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"...dass wir unsere Energie nicht auf der Bühne ausleben konnten, sondern diese in die neuen Lieder gesteckt haben..."
Was hat Peter "Peavy" Wagner in seinen 37 Jahren mit Rage nicht schon alles erlebt?! Eine Namensänderung, die ersten Erfolge in der Trio-Besetzung mit Manni Schmidt und Chris Efthimiadis und die wohl erfolgreichste Zeit mit «Black In Mind», «End Of All Days» sowie dem Orchester-Werk «XIII». Aber plötzlich stand der singende Bassist ohne Band da, als er für «Ghosts» im Studio war. Oder, dass er von seinem Gitarristen fast aus der eigenen Truppe gedrückt wurde. Es brauchte lange, bis Peavy sich dagegen wehren konnte und einen Neuanfang mit Marcos Rodriguez (Gitarre) und Vassilios «Lucky» Maniatopoulus wagte, der sich sehen wie hören lassen konnte. Die alte Stärke kehrte zurück und Rage waren endlich wieder eine Einheit, bei welcher der Song im Mittelpunkt stand und nicht ein selbstverliebter Gitarrist. Nach dem sagenhaften «Wings Of Rage» steht nun «Resurrection Day» in den Startlöchern. Ein Album, welches seinen Vorgänger in den Schatten stellt und dies trotz dem Wechsel an der Gitarre.
MF: Wieso hat euch Marcos verlassen?
Peavy: Es waren private Dinge. Aus diesem Grund musste er Deutschland verlassen und wieder nach Teneriffa ziehen. Die Probleme schienen sich aber nicht zu lösen, so dass er leider aussteigen musste. Marcos hat mich gebeten, ihn gehen zu lassen. Es sind rein private Angelegenheiten und ich habe ihm versprochen, die in der Öffentlichkeit nicht breit zu treten. Wir sind nach wie vor sehr gute Freunde.
MF: Ihr wart auf der Bühne immer eine Einheit, die sehr viel Spass hatte…
Peavy: …ja, das war auch so (grinst). Darum hat mir diese Trennung so weh und für ihn leid getan. Es ist schade, auch um ihn als Musiker. Manchmal gibt es Dinge, die muss man akzeptieren.
MF: War schnell klar, dass du wieder mit zwei Gitarristen weiter machen willst?
Peavy: Der Plan bestand schon vorher (grinst). Im Dezember 2019 überlegten wir uns, dass wir 2020 Stefan in die Band holen. Er hat bei Marcos und seiner Dio Coverband mitgespielt. Dieser zweite Gitarrist hat sich schon in den vorherigen Jahren heraus kristallisiert. Speziell, als wir die Jubiläums-Tour zu «Black In Mind» spielten. Oftmals half uns ein Gastgitarrist aus. Aus den Diskussionen entschieden wir einen zweiten Mann an der Klampfe in die Band zu holen. Es steht nirgends geschrieben, dass wir ein Trio sein müssen (lacht). Die ersten Gigs zu «Wings Of Rage» spielten wir noch zu dritt, weil das Album auch in dieser Konstellation eingespielt wurde. Geplant war, Stefan im Sommer 2020 zu integrieren. Marcos verliess uns und Stefan stieg ein. Jean ersetzt dann Marcos.
MF: Wie hast du Stefan und Jean gefunden?
Peavy: Stefan kenne ich schon ewig (grinst). Wir waren schon auf Tour zusammen, als er in einer Support-Band spielte. Jean lernte ich in Duisburg kennen. Wir trafen uns auf einem Festival und sprachen zusammen. Ich erinnerte mich an ihn als tollen Gitarristen und feinen Kerl (grinst). Daraus entstanden die ersten Proben mit den "Neuen". Lucky und ich wollten heraus finden, wie sich die beiden verstehen. Es ist wichtig, dass sie gut miteinander klar kommen und kein Konkurrenzkampf entsteht. Mit Stefan und Jean funktioniert das Ganze sehr, sehr gut! Stefan arbeitet schon seit Jahren in unserer Agentur. Mittlerweile ist Jean auch angestellt (lacht). Alles bleibt in der Familie!
MF: Muss man bei Line-up Wechseln immer wieder ein paar Schritte zurück gehen, weil es wie ein Neuanfang ist, da neue Mitglieder integriert werden müssen?
