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"...drei Wochen Kopfschmerzen und kommst davon nicht runter. Das war die Zeit des grössten Kaffeekonsums meines Lebens..."
Der letzte Ton der "United Forces Tour" ist gespielt, und nach seinem Urlaub, sprich kurz bevor sich die Jungs der Kürbis-Köpfe aufmachen am kommenden Studio-Album zu schreiben, nahm sich Sänger Andi Deris Zeit für eine gemütliche Plauder-Stunde.
Die immensen Erfolge, die Helloween seit der Wiedervereinigung 2017 mit Michael Kiske (Gesang) und Kai Hansen (Gitarre, Gesang) feiern konnten, gehen noch immer ungebremst weiter. Wie sich dies für Andi nach Corona und den letzten sechs Jahren anfühlt, respektive wie er seine Zeit bei der Truppe heute sieht, das berichtet der wie immer frisch von der Leber weg plaudernde Sänger im folgenden Interview.
MF: Wie waren die Reaktionen auf die "United Forces Tour" im Vergleich zur "Pumpkins United" Konzertreise?
Andi: Ich finde, die letzte war noch ein bisschen euphorischer. Das liegt aber nicht an uns, sondern daran, dass man wieder Konzerte besuchen konnte. Und wir haben das Ganze nicht kaputt gemacht (lautes Lachen). Die Leute hatten teilweise Tränen in den Augen und sind dieses Mal genau so mitgegangen. Okay, vielleicht noch ein bisschen mehr, einfach weil sie nach COVID-19 endlich wieder raus konnten. Darum können wir nicht sagen, dass es dieses oder letztes Mal besser war.
Bei den ersten Shows war ich selig, dass ich wieder die Bühne betreten konnte, denn was soll ich sonst machen? Ich habe zu meiner Süssen schon gesagt, dass ich all die Maschinen wieder aktiviere und einen auf Schreiner mache (lacht). Das macht auch Spass. Ich mache das wirklich gerne, aber weisst du, wenn man Musik spielt, darf man einen solchen Erfolg nicht erwarten.
Wenn man sein Leben danach ausrichtet, dann hat man schon eine Schraube locker (grinst). Der Erfolg sollte schon klappen, es gibt auch Ausnahmen (lacht). Ausser du bist Amerikaner, unterschreibst zu Beginn den Riesendeal, der dich für die kommenden zwanzig Jahre absichert. Aus Europa kennt man dies so nicht. Kommst du nicht aus den Staaten, dann musst du als Musiker noch ein bisschen wahnsinniger sein, wenn du mit der Musik alles auf eine Karte setzt (lacht).
Wäre ich nicht Musiker geworden, dann würde ich sicher mit Holz arbeiten. Das ist eine andere Art von Kreativität. Ich schaue nicht im Internet nach irgendwelchen Bauplänen, sondern überlege mir, wie ich was kreieren würde. Meistens funktioniert es, und bis jetzt ist noch nichts zusammen gekracht (lacht).
MF: Hast du dir dein Studio selbst gebaut?
Andi: Da habe ich viel mitgeholfen. Ehrlich gesagt, habe ich mir das nicht zugetraut oder wollte, feige wie ich bin, mir nicht selbst in den Arsch treten, wenn etwas schief läuft (lacht). Es war schon gut, dass die Engländer das Szepter in den Händen hielten. Ich hatte Hilfe von einem einheimischen Schreiner, einen der Geilsten, die ich je getroffen habe. Unfassbar, was für ein Talent das ist, und er lebt seinen Job auch! Da stand er also da, hat sich die Studio-Fenster angeschaut und sich zehn Minuten lang selbst beweihräuchert (lacht).
MF: Als du bei Helloween eingestiegen bist, war es schwer damals für dich, Michi (Michael Kiske) zu ersetzen?
Andi: Ja und Nein. Zu Beginn habe ich mir überhaupt keine Sorgen gemacht. Das Problem war, dass das Studio vom Management schon 23 Tage nach meinem Einstieg gebucht worden war. Als neuer Shouter musste ich also in knapp drei Wochen Flagge bekennen. "Chateau Du Pape", eines der teuersten Studios in Hamburg, und da ging mir der Arsch schon ein bisschen auf Grundeis. Weiki (Michael Weikath, Gitarre) und ich haben uns fast wie ein altes Ehepaar 24/7 gesehen, ausser beim Pennen.
