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"...Meine Stimme ist in sehr guter Verfassung, ich bin in guter Verfassung…, kein Sex, Drugs & Rock'n'Roll für diese Dame hier…"
Im Herbst 1973 war sie die Sensation. Eine 1,52 Meter kleine, zierliche Amerikanerin brach mit dem Song «Can The Can» in die Männerbastion des Rock'n'Roll ein und stürmte die Hitparaden-Spitze. In Lederkluft gekleidet, schrie sich Suzi Quatro die Seele aus dem Leib. Und zwar in einer Stimmlage, die so hoch war, dass sie höchstens junge Mädchen mitsingen konnten. Seit dem Beginn ihrer Laufbahn als 14-Jährige Sängerin und Bassistin hat sie nahezu alles erreicht, was man als Musikerin erreichen kann. Mit ihrer charismatischen Stimme, ihrem druckvollen Bass-Spiel und Welthits wie «48 Crash», «Devil Gate Drive», «If You Can't Give Me Love», «She's In Love With You» oder «Stumblin In» wurde sie zur Rock-Ikone. Heute ist die "Rock-Oma" stolze 70 Jahre alt, aber noch kein bisschen müde. Am 26. März erschien ihr 13. Studioalbum mit dem Titel «The Devil In Me». Ihr Credo: "Ich gehe erst in Rente, wenn ich mich umdrehe, mit dem Hintern wackele und es herrscht Stille!“
MF: Du bist eine Ikone der Rockmusik. Wie hast du so lange in dieser Macho-Domäne überlebt?
Suzi Q: (lacht) Oh, ich habe Männer gar nie als Machos angesehen, deshalb gibt es für mich diese sogenannte Macho-Domäne auch nicht. Das habe ich noch nie getan. Klar, die Musikszene und besonders die Rock-Szene ist männerlastig, aber für die Gender-Thematik habe ich noch nie viel übrig gehabt. Schon als kleines Mädchen war das für mich kein Thema. Ich tat stets, was ich tun wollte. Vielleicht hat man das "typische Mädchen" nur gespürt, wenn ich auf sensible Themen auf spezielle Art reagiert habe. Ich würde mich selbst aber absolut nicht als Feministin bezeichnen. Ich habe mich auch nie als "a female musician", sondern immer nur als "a musician" bezeichnet.
MF: Die Welt applaudiert dir nun schon seit den Siebzigerjahren, als du deinen Durchbruch gehabt hast. Wenn man dich damals gefragt hätte, ob du als 70-Jährige noch immer auf der Bühne stehst, was hättest du geantwortet?
Suzi Q: Absolut! Absolut! Ich wusste, als ich in dieses Business eingetreten bin, dass dies mein Beruf auf Lebzeiten sein wird. Ich liebe es neues Material zu schreiben. Ich liebe es zweistündige Solo-Shows zu spielen. Ich liebe es noch heute unterwegs zu sein und mit Leuten zu agieren. Es ist einfach meine grosse Leidenschaft.
MF: Du würdest also sagen, dass mit dir als Musikerin ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen ist?
Suzi Q: Zu 100%! Ja wirklich! Ich spürte, als ich damit begann, dass ich dies für den Rest meines Lebens tun werde.
MF: Das ist ein Traum, wenn man das von seiner Arbeit sagen kann. Was verlieh dir denn die Stärke, über all die Jahre in diesem Business, das sehr hart ist, zu überleben?
Suzi Q: Ich ging sehr professionell an die ganze Sache ran. Mein Vater ist auch Musiker, und er gab mir die richtige Attitüde mit auf den Weg, die es braucht, um in diesem Job erfolgreich zu sein. Es wurde innert Kürze meine Passion, und das macht es mir ganz einfach, jahrzehntelang in diesem Business zu bleiben. Ja, ich würde wirklich sagen, dass das der springende Punkt ist. Dass ich sehr, sehr, sehr professionell arbeite und deshalb noch hier bin. Meine Stimme ist in sehr guter Verfassung, ich bin in guter Verfassung…, kein Sex, Drugs & Rock'n'Roll für diese Dame hier…
MF: Nicht mehr?
