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"...es ist einfach Realität, dass heutzutage viele Ideen per Filesharing ausgetauscht werden. Dieses Klassische und Romantische im Proberaum die Songs zusammen zu kreieren, ist in einer solchen internationalen Konstellation sehr schwierig und kostenaufwendig..."
Frank Pané ist nicht nur Gitarrist bei Bonfire, sondern geht nebenbei nun mit dem vierten Album seiner eigenen Truppe Sainted Sinners ins Rennen. «Taste It» ist ein Meisterwerk geworden, das aus allen Rohren schiesst und den Classic Rock Fans die Freudentränen in die Augen treiben lässt. Dies nicht nur aus dem Grund, weil die Jungs einen der Tracks selbstbewusst «The Essence Of R'n'R» nennen, sondern weil Frank, Sänger Jack Meille (Tygers Of Pan Tang), Bassist Rico Bowen, Keyboarder Ernesto Ghezzi (Gotthard) und Schlagzeuger Bercie Hirlemann ihre Einflüsse nicht verleugnen, dabei mit viel Herzblut wie Hingabe musizieren und dennoch sehr eigenständig bleiben. Es vergingen keine zwölf Monate zwischen «Taste It» und seinem Vorgänger «Unlocked And Reloaded». Eine kompositorische Leistung, die heute sehr selten geworden ist. Interessant auch, dass Frank zusammen mit Ian Paice (Deep Purple) bei Purpendicular spielte. Es gab daher einige Fragen, und der sehr sympathische Gitarrist fand stets die passenden Antworten dazu.
MF: Purpendicular, wie bist du damals zur Band gekommen?
Frank: 2012 suchten sie kurzfristig einen Ersatzmann an der Gitarre, da der etatmässige Gitarrist krank war. Wir spielten drei Shows, zwei in Dänemark und eine in Norddeutschland. Das war eine reine Nacht und Nebel Aktion (grinst). Am Tag vor der ersten Show riefen sie mich an. So bin ich dann fest eingestiegen, weil der andere Gitarrist nicht mehr verfügbar war.
MF: Waren Deep Purple einer deiner Einflüsse, beziehungsweise Ritchie Blackmore?
Frank: Auf jeden Fall! Das Witzige daran ist, dass ich in einer Deep Purple, Rainbow und Whitesnake Coverband spielte. Alles, was in diese Familie gehört (grinst). Wir nannten uns Burn. Das war eine lokale Angelegenheit mit befreundeten Muckern und mehr so eine "just for fun" Geschichte. Wir existierten von 2004 bis 2008. Als mich Purpendicular anriefen, spielte ich die Deep Purple Songs schon einige Jahre nicht mehr. Deswegen war es umso aufregender, die Lieder am folgenden Tag, nach dem Anruf, zu spielen. Die Musik hatte ich im Blut, und wie du richtig gesagt hast, waren Ritchie Blackmore oder Tommy Bolin mit «Come Taste The Band» meine Favoriten. Sie haben mich mit Sicherheit sehr stark beeinflusst.
MF: Wie war es für dich, zusammen mit Ian Paice bei Purpendicular zu spielen?
Frank: Das war immer eine grosse Ehre. Mega! Mit Ian Paice zu spielen, ist immer ein Highlight. Ich spielte zusammen mit Ian und Sainted Sinners schon eine Show in Bulgarien. Das war 2017, und wir traten vor 2'500 Leuten auf. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir dies zukünftig wiederholen könnten.
MF: Waren Deep Purple und Whitesnake grosse Einflüsse für Sainted Sinners?
Frank: Dadurch, dass ich die Band initiierte, sie meine Idee und mein Baby ist..., diese Einflüsse hörte ich so oft, dass sie sich in meiner DNA verwurzelten (grinst). Da sprudeln Whitesnake und Deep Purple automatisch aus mir heraus, ob ich dies nun plane oder nicht. Wir werden meistens mit diesen Bands verglichen. Das ist immer eine grosse Ehre und ein Kompliment zugleich, weil das unsere Heroes sind.
MF: Wie bist du auf den Bandnamen gekommen? Da klingt doch ein bisschen das Album «Saints & Sinners» von Whitesnake durch.