Peavy: Puh (lacht)…, das ist immer sehr unterschiedlich. In diesem Fall war es für mich nicht ein Neustart. Lucky, mein Trommler, ist schon seit ein paar Jahren dabei. Darum hat sich vom Feeling her nicht viel verändert. Jetzt sprechen wieder alle Deutsch in der Band. Das macht die Kommunikation um einiges einfacher. Die beiden haben sich echt sehr gut eingefügt. Wir haben, bedingt durch die Pandemie, früher mit dem Songwriting begonnen, und das hat sich sehr fruchtbar entwickelt. Jean und Stefan verstanden sofort, um was es bei Rage geht und was wichtig ist. Die Grundskelette für die neuen Lieder waren schon komponiert. Lucky hat sich ins Songwriting eingebracht und die Neuen haben sich wirklich toll eingefügt. Das war eine richtig gute Teamarbeit und hat total Spass gemacht. Vielleicht auch, weil wir keinen Zeitdruck hatten (lacht). Seit ein paar Jahren orientieren wir uns wieder mehr an den Alben der neunziger Jahre. Diesen Weg haben wir auf «Resurrection Day» weiter geführt. Die neue Scheibe knüpft sehr gut an seine Vorgänger an. Die Merkmale von Rage sind sofort erkennbar und trotzdem weist das Album sehr viel Frische auf. Das liegt vielleicht auch daran, dass wir unsere Energie nicht auf der Bühne ausleben konnten (lacht), sondern diese in die neuen Lieder gesteckt haben (lautes Lachen). Wir haben unseren Veröffentlichungsturnus beigehalten. Klar, durch die Pandemie konnten wir nicht touren. Aus diesem Grund stecken wir früher als geplant im Songwriting. Hätten wir etliche Monate gespielt, wären wie auch mit einem neuen Werk später ans Tageslicht getreten. Wir sind aber immer sehr schnell mit neuem Material (lacht).
MF: Hattest du einen Masterplan, wie das neue Album zu klingen hat?
Peavy: Die Grundstrukturen der Songs standen schon, ähnlich wie damals bei der «Wings Of Rage». Vom Sound her wurde ich positiv überrascht. Dani hat uns zum ersten Mal beim Mischen geholfen. Er ist unser langjähriger Live-Mischer, er kennt Rage sehr gut und betreibt sein eigenes Studio in Spanien. Keine Ahnung, wieso wir ihn vorher nie gefragt haben…, Lucky kam mit dieser Idee ums Eck. Da haben wir im Vergleich zu seinem Vorgänger echt einen drauf gesetzt.
"...Dadurch entstand auch das Begehren nach anderem Besitz, daraus entstanden Konflikte und die ersten Kriege..."
MF: Was willst du uns mit «Resurrection Day» sagen?
Peavy: Vor 10'000 Jahren haben die Menschen ihr Grundverhalten verändert. Damals waren sie Nomaden, haben gejagt und gesammelt. Sie lebten mit der Natur. Dann wurden sie sesshaft, betrieben Landwirtschaft und starteten mit der Tierzucht. Der Besitzanspruch wurde immer grösser. Dadurch entstand auch das Begehren nach anderem Besitz, daraus entstanden Konflikte und die ersten Kriege. Aus der Steinzeit ist es nicht bekannt, dass sich die Leute bekriegten. Dieser "turning point" vom Leben mit der Natur zu einem Eingriff in die Natur…, das ist in meinen Augen der Ursprung von all den Problemen, die wir heute haben. Die Konflikte und die Umweltzerstörung wurzeln in dieser Verhaltungsänderung. Davon handeln die Songs in verschiedenen Unterthemen von damals bis heute. «Resurrection Day» ist eigentlich das Ende der Geschichte. Der Track eröffnet das Werk, aber er beschreibt die Situation von heute. Wie stellen wir die Weichen für eine positive Zukunft, in der wir unsere Probleme wieder in den Griff kriegen oder für den Untergang sorgen? Entscheiden wir uns falsch, werden wir den ganzen Karren an die Wand fahren.
MF: Klingt wie ein roter Faden. Wie schwer ist es für dich, diesen aufrecht zu halten und die Lieder dazu zu komponieren?
