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"...Ich hatte grosse Freude daran, an meinem neuen Solo-Album zu arbeiten..."
Da sitzt man bei einer Tasse Kaffee und einer Nussrolle einem Sänger gegenüber, der mein Leben mit seiner Musik nachhaltig beeinflusst hat, und freut sich einfach über die Geschichten, die Marc Storace erzählt. Eigentlich sollte sich das Gespräch über sein neues Solo-Album «Crossfire» drehen, aber der gebürtige Malteser liess immer wieder Geschichten aus seiner langen Karriere einfliessen. Dass dabei Krokus zur Sprache kamen, war natürlich unvermeidlich. Schliesslich revolutionierte der Shouter mit den Schweizer Helden in den frühen Achtzigern das Musik-Business und lernte dabei nicht nur die sonnigen und süssen, sondern auch die dunklen Seiten kennen.
Doch nach nunmehr 45 Jahren steht mit «Crossfire» eine neue Wahnsinns-Platte im Mittelpunkt des Geschehens. Eine Scheibe, die ohne Ende rockt und zu Marcs Stimme wie der berühmte Deckel auf den Topf passt. Die Band Storace schiesst aus allen Rohren und begibt sich mit einem Track wie «Thrill And A Kiss» auf Klassiker-Kurs, während die wunderschöne Piano-Ballade «Only Love Can Hurt Like This» die Emotionen zum Überkochen bringt. Ganz nebenbei singt der 73-Jährige wie ein Jüngling, der gerade in der Blütezeit seiner Karriere steckt. Diese "kick-ass" Attitüde bringt Marc, zusammen mit seiner Truppe, bestehend aus Patrick Aeby (Drums), Emi Meyer (Bass), Dom Favez (Gitarre) und dem neuesten Mitglied Serge Christen (Gitarre) mit einem unglaublichen Wumms ans Tageslicht. Aber überlassen wir die Bühne doch Mister Storace und unterbrechen den redseligen Shouter nicht in seinen Antworten.
MF: Marc, ist die Musik eher zum unverkrampften Spass geworden?
Marc: Ja, das kann man so sagen, auch wenn es nicht immer leicht ist. COVID hat einiges ausgebremst und war ein Schock. Das Virus hat das Business beschädigt, aber heute können wir mit Krokus die Rosinen herauspicken und auf den schönsten Festivals spielen. Bis jetzt haben wir uns auf die Schweiz konzentriert. Nächstes Jahr haben wir die Möglichkeit, auf der "Monsters Of Rock Cruise" zu spielen. Danach folgt Schweden, und vielleicht kommen noch ein paar andere Shows dazu, zu denen wir hinfliegen. Lieber ins Flugzeug steigen als in den Tourbus, nicht nur wegen den Kosten. Was mit Amerika passiert, werden wir sehen. Aus diesen Gründen kann ich sagen, dass der Spass überwiegt.
Ich hatte grosse Freude daran, an meinem neuen Soloalbum zu arbeiten. Vor drei Jahren erschien «Live And Let Live». Die Shows begrenzten sich auf die Schweiz, aber es hat sehr viel Spass gemacht, auch mit meiner Band. Auf dem neuen Album «Crossfire» spielen wir wieder vermehrt diesen "kick-ass" Rock'n'Roll, so wie früher (grinst). Was mit «Crossfire» passieren wird, welche Türen uns die Scheibe öffnen wird, das wird sich zeigen. Vielleicht kriegen wir damit die Möglichkeit, auf dem internationalen Markt präsent zu sein. Good News ist noch immer unser Haupt-Booker für die Schweiz. Sie haben Schwester-Unternehmen auf der ganzen Welt. Wenn alles passt, sind wir vielleicht bald auch ausserhalb der Schweiz zu sehen. Das Pferd sollte vor dem Wagen bleiben (lacht). Aktuell sind ein paar Club-Gigs für dieses Jahr geplant. Es endet einmal mehr in der wunderschönen Mühle Hunziken (grinst). Das ist ein wundervoller und legendärer Club und wird unser Abschluss vor der Weihnachtsfeier sein. Dann fliege ich nach Malta, um dort meine Weihnachtsferien mit meiner Familie zu verbringen (grinst zufrieden).