Suzi Q: Nein nie! Niemals! Das hat es für mich nie gegeben.
MF: OK! Ich habe dich ja bereits kurz bei der Begrüssung nach Alice Cooper gefragt. Er kommt ja auch aus deiner Heimatstadt Detroit und ist ungefähr im selben Alter wie du. Kennst du ihn und wenn ja, wie gut kennst du ihn?
Suzi Q: Extrem gut! Hast du deine Hausaufgaben nicht gemacht (lacht)? Nein Spass, du bist ja noch jung. Wir kennen uns wirklich sehr gut. Ich rede ganz oft von ihm und er redet oft von mir. Wir haben uns kennengelernt, als ich etwa fünfzehn Jahre alt war. Wir probten beide mit unseren Bands in diesen typischen Garagen, und da fragte er mich bereits das erste Mal, ob ich einen Song mit ihm machen möchte. Ich musste leider absagen, weil er mir nicht sagen wollte, was er anschliessend damit vor hatte. Er faselte etwas von einem Ego-Duett, das war mir aber zu wenig Information. Wir sind aber bis heute wirklich gute Freunde. Ich sagte ihm einfach, dass wenn ich auch nur zwei Zeilen singe, ich meinen Namen unter dem Song stehen haben möchte. Ein Duett ist ein Duett, ob man nun einen ganzen Song zusammen singt oder eben nur ein paar Zeilen. Das wollte er dann allerdings auch nicht, und das habe ich dann auch akzeptiert. Es war kein Problem. Ich habe eben meinen Weg gewählt und er seinen. Wir sind beide Menschen mit klaren Prinzipien. Aber ja, ich kenne ihn wirklich sehr gut, und wir sind heute noch befreundet.
"...ich habe in meinem ganzen Leben noch nie eine andere Arbeit gemacht als Musik. Ich denke aber, dass ich ein guter Anwalt geworden wäre..."
MF: Wow! Das ist toll. Du hast ja während deiner Karriere noch zwei Kinder gross gezogen und bist mittlerweile Grossmutter. Hast du dich schon einmal gefragt, wie dein Leben aussehen würde, wenn du die Musik aufgegeben hättest?
Suzi Q: Das ist eine gute Frage, aber darüber habe ich mir ehrlich gesagt noch keine grossen Gedanken gemacht. Ich glaube, dass mein Weg schlichtweg vorbestimmt war und alles so gekommen ist, wie es kommen musste. Natürlich hatte ich immer wieder mal Momente, in denen meine Gedankenwelt richtig durchgerüttelt wurde. Weisst du, ich habe in meinem ganzen Leben noch nie eine andere Arbeit gemacht als Musik. Ich denke aber, dass ich ein guter Anwalt geworden wäre (lacht). Neben der Musik schreibe ich nämlich auch noch Bücher. Ich glaube Musik und das Schreiben sind die zwei Dinge, die mich wirklich interessieren. Ich bin einfach ein sehr kommunikativer Mensch. Ich kommuniziere mit meiner Musik, ich kommuniziere mit meinen Büchern, und ich habe auch viele Jahre Radio gemacht. Ich habe wirklich, seit ich vierzehn Jahre alt war, nie etwas anderes gemacht als dieses Business. Das ist jetzt 57 Jahre her.
MF: 57 Jahre…, das ist wirklich sehr beeindruckend. Bereust du es in familiärer Hinsicht manchmal ein wenig, dass du so viel auf Tour warst?