Peavy: Das hat sich ganz gut zusammen ergeben. Der Titelsong war der Einstieg und daraus entstand die Grundidee. Die weiteren Songtitel dachte ich mir aus, um einen Faden zu spinnen. Nach und nach ergaben sich die weiteren Songs dazu. Das mit den Jungs auszuarbeiten war nicht mehr so schwer.
MF: Wie wichtig ist es für dich, eine Message mit den Texten mitzugeben?
Peavy: Ich sags mal so (grinst). Ich habe lieber Musik mit sinnvollen Texten (lacht), einer Aussage. Das muss aber nicht immer ein Konzept sein. Das kann durchaus einfacher sein oder dass verschiedene Themen miteinander verknüpft werden. Hauptsache es sind keine Liebestexte (grinst) oder etwas Belangloses wie "Metal never dies" (lacht).
MF: Wie gefährlich ist es, mit den Texten missverstanden zu werden?
Peavy: Das kann immer passieren. Ich schreibe so, dass das jeder für sich interpretieren kann. Wenn jemand meine Texte liest, wird es Sinn ergeben. Viele Fans achten auf die Lyrik. Ich mache mir aber vorher keinen Kopf über die Texte, sondern schreibe mir meine Ideen auf. Da gibt es nichts, was ich schon seit Jahren los werden wollte (grinst). Sonst hätte ich es schon längst umgesetzt (lacht).
MF: Gibt es eine Geschichte zum Bandnamen?
Peavy: Ursprünglich hiessen wir Avenger. Zeitgleich gab es eine andere Truppe aus England, die sich gleich nannte. Die waren bei NEAT Records unter Vertrag (lacht). Zuerst waren wir bei Wishbone Records unter Vertrag und wechselten zu Noise Records. Karl Walterbach, der Chef des Berliner Labels, bestand darauf, dass wir uns einen anderen Namen zulegen. Wir suchten uns Furious Rage aus. Eigenmächtig hat Karl dann den Namen auf Rage gekürzt. Wir wurden nicht gefragt, und das war bei Noise Records üblich. Für die Bands die er unter Vertrag nahm, suchte er sich andere Namen wie auch andere Covers aus. Da wurde nicht diskutiert, sondern umgesetzt und gemacht (lacht). Ich erinnere mich noch, wie ich damals unser erstes Album «Reign Of Fear» im Plattenladen sah. Uns wurde logischerweise kein Belegexemplar zugeschickt (lacht). So wurde man damals behandelt (lacht). Ich komme also in diesen Plattenladen und falle fast vom Glauben ab, weil auf dem Cover nur noch Rage stand (lacht).
MF: Dann hattest du irgendwann vom Business, Plattenfirmen oder Managern die Nase gestrichen voll?!
Peavy: Das auf jeden Fall. Heute läuft dies wesentlich respektvoller ab. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass der Walterbach sich über die ganzen Musiker kaputt gelacht und für doof gehalten hat. Einfach, weil wir keine Ahnung vom Geschäft hatten. Wahrscheinlich hätte er statt Platten auch Waschmaschinen verkaufen können (lacht). Aber dank Noise Records und SPV ist die deutsche Metal-Szene damals so gross geworden. Okay, wenn sie es nicht gemacht hätten, dann vielleicht andere (grinst)!?
MF: Welches Fazit ziehst du nach 37 Jahren mit Rage?
Peavy: Ich bin sehr dankbar, dass ich dies in all den Jahren ausüben konnte. Das war und ist ein Superleben (lacht). Von Beginn weg konnte ich mein liebstes Hobby zum Beruf machen und davon leben. Wer kann das schon von sich behaupten? Das ist ein Riesengeschenk des Universums. Dafür bin ich sehr dankbar! Auch wenn die ersten Jahre, wirtschaftlich gesehen, sehr schwierig waren und wir kein Geld verdienten. Das war erst 1987 / 1988 soweit. Vorher steckten wir mehr in die Combo rein, als dass wir davon profitieren konnten. Da wir keine regulären Jobs hatten, war es schwierig für uns, wie wir durch den Alltag kamen. Schlafen im Probenraum war keine Seltenheit (lacht).
MF: Peavy, besten Dank für das Gespräch und ich hoffe, dass wir uns bald wieder auf Tour sehen…
Peavy: …das hoffe ich auch, aber wer weiss schon, was in ein paar Monaten sein wird? Danke dir! Hoffen wir, dass wir uns bald wieder sehen. Lass es dir gut gehen.