"...Tommy konnte mein Feuer dann aufnehmen, sobald es entfacht war..."
MF: Wo siehst du die Unterschiede zwischen «Crossfire» und dem Vorgänger «Live And Let Live»?
Marc: Klar im Soundpegel (lacht) und in der Rock'n'Roll Attitüde (grinst). «Live And Let Live» ist ruhiger ausgefallen, und trotzdem finden sich Songs wie «Carry The Burden», die in eine rockigere Richtung gehen. Schon beim ersten Track auf «Crossfire», «Screaming Demon», wird das Werk bombastisch eröffnet, ähnlich wie damals mit «Long Stick Goes Boom». Es war jedoch nicht in unserem Interesse, den Sound von Krokus zu kopieren! Zusammen mit Tommy Henriksen (Gitarrist bei Alice Cooper) habe ich die Lieder komponiert. Er ist ein genialer und kreativer Mensch. Tommy konnte mein Feuer auffangen, sobald es entfacht war, und dadurch gab es keine Momente, in denen ich im Studio herumgehangen bin. Zusammen mit dem guten Kaffee (lacht) entstand diese "in your face" Attitüde. Tommy hat passend zu meiner DNA komponiert.
"Hey Marc, I wanna produce your next solo album" hat Tommy nach dem letzten Auftritt am "Rock The Ring" gesagt. "Hell yeah, let's go for it!" war meine spontane Antwort. Die Frage war nur, wann er neben seinem Engagement bei Alice Cooper, den Hollywood Vampires und seiner Truppe Crossbone Skully Zeit finden würde. Wenn er zu Hause ist, will er sicherlich die freie Zeit mit seiner Familie verbringen. Trotzdem kam es zur Zusammenarbeit. Ich fühlte mich super wohl und arbeitete immer nachmittags mit Tommy an den Tracks. Zwei bis drei Stunden, und dann war Dinner-Time (grinst). Ich konnte bei ihm übernachten und fühlte mich wie ein "part of the family". Ich war keine vier Wochen bei ihnen, sondern höchstens fünf Mal. Alles ging sehr flott, auch weil ich mich stets sehr gut vorbereite. Ich spürte meine Freude, dass ich in meinem Alter noch immer singen darf und meine Stimme es mir noch immer erlaubt, die alten Hits so zu singen, wie sie klingen müssen.
"...Tommy und ich durchlebten beide das gleiche Schicksal..."
Auch darf ich noch immer meine Kreativität ausleben und merke, dass ich noch nicht in das Loch gefallen bin, in dem die Musik immer gleich klingt. Auf «Crossfire» sind zwei Tracks zu hören, die eigentlich nicht auf die Scheibe passen, aber das sind dermassen geile Stücke, dass ich sie nicht beiseitelegen konnte, und so fanden «Sirens» und «Only Love Can Hurt Like This» ihren Weg auf das neueste Werk. «Only Love Can Hurt Like This» ist eine Ballade, die nur mit Klavier gespielt wird. Es ist eine raue Nummer, bei der meine Stimme gut zur Geltung kommt. Ich schreie nicht, denn auf einer solchen Ballade passt das nicht. Die Nummer klingt sehr melancholisch und gefühlsvoll. Tommy und ich durchlebten beide das gleiche Schicksal, als wir zusammen im Studio waren. Unsere Schwiegerväter starben, und diese Trauer, die wir in uns mitgetragen haben, musste raus. Tommy kam mit diesem Stück um die Ecke, und ich nahm es in zwei Takes auf.