Selbst wenn wir einen kurzen Break brauchten und in unserer Stammkneipe in St. Pauli einen Kaffee tranken, komponierten wir weiter. Das war über drei Wochen die volle Kreativität. Es musste so sein und ging nicht anders. Da hatte ich keine Gedanken, dass ich Michi ersetzen musste, sondern es ging um die erste Helloween-Scheibe («Master Of The Rings») mit mir. Komischerweise hat das geklappt, heisst es kann durchaus was Brauchbares heraus kommen, wenn man unter Druck arbeitet (grinst).
Wünschen tue ich diesen Druck niemandem (grinst). Da hast du echt drei Wochen Kopfschmerzen und kommst davon nicht runter. Das war die Zeit des grössten Kaffeekonsums meines Lebens (lacht). Danach kam der Nachschlag mit der süssen Geschichte. Als die Platten ausgeliefert wurden, riefen die vier Tage später aus Tokyo an und verkündeten, dass wir eine Gold-Auszeichnung erhalten würden.
Weiki und ich sassen beide auf dem Rücksitz eines Audis auf dem Weg zu einem deutschen Radiosender für ein Interview. Wir schauten uns an und fragten: "Wie geht das denn? Die Scheibe ist noch gar nicht veröffentlicht!" Durch die Vorbestellungen! Das war ein Traumstart, und als es an die Vorbereitung zur Tour ging, musste ich dann die Songs von Michi einstudieren. "Oh Alter, da musst du dich einer Herausforderung stellen" (lacht). Zuerst versuchte ich, wie Michi zu singen. Weiki meinte nur, dass er sieht, wie ich mich unwohl fühle und ich die Tracks so singen soll, wie ich es machen würde.
Ja gut, aber dann klingen die Lieder härter. Das war für mich, Gott sei Dank, der Rückhalt so zu singen, wie ich es gewohnt bin. Klingt es anders als bei Michi, dann ist es so. Hauptsache der Song ist erkennbar (lautes Lachen). Bei meinen Tracks hatte ich keine Probleme. Wobei, ohne Michi zu kennen, habe ich ihn zu der Zeit logischerweise verflucht. Nicht als Person, sondern als Sänger. Alter, das ist echt schon geil, wie der da abliefert, das kriege ich so nicht hin.
it einer anderen Gesangs-Technik wäre es vielleicht umsetzbar gewesen, wahrscheinlich aber eher nicht, denn Michi ist Michi. Ich habe früh gesagt "fuck it!", ich mache es so, wie ich es kann. Ich kann und will mich nicht verstellen. Als Michi dann zur Band zurück kam, habe ich innerlich drei Kreuze gemacht. Geil, jetzt ist der Sack da, soll er seine Scheisse wieder selbst singen (lautes Lachen).
"...bei der zweiten, gemeinsamen Tour herrschte Friede, Freude, Eierkuchen, und alle hatten Spass dabei..."
MF: Hat sich diese Reunion mit Michi und Kai schon früh angekündigt, respektive war dies schon ein Thema, als Helloween zusammen mit Gamma Ray 2007 und 2013 getourt sind?
Andi: Ja, das war ein Testballon damals, um zu sehen, wie sich das mit Kai anfühlt. Das lief erstaunlich gut, und die Zwistigkeiten haben die alten Herren zur Seite gelegt. Speziell bei der zweiten, gemeinsamen Tour herrschte Friede, Freude, Eierkuchen, und alle hatten Spass dabei. Ab dem Zeitpunkt war es "klar", dass zumindest Kai wieder zu Helloween zurück kehren sollte. Man merkte, dass er Bock darauf hatte.
Auch weil er mitgekriegt hat, dass wir fünf untereinander super miteinander klarkommen und eine gute Zeit haben. Es ist immer schön, wenn man merkt, dass man in eine intakte Band hinein kommt. Sind da Intrigen zu spüren, dann hätte zumindest ich keinen Bock auf sowas, und Kai sicherlich auch nicht. Es war naheliegend, dass man auf Michi zugeht, denn das wäre der Knaller, wenn er auch wieder dabei wäre. So wären die sieben Schlüssel (angelehnt an das Album «Keeper Of The 7 Keys») zusammen, und man könnte loslegen.