Suzi Q: Ich habe es nicht auf die gängige Art und Weise gemacht. Meine Familie war immer dabei. Für mich war vom ersten Tag an klar, dass wenn ich Kinder habe, dass die immer bei mir sein werden. Sie waren auf den Tourneen immer dabei. Schliesslich bin ich eine Mutter, und ich hätte sie nie alleine zu Hause gelassen. Keinesfalls! Das wäre nie in Frage gekommen. Ich wollte sie bei mir haben, und so durften sie meine Welt kennenlernen. Es war ein echtes Family Business. Ich war zwar der Brötchenverdiener der Familie, aber dass ich die Kinder zu Hause, mit einer fremden Person, gelassen hätte, das wäre für mich nie in Frage gekommen. Nein, nein, nein! Das war der Weg, wie es für mich funktioniert hat. Natürlich war es auch eine sehr harte Zeit, denn schliesslich waren die Shows immer am Abend und den Tag hindurch beanspruchten die Kinder meine Zeit für sich. Meine Ruhephasen waren also nicht gerade sehr gross. Wenn ich mich am Morgen ausruhen wollte, stürmten die Kids ins Zimmer. Wir mussten viele Kompromisse schliessen, aber wir kannten es ja nicht anders. Ich würde es auch heute noch genau so machen.
MF: A propos Tour. Deine aktuelle Tour wurde wegen Covid-19 auf das Jahr 2021/22 verschoben. Was hast du neben dem neuen Album, auf das wir später noch zu sprechen kommen, in deiner freien Zeit gemacht?
Suzi Q: Ich war wie immer kreativ, wenn ich nicht gerade auf Tour bin. Ich sagte zu meinem Sohn, der übrigens selber auch auf seiner Tournee sein sollte, da wir nirgends hin können, es an der Zeit wäre, das nächste Album zu schreiben. Wir haben uns also hingesetzt und das nächste Album geschrieben. Ich wollte dazu auch noch ein Lyrics-Buch machen, das zum neuen Album passt. Viele Leute sind in dieser Zeit total verrückt geworden, für mich war es aber eine sehr inspirierende Zeit. Man hört das ganz eindeutig auf meinem neuen Album, das übrigens das Beste ist, das ich je komponiert habe. Und alles war Inspiration.
MF: Covid-19 war für viele Familien auch eine Zeit der Veränderung - eine Zeit der Chancen. Hat sich die Beziehung zu deinen Schwestern etwas verändert, die dir den Ausstieg bei der Familienband "The Pleasure Seekers" bis heute nicht verziehen haben?
Suzi Q: In der Dokumentation «Suzi Q.» haben sie bereits das erste Mal darüber gesprochen. Ich denke, dass es in jeder Familie und wirklich in jeder Familie, die gemeinsam Business macht, Uneinigkeit gibt. Besonders wenn sich eine davon entscheidet, ihren eigenen Weg zu gehen. Davon bin ich einfach überzeugt. Ich habe eine gute Beziehung zu meiner jüngeren Schwester, die übrigens auch auf der Dokumentation spricht. Trotzdem, dass sie bis heute sagen, dass ich alles hingeschmissen hätte, verstehen wir uns. Das ist nämlich ihre Wirklichkeit und was sie von mir denken. Auch mit meiner älteren Schwester funktioniert es irgendwie und mit meinem Bruder ist alles Ok. Da gibt es keine Probleme. Es gab aber schon komische Momente. Zum Beispiel an Weihnachten in Detroit, als mein Bruder Klavier gespielt hatte, applaudierten ihm alle Schwestern, aber mir einmal zu sagen, dass sie stolz auf mich sind oder dass auch ich etwas zustande gebracht habe – Fehlanzeige! Aber weisst du, vermutlich ist das einfach normal bei einer Familie und wenn man noch so unkonventionell unterwegs ist wie ich, sowieso. Aber ich bin zufrieden mit meinem Leben und meinem Weg, den ich eingeschlagen habe. Ich mag mir darüber nicht mehr den Kopf zerbrechen und ihre Probleme zu meinen machen. Es ist wie es ist.
MF: Dann ist deiner Meinung nach ein Happy End für die Quatro-Family möglich?
Suzi Q: Absolut…, oder ich hoffe es zumindest.
MF: Jetzt aber zu deinem neuen Album «The Devil In Me». Du hast vorhin bereits angekündet, dass es das beste Album sei, das du je gemacht hast. Das will nach all deinen erfolgreichen Jahren etwas heissen. Erzähl doch bitte einfach ein bisschen von deiner neuen Platte.
