien wurden alle Hygienevorschriften eingehalten. Der Abstand wurde bewahrt. Masken wurden getragen. Keine Umarmungen, keine Küsse und kein Händeschütteln. Das wurde selbst in der Band vermieden. Der einzige Wermutstropfen war, dass das Publikum nur sitzen durfte. Wir waren mit dieser Massnahme nicht so glücklich, aber wir liessen uns überraschen. Denn es kam alles völlig anders (grinst). Am Nachmittag spielten wir unseren Soundcheck und waren richtig begeistert als wir sahen, dass die Zuschauer nicht sooo weit von der Bühne entfernt sein werden. Damit konnten wir leben (grinst). Kurz vor der Show war ein Höllenlärm in diesem Theater zu hören. Wir fragten vorsichtig nach, wie viele Leute man erwarten würde? "Ja, wir rechnen so mit 2'500 bis 3'000 Besuchern!" "Bitte was?", war unsere Reaktion. Wir gingen auf die Bühne und wie sagt man so schön? "The hell break loose" (lacht). In meinem Leben habe ich schon viele Konzerte hinter mir, aber… Ich weiss gar nicht, wie ich das beschreiben soll. Das war so eine emotionsgeladene Atmosphäre… Nicht nur vom Publikum, sondern auch von uns. Wenn die mitgesungen haben, waren sie lauter als die Band (lacht). Das will schon was bedeuten! Ein richtig tolles Konzert, an das wir uns noch sehr lange erinnern werden. Gott sei Dank, haben wir den Gig auch filmisch mitgeschnitten. Auf der DVD kommt diese Stimmung sehr gut rüber. "The one and only show in 2020" (lacht). Und was für eine! Warten wir das Release ab und schauen, wie die Welt reagieren wird.
MF: Ihr kamt nicht von einer Tour und seid nicht eingespielt auf die Bühne gestiegen. War das anders als sonst für euch?
Udo: Du hast recht, wir waren in dem Sinne gar nicht so richtig eingespielt. Ich muss aber auch meinen Hut ziehen vor meiner Band. Die Jungs waren alle sensationell vorbereitet. Das Set musste in vier Tagen stehen, auch weil wir darum gebeten wurden, ein paar Accept-Tracks zu spielen. Für Sven (Dirkschneider, Schlagzeug) und Andrey (Smirnov Gitarre) war dies überhaupt kein Problem, da sie die Lieder schon bei Dirkschneider spielten. Für Tilen (Hudrap, Bass) und Fabian (Dammers, Gitarre) war dies absolutes Neuland. Aber, es hat alles hervorragend funktioniert. Das spürten wir aber schon bei den Proben, dass wir uns nicht in die Hosen machen mussten (grinst).
MF: Wenn wir schon dabei sind, es war für mich überraschend, dass du wieder die Lieder deiner Ex-Kapelle in das Set aufgenommen hast. Du hast mir ja gesagt, dass dies nur noch bei Dirkschneider passieren wird, aber bei U.D.O. sicher nicht mehr, da du genug eigene Hits auf Lager hast. Wie schwer war das für dich selber, von deiner Meinung zurück zu treten?
Udo: Für diese eine spezielle Show…, die haben wirklich fast darum gebettelt. Das wird sich wiederholen, wenn wir in den Staaten auf Tour gehen. Die Amis haben schon angefragt: "Wir haben gehört, dass du mit U.D.O. keine Accept-Tracks mehr spielst? Aber «Balls To The Wall» muss dann schon zu hören sein?!" Das werden wir auch tun (grinst). Nach drei Jahren auf Tour mit der Band Dirkschneider… Jeden Abend haben wir die Accept-Klassiker gespielt. Du kommst von der Tour, hast mal gelinde gesagt genug von diesen Tracks und freust dich wieder auf die sechzehn U.D.O.-Alben konzentrieren zu können. Ich wollte mich wieder auf diese Truppe und diese Songs fokussieren. Viele werden nun wieder sagen: "Kuck mal, der hat wieder gelogen, von wegen keine Accept-Songs mehr…" Nach drei Jahren Dirkschneider und Accept-Tracks war das nicht gelogen, dass ich mich distanzieren wollte von diesen Liedern. Nach weiteren drei Jahren… Weisst du, ich würde mir selber keinen Gefallen tun, wenn ich in Amerika «Balls To The Wall» nicht spielen würde. Die Show in Bulgarien war etwas Spezielles. Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass es keinen Spass macht, zu sehen wie die Fans auf die Accept-Songs reagieren. Ob ich allerdings bei der anstehenden Europa-Tour mit U.D.O. wieder die Accept-Dinger raushole…, keine Ahnung! Es stehen noch drei Shows mit Dirkschneider auf dem Plan, die für letztes Jahr geplant waren. Bei denen wollten wir eine «Metal Heart»-Anniversary spielen. Darum, ich weiss noch nicht, was auf der kommenden Europa-Tour passieren wird. Es gibt Accept ja noch, also sollen die Leute doch zu einem Accept-Konzert gehen, und ich konzentriere mich wieder auf meine U.D.O.-Tracks (lacht). Harren wir der Dinge, die da kommen werden.