Auf der anderen Seite ist «Sirens» ein mega-bombastischer, aggressiver Track geworden. Es geht um die Gewalt, die von Kriegen ausgeht, wenn zwei Grossmächte aufeinandertreffen. Das Stück geht zurück in die Zeit von Karthago, als die Phönizier im Mittelmeer mit ihren hölzernen Schiffen kämpften. Auch hatte ich Odysseus im Kopf, als er in Troja kämpfte. Beides mischte ich zusammen. Es war Fantasie und Mythologie zugleich und ein ideales Stück für einen historischen Film (grinst). Vielleicht entdeckt ein Produzent meine Nummer (grinst). Passend zu einem Film wie "The 300 Spartans" (Deutsch: "Der Löwe von Sparta"), als 300 Griechen gegen ein Vielfaches an Persern kämpften.
"...Tommy wusste genau, welche Riffs zu meinem Charakter passen...."
MF: Für mich ist «Thrill And A Kiss» das absolute Highlight.
Marc: Oh ja, da hast du Recht, Martin. Unbedingt, das ist eine unglaublich gelungene Nummer. Tommy wusste genau, welche Riffs zu meinem Charakter passen, zu meiner Vergangenheit und meinen besten Jahren. Mit dem vierten Album «Metal Rendez-Vous» hatte ich meinen Einstieg bei Krokus. Das Werk war ein unglaublicher "Bang-Moment"! Damals waren Free & Virgin Agency mit Harry Sprenger und Heinz Meier unser Management. Plötzlich verstanden die beiden die Welt nicht mehr (lacht), weil das Telefon nicht mehr aufhörte zu klingeln (lacht). Sie bemerkten, dass Krokus zu gross für sie wurden. Mit Butch Stone fanden wir einen neuen Manager und spielten am "Chicago Fest", wo wir auf John Kalodner trafen, der uns später bei Geffen Records unterbrachte.
Es folgte das "Reading Festival", und wir legten alles flach. Die Fans schmissen bei der Band, die vor uns spielte, Flaschen und Büchsen auf die Bühne. Wir dachten nur: "Uh, hoppla Schorsch (Deutsch: "Uh, du heilige Scheisse"), was passiert mit uns heute?" (lautes Lachen). Es gab nur eine Lösung: Wir gingen auf die Bühne und spielten "in your face". Keine Flasche oder Büchse flog auf die Bühne. Sie schrien nach mehr Songs und wollten Zugaben, aber wir hatten keinen weiteren Song mehr, en wir spielen konnten (lacht). Es war kurz und bündig! Tommy Kiefer hatte damals seine roten Lederhosen an, die er mit einem silbernen Gaffa-Klebeband ausbessern musste. "What the fuck, das war Punk!" Ich stand mit meinem zerrissenen Tiger-Shirt und Tommy mit seinen Lederhosen auf der Bühne, das waren noch andere Zeiten. Wir standen der Punk-Attitüde sehr nahe, die wir in den Hard Rock und Heavy Metal miteinfliessen liessen. Das war eine unvergessliche Zeit (strahlt über beide Ohren).
"...Als wir das erste Mal in Amerika waren, bekamen wir am ersten Tag am Pool einen Sonnenbrand, weil wir uns vom Jetlag erholen wollten..."
MF: Vermisst du die Zeit von damals?
Marc (überlegt): Ich erinnere mich gerne daran und versuche immer, mir nur die schönen Seiten ins Gedächtnis zu rufen (lacht). Alles hat Yin und Yang, sprich zwei Seiten, die gegeneinanderstossen. Das setzt Energie frei, es funkt (grinst). Diese Energie war immer in der Band vorhanden, besonders gegenüber anderen Leuten ausserhalb der Truppe. Ab und zu auch gegenüber Headliner-Bands (Marc spricht die Geschichte mit Def Leppard an, als er die Treppen, die nur für den Headliner gedacht waren, trotz mehrmaliger Ermahnung immer wieder verwendete). Dank dieser Support-Tourneen wurden wir auf der Bühne immer besser. Als wir das erste Mal in Amerika waren, bekamen wir am ersten Tag am Pool einen Sonnenbrand (lacht), weil wir uns vom Jetlag erholen wollten. Wir spielten zuerst in kleinen Clubs, in dreckigen kleinen Löchern, die man in der Schweiz so nie gesehen hätte. Begannen wir dort zu spielen, zogen wir alle Besucher vor die Bühne und mussten aufpassen, dass sie uns nicht von der Stage herunterrissen. Sie genossen unsere Musik, und alles roch nach Marihuana in diesen Clubs. Wir alle mochten diesen Duft (lacht), nicht wahr, Polo (meint Polo Hofer)?!