Suzi Q: Es ist einfach irgendwie entstanden. Wir (Suzi und ihr Sohn) hatten eigentlich gar keine grosse Kontrolle darüber. Da wir noch nie unter solchen Umständen zusammen gearbeitet hatten, war es wie fliegen. Wir mussten uns ausprobieren, es gab keine Vorlagen und keine Kontrollen. Wir liessen uns schlichtweg treiben. Deshalb ist es vermutlich auch so vielfältig geworden. Wir waren ja teilweise verteilt, und jeder hat aus der Ferne seinen Beitrag beigesteuert. Mein Sohn Richard Tuckey hat mir gesagt, dass wenn wir ausnahmsweise so viel Zeit haben, wir die Messlatte gegenüber unserem ersten gemeinsamen Album «No Control» etwas höher legen sollten. Das haben wir dann auch getan. Die Platte entstand dann so, dass er, übrigens 36 Jahre alt, also die neue Musikgeneration, mir seine Visionen vorgestellt hat. Und ich, Suzi Quatro, nicht als seine Mutter, sondern als Suzi Quatro, die seit Jahren auf der Bühne steht und nie etwas anderes gemacht hat, brachte meine Ideen mit den seinen zusammen. Und es hat einfach gepasst! Wir sind schlichtweg dieselbe DNA. Gemeinsam verfolgten wir dann unserer Vision. Er ist ein guter Gitarrenspieler, der sich in vielen Musikrichtungen zu Hause fühlt. So konnten wir ganz vieles ausprobieren. Es war wirklich sehr schräg. Ich habe ihn seinerzeit geboren, und jetzt lässt er mich, durch sich, nochmals auf die Welt kommen. Verstehst du? Ich sehe meine Welt und mein Leben durch seine Augen. Es ist wirklich sehr schräg, doch was dabei heraus kam, ist nun dieses höllische Album (lacht und streckt die CD in die Kamera). Es war wirklich ein toller Vibe. Bei jedem Song haben wir uns gefragt: funktioniert es? Können wir das tun? Und ja, es hat gepasst. Auf dieser Platte befinden sich nun 57 Jahre meines Lebens. Die Songs sind alle sehr verschieden, dennoch wirkt keiner davon fehl am Platz. Es ist alles 100% Suzi Q. Es ist wirklich fantastisch. Wir haben so toll zusammen gearbeitet, wir wurden ein richtiges Team. Und wir wussten im Vorfeld wirklich nicht, dass dies passieren wird.
"...Ich habe mich lange gegen eine Zusammenarbeit gewehrt, denn ich wollte meine Kinder nicht beeinflussen und sie ihren eigenen Weg gehen lassen..."
MF: Wenn ich da gerade kurz einhaken darf. Wie ist es eigentlich zu dieser Zusammenarbeit gekommen? Lange Zeit hast du dich ja gegen eine Zusammenarbeit mit deinen Kindern gewehrt.
Suzi Q: Nun, ich habe meine Tochter einfach einmal gefragt, ob sie einen Song mit mir singen würde. Es kam dann sogar soweit, dass ich ihn mit ihr zusammen geschrieben habe. Sie hat mich dann auch auf der ganzen Tour begleitet und diesen Song jeden Abend, mit mir auf der Bühne gesungen. Sie ist mehr in der Ella Fitzgerald und Billie Holiday-Sparte zu Hause. Sie ist nicht wirklich Rock'n'Roll. Ich habe mich lange gegen eine Zusammenarbeit gewehrt, denn ich wollte meine Kinder nicht beeinflussen und sie ihren eigenen Weg gehen lassen. Da sie beide aber schon früh in verschiedenen Bands gespielt und mich immer wieder angebettelt haben, endlich mit ihnen einen Song zu schreiben, stand dem nichts mehr im Weg. Nicht ich habe sie auf diesen Weg gebracht, sondern sie haben mich auf ihren Weg geholt. Das war mir ganz wichtig. Und auch mein Sohn, bevor wir mit der Produktion zu «No Control» begonnen hatten, sagte zu mir: "Mum, wir müssen unbedingt was zusammen schreiben." Was konnte also Besseres passieren, als dass die Kinder bereit sind, mit mir zu arbeiten? Ich spürte richtig seinen Hunger, sein eigenes Ding zu machen. Ich musste mich künstlich auch nicht bremsen, und so gingen wir gemeinsam an die Arbeit. Er brachte mir dann ständig neue Riffs, und ich sagte ihm dann, ob ich damit arbeiten kann oder nicht. Es hat auf natürliche Art und Weise einfach funktioniert.