Es war damals ein spannendes Gespräch, und ich weiss, dass es Michi echt brutal spannend fand. Er wollte hören, was dabei heraus kommt und hat dann, nach den letzten sieben oder acht Gesprächen die sich um dieses Thema drehten, überraschend gesehen, wie geil das Feeling bei Helloween ist. Alle sind cool und haben einander lieb, keiner geht sich an die Gurgel.
Ich habe das Gefühl, dass er sich sehr schnell wohlgefühlt hat. Die Berührungs-Ängste mir gegenüber waren weg. Fliegst du aus der Band und ein Neuer kommt rein, ist "der" das Feindbild. Ich konnte für das Ganze nichts (grinst). Weiki und später Markus riefen mich nach der Trennung an. Die müssen sich damals richtig an die Kehle gegangen sein. Jung und dumm halt. Aber es musste mit Helloween irgendwie weiter gehen. Ich war unschuldig, ich konnte nichts dafür (lacht).
MF: Ich bin mit «Master Of The Rings» und dank dir zum Helloween-Fan geworden. Ab diesem Album habt ihr euch immer verbessert und nochmal einen draufgelegt. Ich war überrascht, dass ihr euch für diese Reunion entschieden habt, denn es lief richtig gut, und mit «My God-Given Right» besser denn je!
Andi: Das war eine geile Zeit! Aber da das Thema schon seit Jahren im Gespräch war und wir uns sicher waren, dass es eine geile Idee ist, musste man langsam loslegen. Mit 65 Jahren kannst du dies nicht mehr starten. Wir können mit 65 noch auf der Bühne stehen, aber in so einem Alter eine "Pumpkins United Tour" zu beginnen, braucht vielleicht niemand mehr.
Darum war der Zeitpunkt sicher gut gewählt, weil man weiss, dass uns noch zehn bis fünfzehn Jahre bleiben. Vielleicht auch länger, wenn wir unsere Idole betrachten, die noch immer auf den Bühnen rocken und herum hoppeln. Diese als Vorbild, dann stehe ich in zwanzig Jahren noch auf der Bühne. Ja, wieso auch nicht (grinst). Solange es Spass macht, man fit und gesund ist, ist das eine coole Nummer. Wieso soll ich von meinem Hobby in Rente gehen (grinst)?
"...Wir haben uns auf der Bühne schon fast vor Lachen in die Hosen gepisst, weil der eine den anderen darauf hinweisen musste, dass nun sein Part kommt..."
MF: War es von Beginn an klar, dass dies eine längerfristige Geschichte werden soll?
Andi: Nein, wir wollten diese "Pumpkins United" Konzerte spielen, damit die Fans sagen können: "Ich habe Bock, Helloween wieder mit Kiske und Hansen zu sehen." Wir jonglierten mit den Zeiten, als Kai, Michi und ich Leadsänger bei Helloween waren. Ich denke, das haben wir ganz gut hingekriegt, mit dem Hansen-Medley sowie dem abwechselnden wie gemeinsamen Gesang von Michi und mir.
Uns macht es Spass, und ich denke, den Fans auch, weil sie sehen, dass wir Spass haben. Wir haben uns auf der Bühne schon fast vor Lachen in die Hosen gepisst, weil der eine den anderen darauf hinweisen musste, dass nun sein Part kommt, dieses "du"…, "ich"…, ja was denn nun (lacht)?! Das ist schon geil.
MF: Welches war für dich die schwierigste Zeit in deiner Karriere?
Andi: Ich würde sagen, nach «Games People Play» mit Pink Cream 69. Da war ich so enttäuscht, dass ich dachte, ich hänge die Musik an den berühmten Nagel. Ich war ein Romantiker im Sinne von Bands. Mit Freunden die Welt zu erobern. Allein..., keine Ahnung. Das würde mir eher Angst machen, weil ich darauf keinen Bock habe. Meine Kumpels und ich reisen um die Welt und machen Musik. Pink Cream 69 war für sieben Jahre absolut mein Ding.
Bis sich die ganze Band gegen mich wendete und sagte: "Wir wollen deine Musik nicht mehr!" Sie wollten in die Richtung von Alice In Chains und Metallica, und ich dachte nur, dass sie einen Vogel haben. Wir hatten Top-10 Alben, die unter anderem bis auf den zweiten Platz in den japanischen Charts eingestiegen sind, aber wahrscheinlich ging alles zu schnell. Plötzlich wollten sie diesen erfolgreichen Kurs verlassen. Ich bin selbst Fan von KISS, Judas Priest und anderen Truppen.
