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"...Tankard ist eine Schulband. Wir waren alle in der gleichen Klasse, bis auf einen, der kam von der Parallelklasse und trug ein AC/DC Shirt..."
So manche Band feiert gerade ihr Jubiläum. Dabei darf man nicht vergessen, dass oftmals gewisse "Auszeiten" nicht weg-, sondern locker mitgerechnet werden. Nicht so bei den Frankfurtern von Tankard. Die Jungs um Sänger Andreas "Gerre" Geremia, Bassist Frank Thorwarth, Gitarrist Andreas Gutjahr und Schlagzeuger Olaf Zissel feiern dieses Jahr ihr 40-jähriges Bühnenjubiläum. Die Fun-Thrasher gingen immer ihren Weg und sind heute nach wie vor gern gesehene Gäste auf den Brettern, welche die Welt bedeuten. Ursprünglich begann alles 1982 in der Besetzung Gerre, Frank, den beiden Gitarristen Axel Katzmann und Andy Bulgaropulus (der Bernhard Rapprich ersetzte) und Trommler Oliver Werner, der seine Stöcke 1989 an Arnulf Tunn weiter reichte. In diesem Gespräch sollte nicht das im September 2022 erscheinende neue Studio-Album thematisiert werden, sondern die ersten zehn Jahre des Bierkrugs, die mit der schmucken Box «For A Thousands Beers» gefeiert werden.
MF: Wer hatte die Idee zu «For A Thousand Beers»?
Gerre: Die Rechte liegen mittlerweile bei BMG England, das bedeutet sie gingen von Noise Records auf Sanctuary über und liegen nun bei BMG. Buffo (Manager der Band) recherchierte dies vor Jahren. Vor kurzer Zeit wurden die alten Noise Platten nochmals veröffentlicht. Da wir nun vierzig Jahre alt werden, fragte man uns an, ob wir nicht eine schöne Jubiläums-Box veröffentlichen wollen. Die Idee gefiel uns, und so haben wir bei der Zusammenstellung mitgeholfen. Viel unveröffentlichtes Song-Material gibt es von Tankard leider nicht (grinst). Ich bin ein grosser Sammler (lacht). Darum liegen bei mir noch kistenweise alte VHS-Kassetten herum (lacht). Ich suchte mir zehn bis zwölf Teil aus dieser Zeit heraus. Der Grossteil des Materials stammt aus den Neunzigern und Zweitausender Jahren und ich verbrachte einen schönen Abend mit Frank, der tatsächlich noch einen alten VHS-Recorder besitzt (lacht). Das war ein lustiger Abend. Dabei sind wir auf diesen Eindhoven Gig gestossen. Das war unsere erste Show, die wir im Ausland spielten. Es ist ein Bootleg, macht aber riesen Spass. Ich hab die Box nun endlich bekommen, aber habe sie natürlich nicht geöffnet, da bei mir alles eingeschweisst bleiben muss (grinst). Du weisst ja wie das ist mit den Sammlern (lacht).
MF: Was gab den Ausschlag, 1982 eine Band zu gründen?
Gerre: Tankard ist eine Schulband. Wir waren alle in der gleichen Klasse, bis auf einen, der kam von der Parallelklasse und trug ein AC/DC Shirt (grinst). Den quatschten wir an. Axel nahm Gitarren Unterricht, Olaf Schlagzeug Unterricht, Frank und ich lernten Bass zu spielen. Ich wollte Bassist werden, aber Frank legte einen extremen Ehrgeiz an den Tag, da konnte ich nicht mithalten und wurde Sänger (lacht). So begann alles 1982. In einer Kirchengemeinde, unten im Heizungskeller, ein bisschen Krach zu machen. Wir bauten immer alles auf und wieder ab (grinst). Natürlich sind wir mit der "New Wave Of British Heavy Metal" gross geworden. Irgendwann erschienen die ersten Platten von Exodus, Slayer und Metallica. Nicht zu vergessen «Heavy Metal Maniac» von Exciter (Anmerkung des Schreiberlings: Der Mann hat Geschmack!), das immer noch eines meiner Top-5 Alben ist. Das alles hat uns weggefegt und beeinflusst.
MF: Wenn man die grossen vier des Thrash Metals aus Deutschland nimmt, was unterscheidet Tankard von Sodom, Destruction und Kreator?