MF: Auf «The Devil In Me» gibt es doch einige musikalische Überraschungen. Ich rede zum Beispiel von «Isolation Blues» oder «Loves Gone Bad» mit seinen Saxophon-Parts. Es klingt doch recht anders als der gewohnte Suzi Quatro-Sound. Wie kam es dazu?
Suzi Q: Die halbe Platte beinhaltet sicher typische Suzi Quatro Tracks. Die anderen Songs würde ich sagen, die sind einfach passiert. «Loves Gone Bad» ist ein gutes Beispiel. Mein Sohn hat gerade im Studio gearbeitet und ich war draussen. Ich bin da noch richtig oldschool. Ich mag es nicht, im Studio zu arbeiten. Ich muss mich draussen frei fühlen. Mittlerweile weiss ich zwar, welchen Knopf ich drücken muss, wenn ich einen Song im Studio verloren habe (lacht laut). Ansonsten will ich mit dieser Technik aber nichts zu tun haben. Nein ehrlich, ich habe meinen akustischen Bass, meine akustische Gitarre, meine Songbücher und ein kleines i-Pad, und wenn ich dort "Play" drücke, dann muss einfach etwas passieren. So läuft das bei mir! Er werkelte also im Studio an «Loves Gone Bad», und als ich vorbei kam, sagte ich ihm, dass das sehr gut klingt. Er sagte mir, dass diese Melodie nicht für mich sei und ich sagte ihm: "Oh doch, die ist für mich!" Als ich es schliesslich nochmals hörte, begann ich einfach laut mit zu singen. Da war es auch für ihn klar, dass es mein Song werden würde. So ähnlich funktionierte es noch bei anderen Songs. Sie flogen mir einfach zu - ins Herz und in die Seele. Plötzlich hatte ich ganz viele Ideen. Wir haben anschliessend etwas vorbereitet. Nur ein paar Bassspuren, ein einfaches Schlagzeug und einige Riffs dazu. Diese Grobaufnahme hörte ich dann durch die Studiotür, und es hat mich einfach umgehauen. Für mich war ganz klar, wenn ein Song mich so berührt, muss sich nicht mehr darüber nachdenken, sondern ich muss ihn einfach machen. Ich fühlte mich wie ein Zombie im Studio. Die Gedanken flogen mir nur so zu, und mein Sohn fragte mich: "Mama, was ist los mit dir?" Daraufhin sagte ich zu ihm: "Stell das Mikrofon an und gib mir die Kopfhörer…, schnell, schnell!" Und dann sang ich einfach vor mich hin, ohne darüber nach zu denken. Ich sang erstmals in einer ganz anderen Stimme. Mit einer Stimme, die ich vorher noch nie gebraucht hatte. Die ersten vier Zeilen sprangen mich einfach an. Danach war Schluss und mehr brauchte es auch gar nicht. Ich wurde von Gefühlen übermannt. Das erste verband ich wohl mit meinem Mann, und das zweite vermittelte mir dieses "Motown-Gefühl", den Spirit meiner Heimatstadt. Jeder Song auf der Platte musste einfach genau so werden, wie er jetzt daher kommt. Viele Songs entstanden wirklich auf diese übernatürliche Art und Weise. Andere wiederum wurden ganz normal auf Riffs oder Lyric-Ideen aufgebaut.
MF: Die Songs kamen wirklich vom Herzen und aus der Seele…
Suzi Q: ...absolut! Weisst du, so vielen Leuten geht es schlecht, und man spricht vom «Isolation Blues». Dieser Song ist schliesslich auch daraus entstanden, dass sich mich nicht herunter ziehen lassen wollte von der Stimmung um mich herum. Dieser Song zeigt mich nackt und verletzlich, und ich wollte einfach offen und ehrlich darin mitteilen, wie ich mich fühle. Meine Lieblingszeile lautet: "G and T Ing, getting so high , high , high , high, high, Its an alcoholic lullaby" (lacht). Weisst du, wie viele Leute sich so fühlen? Dieser Song berührt die Menschen, denn er kommt von Herzen.