Frank: Das war im Hinterkopf, aber nicht der ursprüngliche Gedanke. Ich wollte einen Bandnamen, welcher die Gegensätze im Leben widerspiegelt, also das Gute und Böse, Licht und Dunkelheit. Der Bandnamen sollte ausdrücken, dass es nicht nur das eine, sondern beide Seiten im Leben gibt. Da bietet sich der Name Sainted Sinners perfekt an. Klar, durch das Album «Saints & Sinners» kam ich unbewusst auf diese Idee, "Sainted" geheiligt und "Sinner" Sünder zu verwenden. Das birgt allerdings einen kleinen Widerspruch in sich. Wenn die Leute denken, der Name sei beeinflusst von Whitesnake, dann kann ich sehr gut damit leben (grinst). Es war, wie gesagt, nicht die Initialidee, sondern hat sich so entwickelt.
MF: Was war für dich bei «Unlocked And Reloaded» anders, als bei seinen Vorgängern?
Frank: Im Vergleich zu «Back With A Vengeance» war bei «Unlocked And Reloaded» ein komplett andere Band am Start. Mehr als die Hälfte der Leute wurden ausgetauscht. Die Arbeitsweise an sich war nicht grundsätzlich anders, weil…, es ist einfach Realität, dass heutzutage viele Ideen per Filesharing ausgetauscht werden. Dieses Klassische und Romantische im Proberaum die Songs zusammen zu kreieren, ist in einer solchen internationalen Konstellation sehr schwierig und kostenaufwendig. Mit einem entsprechenden Budget kann man dies realisieren, aber nicht mit dem, was uns zusteht. Die generelle Arbeitsweise war identisch, aber die Kommunikation und Chemie untereinander war eine andere. Ich merkte, dass sich die Leute in der Band viel mehr als Teil dessen davon sahen und nicht als weiteres Projekt. Bei «Unlocked And Reloaded» war es ein Bandgefühl und nicht das typische "es gibt ein oder zwei Macher und der Rest sind angemietete Musiker". Das genoss ich sehr, weil ich dies immer so wollte. Sainted Sinners war nie als Projekt angedacht. Jeder sollte sich kreativ einbringen und die Truppe als seine eigene sehen. Klar, mir gehört der Name, nachdem ich ihn mir bei den ersten beiden Alben noch mit David (Reece) teilte. Ich habe das letzte Wort, aber ich will, dass sich jeder in die Combo einbringt. Da sind mir Leute lieber, die das genau gleich wahr nehmen. Das war der grosse Unterschied zu «Back With A Vengeance». Gehen wir von «Unlocked And Reloaded» zum neusten Streich «Taste It», hat sich das Arbeiten noch ein bisschen befreiter angefühlt. Davor war es ein Austesten, wie wir als Band zusammen funktionieren. Bei «Taste It» kannten wir uns besser und wussten, worauf wir uns verlassen konnten. Bei beiden Scheiben war das Arbeiten jedoch sehr entspannt. Beim neuen Werk gar noch ein bisschen verfeinert und individueller.
MF: Wie schwer war es für dich, nach David einen neuen Sänger zu suchen?
Frank: Es war insofern schwer, dass ich einen Shouter suchte…, David besitzt eine sehr eigenständige Stimme. Genau so jemanden suchte ich wieder. Es gibt viele Sänger die gut sind, die dich auf der einen Seite aber sofort an jemanden anderen erinnern oder auf der anderen Seite Shouter sind, die sich in sehr vielen Projekten einbringen. Als bekannt wurde, dass ich einen neuen Mann fürs Mikrofon suchte, wurden unzählige Vorschläge an mich heran getragen. Das sind bestimmt alles tolle Sänger, aber dann bin ich wieder da, wo ich mit David war. Dieses Projektfeeling. Ich suchte deshalb nach einem Teamplayer. Er sollte das gewisse Etwas als Frontmann ausstrahlen, aber ein Teamplayer sein. Davon gibt es wirklich nicht sehr viele. Deswegen hat sich die Suche mit diesen Ansprüchen…, technisch gute Shouter gibt es sehr viele. Drei bis vier Kandidaten waren da. Als ich Sainted Sinners gründete, befand sich Jack schon in meinem Hinterkopf. Durch die Konstellation bei Bonfire, respektive als David gefeuert wurde und frei war, lag es damals nahe, ihm den Posten anzubieten.