Gerre: Wir sind die Hässlichsten (lautes Lachen). Jahrelang sprach man nur von den drei Grossen, und ich weiss gar nicht mehr, wer mit den "Big Teutonic Four" ankam. Wer auch immer das kreiert hat, an dieser Stelle nochmals vielen Dank dafür (grinst), dass wir jetzt auch diesem sensationellen Club beiwohnen dürfen. Wir nannten unser zweites Demo aus Spass «Alcoholic Metal». Damals gab es Black Metal, Speed Metal und den ganzen Poser-Kram. Aus Fun kreierten wir noch eine zusätzliche Richtung. Wir taten alles, um das Image zu pflegen mit Alben wie «Chemical Invasion» und «The Morning After». Mitte der Neunziger wollten wir uns davon entfernen, das hat aber überhaupt nicht funktioniert (grinst). Darum machen wir uns heute unseren Spass daraus und reiten auf dem eigenen Image herum.
Der Faktor Fun und Humor hebt uns von den anderen drei Combos ab. Wir nahmen uns nie so ernst und versuchten den Spass mit der Musik auszudrücken. Bei der letzten Platte («One Foot In The Grave» von 2017) haben mich die Leute erstaunt gefragt, wieso Tankard auf einmal sozialkritische Texte schreiben?! Die hatten wir seit der zweiten Platte «Chemical Invasion» schon. Das Debüt «Zombie Attack» legen wir mal beiseite (lacht), da sind Lyrics darauf, die kann man gar nicht lesen (lacht). Die wurden alle geschrieben, als wir fünfzehn oder sechzehn Jahre alt waren. Für die «Chemical Invasion» holten wir uns Hilfe dazu. Ich war schon überrascht, denn dieses sozialkritische Element ist bei Tankard nichts Neues. 2017 kam das letzte Studiowerk heraus, und da waren andere Zeiten am Laufen. Ein Lied wie «Syrian Nightmare»…, aber wir hatten auf der «Chemical Invasion» einen Track, der hiess «Don't Panic», da wurde sehr kritisch verbraten, was zu damaligen Zeiten alles schief lief. Aber um auf deine Frage zurück zu kommen (grinst), der Hauptunterschied ist dieser Fun-Faktor.
MF: Würdest du mir zustimmen, dass der Punk-Einschlag bei euch zu Beginn grösser war, als bei anderen Thrash Bands aus Deutschland?
Gerre: Zumindest bei «Zombie Attack» waren schon einige Punk-Einflüsse zu hören. Unser damaliger Gitarrist Axel war ein grosser Punk-Fan. Auf den letzten Scheiben sehe ich keine grossen Punk--Einflüsse mehr, das war eher in unserer Startzeit. Unser Gitarrist Andy ist seit 1998 dabei, der trägt viel zum Songwriting bei und kommt eher aus der traditionellen Metalecke.
MF: Gibt es eine Geschichte zum Bandnamen? Der erste Name war ja nicht Tankard…
Gerre: …zuerst nannten wir uns Avenger und Vortex. Dann stellten wir fest, dass es schon eine Truppe aus England gab, die sich Avenger nannte und eine aus Holland mit dem Namen Vortex. Axel und Frank haben damals wirklich den Namen im englischen Wörterbuch (lachend) gefunden. Ein alter englischer Ausdruck für einen Bierkrug, so wurde der Name "Tankard" geboren. So einfach kann es manchmal gehen.
MF: War es schwer, einen Plattenvertrag zu kriegen?
Gerre: Das war witzig. 1984 spielten wir zusammen mit Sodom. Das war deren allererste Show. Bei uns ging die 1983 in Frankfurt Sindlingen über die Bühne. Destruction waren als Zuschauer bei dieser Sodom Show dabei und spielten nach dem Konzert ein paar Songs. Danach hatten Destruction und Sodom einen Plattenvertrag (lachend) bei SPV. Nur Tankard nicht, da einer von uns ein unvorteilhaftes Outfit trug. So wurde es uns damals mitgeteilt (lachend). Andy trug einen Pullover, der nicht sonderlich Metal-like war (lacht). So viel zum Thema, sich selber nicht ernst zu nehmen. Zwei Jahre später hat es bei uns auch geklappt. Zu der Zeit war es wesentlich einfacher einen Plattenvertrag zu erhalten und durch zu starten als heute. Heutzutage ist das für jüngere Truppen nicht ganz so einfach. Damals waren andere Zeiten. Nach dem zweiten Demo («Alcoholic Metal») wollte eine Firma, dass wir noch ein weiteres Tape veröffentlichen, während uns Noise Records direkt einen Plattenvertrag anbot. Wir haben den in einer Kneipe unterschrieben und überhaupt nicht gerafft, was da drin steht (lacht). Das war logischerweise ein Schweine-Vertrag, ist ja klar (lachend). Was solls?! Wir hatten einen Plattenvertrag. Wenn man die erste eigene Scheibe in den Händen hält, ist man stolz wie Harry.
MF: Wie war die Zusammenarbeit mit Noise Records und Karl Walterbach?