MF: Bei deiner Stimme ist mir aufgefallen, dass sie sich seit den 70ern kaum verändert hat. Gerade bei Songs wie «Get Outta Jail» und «Motor City Riders» hörst du dich an, wie zu deinen Anfängen. Wie hältst du deine Stimme in Schwung?
Suzi Q: Ich habe wirklich vor langer Zeit richtig singen gelernt. Als ich gerade fünfzehn oder sechzehn Jahre alt war, spielten wir oft in Clubs. Da durfte ich offiziell zwar noch nicht rein, bin aber mit einer gefälschten ID doch rein gekommen. Zu der Zeit war es ganz normal, fünf Sets an einem Abend zu spielen, die je 45 Minuten gedauert haben und dazwischen fünfzehn Minuten Pause. Wenn du da nicht richtig singen gelernt hast, war deine Karriere unter Umständen schneller zu Ende, als sie angefangen hat. Heutzutage eine zweistündige Show zu singen, ist eine grosse Sache. Ich wollte dann nicht nur singen, sondern ich wollte auch schreien. Also habe ich gelernt zu schreien, sodass meine Stimme keinen Schaden nimmt. Ich mache von jeder Show ein längeres "vocal-warm-up". Vor jeder Aufnahme im Studio mache ich ein "vocal-warm-up", und ich brauche mindestens zehn Stunden Schlaf und ich rauche nicht. Wenn mir danach ist, gehe ich auch ins Fitnessstudio. Ich würde wirklich sagen, dass ich richtig gut Sorge zu mir trage. Was mich doch auch ein wenig erstaunt, ist, dass meine Stimme mit zunehmendem Alter besser wird. Normalerweise geht es ja plötzlich bergab im Alter, aber bei mir ist das Gegenteil der Fall. Ich habe mich lange nicht als gute Balladensängerin gesehen, aber mit der neuen Stimmfarbe ist mir auch bei Balladen wohl.
MF: Du bist ja viel getourt in deinem Leben. Welche Erinnerungen hast du speziell ans Tourleben?
Suzi Q: Es war einfach nur verrückt! Wir hatten wirklich tolle Abende, gemeinsam mit den 70er-Jahre Glam Rock Weggefährten Andy Scott (The Sweet) und Don Powell (Slade). Die Tour nannte sich "late night & early flight" und das hätte passender nicht sein können. Es war so harte Arbeit! Du musst dir vorstellen, um eine Abendshow herum passiert dermassen viel, und der beste Teil davon ist schliesslich, raus auf die Bühne zu gehen. Ich weiss nicht, wem das wirklich gefällt…, raus aus dem Tourbus, rein ins Flugzeug, raus aus dem Flugzeug, rein in den Tourbus, Soundcheck und dann langes Warten. Egal in welcher Verfassung man danach ist, du musst raus auf die Bühne und es geniessen. Es ist schwer zu erklären, wenn man es nicht selber erlebt hat. Es ist einfach wie es ist, mit allen Höhen und Tiefen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich etwa sieben Jahre alt war. Da sass ich bereits das erste Mal in einem Van voller Equipment und fragte mich ernsthaft, was an diesem Bild nicht ganz stimmt (lacht).
MF: Klingt doch sehr verrückt…
Suzi Q: ...das ist es, und es ist ebenfalls der Grund, warum ich heute da bin, wo ich bin. Das bin ich! Suzi Quatro mit der Bassgitarre, die für dich singt, die für dich kreischt und manchmal auch eine Ballade für dich singt.
MF: Sehr sympathisch und echt. Wirklich! Hast du auch Erinnerungen an die Schweiz?
Suzi Q: Oh, ich liebe die Schweiz. Ich habe so viele tolle Shows in der Schweiz gespielt.
"...Ich hätte ohne weitere Hilfe meinen Umkleideraum nach dem Konzert nicht mehr gefunden..."