"...Wären wir alle mit unseren Hauptbands auf Tour gewesen, ich mit Bonfire, Jack mit Tygers Of Pan Tang und Ernesto mit Gotthard, dann wird es schwieriger, ein neues Album fertig zu stellen..."
MF: Innerhalb von einem Jahr habt ihr zwei Alben veröffentlicht. Ist das Corona oder einer unermesslichen Kreativität zu verdanken?
Frank: Wenn man ganz ehrlich ist, beides (lacht). Wir bemerkten, wie gut das Zusammenspiel funktioniert, und das Songwriting ging nahtlos ineinander über. Es blieben noch Dinge von «Unlocked And Reloaded» übrig. Nicht aus Qualitätsgründen, sondern weil sie nicht zu den anderen Liedern passten. Zudem standen die zehn Tracks und ergaben ein kompaktes Album. Das übrig gebliebene Material benutzten wir nicht für «Taste It», sondern komponierten nahtlos weiter. Würden wir wollen, könnten wir sofort mit den überzähligen Tracks von «Unlocked And Reloaded» und «Taste It» eine weitere Scheibe veröffentlichen. Das zeigt, wie stark der kreative Flow bei uns ist. Du kannst kreativ sein, aber man muss die Songs auch noch aufnehmen, und dahinter steckt immer ein Zeitfaktor. Wären wir alle mit unseren Hauptbands auf Tour gewesen, ich mit Bonfire, Jack mit Tygers Of Pan Tang und Ernesto mit Gotthard, dann wird es schwieriger, ein neues Album fertig zu stellen. Unabhängig von Corona war der kreative Prozess so oder so sehr hoch.
MF: Ist das neue Album «The Essence Of R'n'R»?
Frank (grinsend): Für uns schon (lacht)! Den Slogan verwenden wir seit dem ersten Album. Was wir verdeutlichen wollen, ist, wie wir die Essenz finden, in ein zeitgemässes Gewand packen und unterschiedliche Einflüsse dazu nehmen. Bei den Melodic Heavy Rock Bands sind die Lieder sehr gleichförmig. Die verkörpern die typischen AOR-Sounds von vorne bis hinten. Bei uns hörst du aber einen Classic Rock Song, dem wir eine funkige Note verleihen. Es gibt achtziger und sechziger Einflüsse. Damit meinen wir «The Essence Of R'n'R». Es geht nicht um dieses Schubladendenken, sondern für verschiedene Einflüsse die Türen offen zu lassen und daraus musikalisch den Rock'n'Roll zu leben. Die Idee, diesen Track so zu betiteln, kam von Jack. Es war der erste Song, den wir für das Album schrieben, damals zu dieser Lockdown Corona Zeit. Die geplanten Shows mussten verschoben werden. So verfasste Jack einen Text, dass wir alle die Essenz des Rock’n'Rolls, heisst das Live-Spielen und -Touren vermissen.
MF: Ein weiterer Song auf dem neuen Album ist «Coffee, Whisky And Rock'n'Roll». Sind die Zeiten von "Sex, Drugs And Rock'n'Roll" vorbei?
Frank: In dem Klischee, wie man es aus den Achtzigern kennt, mit Sicherheit. Das liegt im Endeffekt auch daran…, die Bands, welche damals in den Siebzigern und Achtzigern Musik spielten, waren jünger wie auch die Fans oder die Groupies (grinst). Es kam nicht viel an jungen Truppen nach, welche den gleich grossen Erfolg feiern konnten. Die Fans und die Combos altern zusammen (grinst). Die sind, so glaube ich, alle vernünftiger geworden (lacht). Abgesehen davon leben wir in anderen Zeiten. Früher hast du mit dem Verkauf deiner Platten so viel verdient, da konntest du locker einen Fernseher aus dem Hotelfenster schmeissen. Das wurde damals mit den Verkäufen alles abgedeckt (lacht). Heute ist alles viel schmaler, was die finanzielle Seite angeht. Da reicht es nicht mehr aus, etwas kaputt zu machen (lautes Lachen). Das ist alles vorbei, wie auch die Zeiten der Rockstars. Viele Leute sagen immer wieder: "Hey, ihr seid doch Rockstars?!", aber die gibt es nicht mehr. Ausser die, welche aus den alten Zeiten noch leben, wie Ian Paice, Robert Plant, Steven Tyler und Joe Perry. Aber Rockstars in dem Sinne…, ne (lacht)! Diese Vorstellung…, man verbindet auch was Spezifisches damit. Dieses Leben ist in der Form heute nicht mehr möglich.