Gerre: Bei uns nannten wir ihn immer nur Karl Zalterschwach. Das war sein Spitzname. Mit den Promoterinnen hatten wir eine super Zusammenarbeit. Mit denen habe ich heute noch Kontakt. Die haben viel für uns gemacht, aber ich glaube, wir waren nicht die wichtigste Truppe beim Label. Immer wenn der Walterbach ins Studio kam, hörte er zwei Minuten rein und meinte nur: "Ah, klingt wie Tankard!" und ist wieder verschwunden. Ich glaube, der konnte mit diesem Bier-Image nicht so viel anfangen, was vollkommen legitim und in Ordnung ist. Ich behaupte auch nicht, dass wir unzufrieden waren, im Gegenteil. Aber wir waren sicher nicht die wichtigste Truppe. Vielleicht kann man es so stehen lassen (lacht). Alles gut, Noise hat uns einen Vertrag ausgehändigt, somit konnten wir loslegen, und dafür muss man ihnen immer noch dankbar sein.
MF: Welche Entwicklung siehst du von «Zombie Attack», «Chemical Invasion», «The Morning After», «The Meaning Of Life», «Stone Cold Sober», «Two-Faced» bis hin zu «The Tankard»?
Gerre: Wenn man in der eigenen Suppe schwimmt, ist das schwer selber zu beschreiben. Das könnt ihr Journalisten viel besser (lacht). Ein grosser Schritt war von «Zombie Attack» zu «Chemical Invasion». Beim Debüt waren ein paar…, wie schon angesprochen ein paar Punk-Einflüsse dabei. Die Songs waren schon ein paar Jährchen alt, während «Chemical Invasion» in einem Jahr entstand. Das war der erste grosse Schritt in Richtung Thrash Metal und unser Durchbruch. «The Morning After» reiht sich da betreffend der Härte nahtlos an. Für «The Meaning Of Life» haben wir zum ersten Mal in den Hansa Studios in Berlin gemischt, auch mit Harris Johns. Das Werk klingt vom Sound her vielleicht ein bisschen glatter. «Stone Cold Sober» ist ein wenig untergegangen, aber mir gefällt die Scheibe.
Okay, ich finde die alle ganz geil (mit sehr cooler Stimme), aber (lacht)…, sie ist neben der «The Tankard» völlig unterbewertet. Ich weiss nicht, ob es von «The Meaning Of Life» zu «Stone Cold Sober» und «Two-Faced» grosse Schritte und Veränderungen gab. Ein richtig grosser Step war «The Tankard», denn diese Scheibe war ein bisschen "outstanding", sprich mit sehr viel Melodien. Ich bin mir sicher, dass «The Tankard» die unterbewertetste Scheibe von uns ist. Also, die CD-Box habe ich schon ausgepackt (grinsend) und habe mir «The Tankard» wieder angehört. Da sind geile Stücke drauf! Nach der Noise Ära ging es mit «Disco Destroyer» wieder brutal "back to the roots", und dies in einer Zeit (1998), als Thrash Metal nicht unbedingt tot war, für diesen Stil jedoch schwierige Zeiten anbrachen.
MF: Wie wichtig war für euch die Zusammenarbeit mit Sebastian Krüger, der viele geile Covers für euch kreierte?
Gerre: Buffo kontaktierte ihn. Aufmerksam wurden wir durch das Cover von «Mad Butcher» (Destruction). Ausserdem hatte er geile Bilder für Risk gezeichnet. Vor ein paar Jahren hatte Sebastian in Frankfurt eine Ausstellung, da hing auch viel Tankard Zeugs. Da konnte ich ihn endlich persönlich kennenlernen. Das geilste Tankard Cover das es gibt, ist in meinem Augen «Hair Of The Dog». Okay, «The Tankard» ist nicht so der Knaller geworden (lacht). Das war nach den vorangegangenen Highlights nicht das Bomben-Cover (lacht). Aber gut, es kommt ja auch noch ein bisschen auf die Musik drauf an.
"...Soweit ich mich erinnern kann, wurde kein Alkohol ausgeschenkt. Sehr merkwürdig, sonst wäre das da ein richtiges Massaker geworden..."
MF: Wie wichtig war für euch das «Thrash East» Festival in Berlin 1990?
Gerre: Das war ein Noise Festival, das erste grosse, nachdem die Berliner Mauer im November 1989 gefallen war. Das Festival fand im März 1990 statt, und die Leute waren komplett ausgehungert. In der Halle waren 6'000 Leute, unfassbar! Vor einer solchen Kulisse hatten wir noch nie gespielt. Das war grandios. Das Video zum Konzert ist in der Box mit dabei (grinst). Soweit ich mich erinnern kann, wurde kein Alkohol ausgeschenkt. Sehr merkwürdig, sonst wäre das da ein richtiges Massaker geworden (lacht). Das war legendär und wird immer ein Highlight bleiben, dort zusammen mit Kreator, Sabbat und Coroner aufgetreten zu sein.