MF: Was war denn so speziell in der Schweiz?
Suzi Q: Ähm…, dass ihr nicht leicht zufrieden zu stellen seid, und wenn du etwas willst in der Schweiz, dann sage es. Ich erinnere mich noch an einen Auftritt in Zürich, wir haben eine wirklich grosse Show gespielt. Es war eine richtig grosse Arena, allerdings erinnere ich mich nicht mehr an ihren Namen. Jedenfalls suchte ich meine Umkleidekabine und bekam einen Typen an meine Seite gestellt. Ich musste ganz viele Stufen, wirklich viele Stufen nach unten bis zu meinem Umkleideraum und dann noch um ein paar Ecken. Danach wurde ich wieder abgeholt, ging erneut um alle Ecken herum, die vielen Stufen wieder hoch zur Bühne und die Person hat kein einziges Wort zu mir gesagt! Ich hätte ohne weitere Hilfe meinen Umkleideraum nach dem Konzert nicht mehr gefunden. Anyway! Das sind meine Erinnerungen an die Schweiz. Aber keine Angst, ich komme immer wieder gerne bei euch vorbei (Gelächter).
MF: Wenn du das gerade ansprichst…, ich habe nämlich gesehen, dass auf deinem Tourplan kein Halt in der Schweiz geplant ist.
Suzi Q: Oh weisst du, mein Mann macht meine Buchungen (lacht). Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir auch zu euch kommen werden. Es kann natürlich sein, dass erst die verschobenen Konzertdaten aufgeschaltet worden sind, aber wegen der ganzen Covid-Unsicherheiten noch keine neuen Daten dazu gekommen sind. Ich bin mir wirklich ziemlich sicher, dass wir in der Schweiz Halt machen.
MF: Was sind die Zukunftspläne von Suzi Q?
Suzi Q: Nun, ich arbeite bereits wieder an Songs für ein neues Album, ich schreibe gerade an meinem fünften Buch, ich bin und bleibe kreativ.
MF: Wenn du schreibst, welches sind deine Themen?
Suzi Q: Oh Gott! Das sind eben auch diverse. Da wäre einmal meine Biografie, meine Illustrationen, eine Novelle mit dem Namen «The Hurricane», und während des Lockdowns habe ich noch eine weitere Kaffeetischchen-Illustration gemacht. Ich bin immer am Kreieren. Das ist was ich bin. Ich muss kommunizieren, entwerfen und unterhalten. Ansonsten kannst du mich erschiessen (grosses Gelächter)!
MF: Das wäre eigentlich ein perfektes Schlusswort aber ich möchte dir gerne zum Ende des Interviews doch noch die Möglichkeit geben, mit etwas anderem als mit deiner Erschiessung abzuschliessen. Natürlich nur, wenn du das möchtest.
Suzi Q: Oh Gott, was für ein Schluss (lacht laut)! Nein wirklich, ich bedanke mich herzlich, es war mir eine echte Freude.
MF: Ich bedanke mich bei dir! Es war mir eine grosse Ehre, mit einer Rock-Ikone zu plaudern. Zum Schluss muss ich dir aber doch noch kurz zeigen, was ich etwa vor drei Wochen auf dem Flohmarkt erstanden habe (halte ihre erste Platte „Suzi Quatro“ von 1973 in die Kamera)…
Suzi Q: Oha, jetzt muss ich dir doch noch etwas sagen. Siehst du das Bild auf der Vorderseite?
MF: Ja…
Suzi Q: Als die Platte heraus kam, schickte ich sofort ein Exemplar an meine Familie in Detroit. Ich rief dann meinen Vater an und fragte ihn, ob er das Album bekommen habe. Er bejahte und ich fragte ihn gleich darauf, wie ihm denn das Cover-Foto gefalle? Er sagte: "Alles gut, alles wirklich toll aber der Typ mit dem du zusammen bist, der Gitarrenspieler, das ist hoffentlich nicht der, der mit der Hand in der Hose ein Bier trinkt?" Ich antwortete nur: "Doch Dad, das ist genau der!"