MF: Ein passenderes Cover als jenes von «Taste It» gibt es nicht zu diesem Sound, oder?
Frank: Das freut mich, dass du das sagst. Es bestätigt mich darin, dass die Idee gut war. Die Story dazu ist…, für das zweite Album hatte ich die Idee und es war das allererste Cover für die Scheibe. Es war nur ein Whisky Label ohne Flasche, mit dem Sainted Sinners Logo und ein paar Whisky typischen Slogans wie "100 % Rock'n'Roll" zu sehen. Die Plattenfirma fand die Idee allerdings nicht toll und lehnte ab. Sie waren der Meinung, dass zu viel Information zu sehen sei. Deswegen wurde das Cover damals nicht realisiert. Die Idee blieb jedoch in meinem Hinterkopf, weil ich sie cool finde. Für «Taste It» konnte man die Grundidee jetzt neu konzipieren. Ich bin ehrlich, Rock'n'Roll lebt von Klischees, und da stehen wir auch total dazu. Aus diesem Grund auch «The Essence Of R'n'R». Wir sind eine Rock'n'Roll Band, und darum finde ich das Cover zu «Taste It» auch nicht sexistisch. Oder hat jemals jemand behauptet, dass das Cover eines Whitesnake Albums sexistisch ist? Wie «Lovehunter»? Mit der weiblichen Zunge und der Whisky Flasche, da passt der Titel «Taste It» doch perfekt dazu.
MF: Sind es manchmal nicht bloss die einfachen Dinge, die eine Platte und deren Sound sehr plakativ beschreiben können?
Frank: Ganz klar! Die Lieder die wir schreiben entstehen sehr schnell, wie auch das Cover. Du musst eine Idee haben und diese umsetzen. Die eigene Kreativität ist oftmals viel mehr wert als ein grosses Budget. Man kann mit relativ schlichten Mitteln ganz tolle Dinge kreieren. Das Cover ist ein Foto, das farblich bearbeitet wurde. Die einfachen Sachen sind oftmals die richtigen, was Rock'n'Roll angeht und ihn zu beschreiben (lacht).
MF: Denkst du, dass du mit Sainted Sinners eigentlich drei bis vier Jahrzehnte zu spät am Musizieren bist?
Frank: Ganz klar, wenn man sich die Entwicklung des Musikgeschäfts anschaut…, ich habe deine Frage schon oft gehört. "Hättet ihr den Song in den Achtzigern veröffentlicht, wäre der zum Hit geworden!" Ist so, aber ich wurde 1977 geboren (lacht) und konnte in den Achtzigern noch nicht gross mitmischen (lacht). Wir sehen dies auch so, aber es hilft nichts nun Trübsal zu blasen. Klar, hätten wir «Taste It» 1987 veröffentlicht, wäre die Scheibe vielleicht gross eingeschlagen. Wenn uns dies Leute sagen, ist es auf jeden Fall ein grosses Kompliment. Aber das Musikgeschäft hat sich dermassen verändert, es sind einfach andere Voraussetzungen da. Damit muss man klar kommen.
MF: Frank, besten Dank für das Interview. Hoffen wir, dass Sainted Sinners die Essenz des Rock'n'Rolls bald wieder auf den Bühnen vermitteln können.
Frank. Ich sage vielen Dank, es waren coole Fragen und hat Spass gemacht. Freut mich, dass dir unser neues Album gefällt. Es wird Zeit, dass wir uns wieder mal bei einer Show treffen können. Das müssen wir 2022 hinkriegen (grinst).