MF: Was waren in diesen ersten zehn Jahren für euch die weiteren Highlights?
Gerre: Die erste eigene Platte ist immer ein Höhepunkt. Mit «Chemical Invasion» konnten wir durchstarten. Die erste Tour im März 1988, zusammen mit Deathrow, war unglaublich. 1990 hatten wir unsere sich am besten verkaufendste Scheibe mit «The Meaning Of Life» am Start und waren damals in den deutschen Charts auf Platz 59. Das ist heute nichts mehr mehr Besonderes. Die Metal-Fans sind traditionell veranlagt und kaufen noch Tonträger. Deswegen sind so viele Metal-Produkte in den heutigen Charts zu finden. Für die damaligen Verhältnisse, respektive dass eine Thrash Band überhaupt in den Charts ist, war das ein Riesenerfolg. Bei den ersten zehn Jahren ging es immer nach vorne. Richtige Nackenschläge gab es nicht, ausser den Besetzungswechseln, die sich zwischendurch ereigneten. Wenn man lange zusammen in einer Band spielt, sind solche Ausstiege nicht schön. Wir waren damals ziemliche Chaoten (grinst), muss man ehrlich sagen, was nicht immer förderlich war (lacht). So einen Einbruch gab es erst Mitte der Neunziger.
MF: Wie schwer war es zu diesem Zeitpunkt für euch nicht Trends nachzulaufen, die es ja auch im Thrash Metal gab?
Gerre: Wir haben geprobt, und es fanden nur drei Konzerte pro Jahr statt. Die Musik haben wir immer aus dem Bauch heraus komponiert. Wir kommen gerade aus dem Studio und haben eine neue Platte aufgenommen, die im September 2022 veröffentlich wird. Das ist dann das I-Tüpfelchen auf unserer "40-Jahre Feier", nach dem Einstieg mit der Box. Wir setzen uns vorher nicht zusammen und diskutieren, wie die Platte klingen soll. Das passiert einfach. Es werden Songs geschrieben, und wir schauen, was hinten dabei heraus kommt. Darum denke ich nicht, dass wir Mitte der Neunziger orientierungslos waren. Der Gedanke uns aufzulösen, kam uns jedenfalls nie. Da darf man nach vierzig Jahren stolz sein, dass man keinen Split-up und keine Reunion hinter sich, sondern gnadenlos durchgehalten hat.
MF: Immerhin seid ihr auch im TV zu sehen gewesen, unter anderem bei der Krimiserie „Ein Fall für Zwei“…
Gerre: …genau, da durfte ich den legendären Satz sagen: "Trink den Bier woanders!" (lacht). Ich dachte:"„Wow, jetzt geht meine Schauspielkarriere los". Als Statist war ich in der Lindenstrasse, und bei "Sturm der Liebe" war ich vor zehn Jahren auch mal kurz dabei. Keiner erkennt meine schauspielerischen Qualitäten (lacht). Die Episode mit "Ein Fall für Zwei" kam, glaube ich, über Hammer Promotion zu Stande, die damals kontaktiert wurden und unsere erste Tour organisierten. Wir hatten keine Ahnung, um was es bei diesem Drehbuch geht, waren in Frankfurt in der Music-Hall, haben ein bisschen performt und ein paar Bier getrunken. Geld gab es keines. Später haben wir erfahren, dass es in der Story um Drogen geht und die Folge "Schneewalzer" hiess. In der Folge hingen an allen Orten Tankard Plakate, das war lustig und gute Promotion für uns.
MF: Gab es Zeiten, während denen ihr von der Musik leben konntet?
Gerre: Ja, ich lebte einen Monat davon. Aber es war schnell klar, da jeder in einer Ausbildung steckte, dass wir die Musik nicht hauptberuflich machen werden. Die Medaille weist immer zwei Seiten auf. Man ist frei und unabhängig, kann tun und lassen was man will und ist nicht auf die Musik angewiesen. Gerade in den heutigen Zeiten ist es nicht das Verkehrteste, wenn man einem Job nachgeht. Viele Bands in unserer Grössenordnung…, ich weiss echt nicht, wie die überleben. Die Kehrseite der Medaille ist allerdings, wenn man sehr viele Tour-Angebote kriegt und nicht immer alles realisieren kann. Wir sind mit unserer Entscheidung immer gut gefahren, opfern dabei viel Freizeit, und der Urlaub wurde für die Band gebraucht. ABER! Ich bin ganz zufrieden damit.
MF: Dann freuen wir uns auf die Box und das kommende Studio-Album. Wir sprechen später darüber!
Gerre: Ja gerne, melde dich. "Stay healthy and heavy!" und auf bald.