MF: Du hast vorhin deine Stimme erwähnt, und sie ist immer noch extrem gut…
Marc: ...dankeschön (grinst verlegen)...
MF: …wie kommt das? Andere Sänger in deinem Alter stehen schon lange nicht mehr auf der Bühne, weil sie nicht mehr singen können.
Marc: Ich bin ein gut erzogener Bueb (Deutsch: Bub) von einer sonnigen Insel (mit einer nach Oma klingenden Stimme). Ich habe die Schule beendet, aber wenn es um einen Job ging, war meine Antwort: "No way, ich bin ein Sänger!" Ich begann mit vierzehn Jahren zu singen und probierte Dinge aus. Mit sechzehn Jahren zog ich an meinem ersten Joint. Mit der Disco-Zeit kamen Vodka-Orange oder Gin-Tonic dazu, aber das gehörte dazu, wenn man auf einer Ferieninsel mit vielen Touristen lebt. Ich blieb aber immer mit beiden Füssen auf dem Boden, und so wuchs ich auf. Vielleicht experimentierten andere Sänger mit zu vielen giftigen Substanzen. Ich machte einmal die Erfahrung mit dem weissen Pulver. Wir waren Special Guest bei einem Festival, bei Joe Walsh, der bei den Eagles war. Diese Erfahrung war eine bittere. Vielleicht war es nicht der beste Stoff, aber er wirkte sich sehr negativ auf meine Stimme aus. Es hat mein Blues- und Soul-Feeling, das von Herzen kommt, zerstört. Dieses Gefühl brauche ich beim Singen, ich liebe es. Das ist meine Passion. Als dies wegen dieser Linie weg war, wusste ich: "No way!" Zudem zerstört das Zeug die Stimmbänder.
"...Später zum Mittagessen oder ich verdrückte eines dieser himmlisch feinen BLT-Sandwiches..."
So blieb ich bei meinem Gras und dem Cognac sowie bei ganz viel Schlaf. Ich bin ein Langschläfer (grinst) und fast immer der Letzte, der sich in die Koje verdrückt. Im Tourbus trank ich meinen Cognac und hörte Musik wie das Solo-Album «Arc Of A Diver» von Stevie Winwood. Das hätten sich die anderen nie angehört (grinst) oder altes Material von Cream sowie Klassik von Mozart, Wagner oder Beethoven. Ich öffnete die Vorhänge der vorderen Lounge, und ohne Licht konnte ich den Sternenhimmel sehen. Dann ging ich schlafen und war der letzte, der aufstand. Der Bus parkte schon an seinem Zielort. Ohne laufende Klima-Anlage lag ich völlig verschwitzt in der Koje (lacht). Nach dem Einchecken im Hotel ging es direkt unter die Dusche (grinst). Später zum Mittagessen oder ich verdrückte eines dieser himmlisch feinen BLT-Sandwiches (Speck, Salat, Tomaten). Das entdeckte ich in Amerika, und es ist bis heute mein Lieblings-Snack geblieben.
MF: Dann sollten wir uns jetzt vielleicht ein solchen genehmigen? Marc, herzlichen Dank für das Interview. Es hat Spass gemacht, dir zuzuhören.
Marc: Danke dir, Martin, und es war schön, dich nach so langer Zeit wiederzusehen. Wir sehen uns sicher auf Tour, oder?