MF: Wenn ich einen Wunsch frei hätte, lasst bei U.D.O. die Accept-Lieder auf der Seite und spielt eure geilen U.D.O.-Hits. Zudem geht ihr mit Dirkschneider als Support von Helloween auf Tour…
Udo: …darum denke ich auch, dass wir keine Accept-Songs mehr brauchen bei einer U.D.O.-Show. Bis die Tour startet, erscheint noch ein weiteres Studio-Werk von U.D.O., das wir promoten wollen. Es ist schon schwierig genug eine Setliste zusammen zu stellen, bei dem alle Fans einigermassen auf ihre Kosten kommen (lacht). Wir haben mittlerweile dermassen viele Klassiker geschrieben, welche die Fans hören wollen, dass es zum Unding geworden ist, das Set zusammen zu stellen. Da wird der Platz für Accept-Lieder fehlen. Amerika ist aber eine andere Nummer. Aber ganz ehrlich Martin, ansonsten kann ich mich ruhig auf meine eigenen Songs verlassen. Wir hoffen, dass nun alles klappt mit den Konzerten. Mal schauen was passiert, wenn die mit ihrem komischen Impfpass kommen. Da wird es sicherlich einige Länder geben, die uns nur rein lassen, wenn wir diese Impfung vorweisen können. Wenn in der EU nicht genügen Impfstoffe vorhanden sind, können die doch niemandem verbieten ein Konzert zu sehen. Diese Diskussionen gehen mir mit der Zeit ziemlich auf den Geist. Da muss ein negativer Test auch ausreichen. Immerhin habe ich schon fünf Tests hinter mir (grinst). Klar werden die Länder mit dem Impfen Gas geben. Ob dies allerdings funktioniert?
MF: Wie kam es zum Video mit dir, Stefan Kaufmann und Peter Baltes?
Udo: Ach Gott ja, der Song war ein Überbleibsel vom «We Are One»-Album. Es bestehen zwei Versionen. Die eine mit dem Orchester, und die andere war diese rockigere Version. Einige Dinge wurden bei Peter in Nashville aufgenommen. Ich war im Studio bei Stefan. Die Reaktionen waren doch sehr… INTERESSANT (lautes Lachen). Ist ein toller Song, und warum sollen wir dies nicht machen, wenn wir Spass haben?
MF: Schürt man damit bewusst auch ein bisschen die Gerüchteküche nach einer Accept-Reunion der anderen Form?
Udo: Ne, das war absolut nicht bewusst gemacht. Es war uns klar, dass wenn wir mit dem Ding raus kommen, sich die Gerüchteküche überschlagen wird. "Drei Männer von Accept! Was passiert jetzt da wieder?" Dass die Reunion-Gedanken ans Tageslicht kommen werden, war auch klar. Wenn wir drei doch Spass haben damit, wieso sollen wir uns dies selber verbieten?
"...Viele Bands haben sich damals ein bisschen anstecken lassen von gewissen… Trends. Wir haben uns verweigert..."
MF: Wie hast du die neunziger Jahre erlebt oder wie schwer war es für dich, die Fahne des Metals fast alleine hoch zu halten?
Udo: Die Neunziger waren absolut nicht einfach. Metal war zu dieser Zeit völliger Underground. Wir versuchten immer weiter unseren Stiefel zu spielen. Im Endeffekt hat sich dies auch ausbezahlt. Frei nach dem Motto: "Augen zu und durch!" Viele Bands haben sich damals ein bisschen anstecken lassen von gewissen… Trends. Wir haben uns verweigert (grinst). Die schwerste Zeit für mich war nach der Accept-Nummer mit «Predator». Der erneute Start damals mit U.D.O. war Hardcore. Das durch zu ziehen, da war ich mir nicht mehr immer so sicher. Ohne Stefan Kaufmann hätte ich wohl alles hingeschmissen. Er hat Recht behalten (lacht). 1997 wieder zu starten, das war sehr "heavy"!
MF: Musstest du dich jemals für Manager oder Plattenfirmen verbiegen oder konntest du immer dein Ding durchziehen?
Udo: Zu der ganzen alten Nummer will ich nicht wieder hin (lautes Lachen). Dazu kannst du dann alles in meinem Buch lesen. Als ich wieder durchstarten wollte mit U.D.O. und «Solid», habe ich fast alles selber gemacht. Bis mein "body breakdown» kam. Ich gründete ein eigenes Plattenlabel, bis ich die Schnauze davon voll hatte. Einfach, weil ich merkte, es wird alles ein bisschen viel (grinst). Seit 2006 bin ich bei ITM und seit 2004 bei AFM Records. Verbiegen musste ich mich nie. Ich bin im Prinzip mein eigener Herr und entscheid im Endeffekt selber.
MF: Ich danke dir für die Zeit und das Interview!
Udo: Kein Problem, immer wieder gerne. Ich habe ja sonst nichts zu tun (lacht).
MF: Bleib gesund und hoffentlich auf bald wieder in der Schweiz.
Udo: Das wünsche ich dir auch, bleib schön gesund, und dann schauen wir mal, dass wir uns bald wieder sehen auf Tour!