Ich würde aber nie hingehen und diese Bands kopieren. Da schaue ich lieber ob es einen Weg gibt, bei dem ich mich durchschummeln kann, der aber meinem entspricht. Das ist heute um einiges schwieriger, doch in den Endachtzigern war dies noch einigermassen möglich. Sich so zu formen, dass die Fans sagten, das hört sich wie Pink Cream 69 an. Wieso man ein solches Trend-Mark wegwerfen wollte, verstand ich nicht und verstehe es bis heute nicht.
Ich habe mich mit den Jungs lange unterhalten, und die Quintessenz war: Wir waren jung und dumm (lacht). Ich stand nach dem Rauswurf da und fragte mich, wie geht es weiter? Zwei Tage später rief Weiki an. Er fragte mich schon bei «Pink Bubbles Go Ap», und da fing die Krise bei Helloween erst richtig an. Kai stieg damals aus, und daran zerbrach die Truppe. Mit Roland (Grapow) war der falsche Gitarrist in die Band gekommen. Er ist nicht unbedingt ein sozialer Mensch, und die Intrigen nahmen ihren Lauf.
Michi war damals leider derjenige, der es büssen musste. Ich habe vieles mitgekriegt und auch mit Michi lange wie viele Gespräche über diese Vergangenheits-Bewältigung geführt. Michi war der Lückenbüsser oder der Bestrafte, der nicht schuldig war. Am Schluss hatte sich heraus gestellt, dass Roland der Intrigant war, wie auch zu «The Dark Ride» Zeiten (2000), als er gehen musste, weil da auch finanziell noch einiges im Argen lag.
Im Nachhinein war das gut, weil man es Schwarz auf Weiss hatte, dass er ein Arsch ist. Seine Bandkollegen um so viel Geld zu betrügen, mit denen du die ganze Zeit auf der Bühne stehst und zu gleichen Teilen alles teilst. Das geht mir bis heute nicht runter und wird mir auch nie runter gehen. Kommen Fragen auf, ob Roland jemals bei der Reunion mitmacht…, das ist für mich kein Thema, garantiert nicht!
"...alles Friede, Freude, Eierkuchen und die Welt so toll ist. Parallel wird dir deine Kohle weggeklaut. So ist es leider...."
MF: Wie schwer war diese Einsicht für dich, zu wissen, dass es nicht immer diese fünf Freunde sind, die man sein möchte, und es nicht nur ums Musikspielen geht, sondern auch ein Geschäft dahinter steckt, bei dem es ums Geld geht?
Andi: Das war von Anfang an schon ziemlich scheisse. Ich kenne keine Band, die nicht Lehrgeld zahlen musste und warum jede Truppe in ihren Anfangszeiten dermassen über den Tisch gezogen wurde. Man ist auf Tour, alles ist neu, und der Wow-Effekt ist grenzenlos, weil man dies alles bisher nur im Fernsehen sah, und plötzlich ist man selbst ein Teil davon. Jeden Abend vor neuen Leuten zu spielen. Da kommst du nicht auf den Gedanken, man verdient damit auch Geld. Was läuft denn da? Nach einem Jahr oder vierzehn Monaten kommst du wieder nach Hause, wie damals bei uns, und stellst fest, dass geldtechnisch nichts stimmen kann.
Vor meiner Zeit mussten Helloween dies noch viel mehr büssen. Damals ging es um zig Millionen. Die Jungs sind betrogen worden und haben das Geld nie gesehen. Ich kenne keine Band, die bekannt wurde, die nicht sagt, dass sie zu Beginn nicht beschissen worden sind. Da wird jeder Produzent und sowieso jeder Manager…, die wissen genau, was sie machen. Die Musiker sind in ihrem Ding drin und leben den Rock'n'Roll Lifestyle. Die kümmern sich nicht darum. Leider stimmt dies auch!
Erstens hast du als Musiker keine Zeit dazu, weil du unterwegs bist, und zweitens kommst du nicht auf solche Gedanken, weil alles Friede, Freude, Eierkuchen und die Welt so toll ist. Parallel wird dir deine Kohle weggeklaut. So ist es leider. Das Traurige dabei ist, dass viele geile Truppen nach der zweiten Scheibe nicht mehr weiter gemacht haben.
Bei Stammtisch-Diskussionen mit den Kumpels habe ich immer wieder gehört: "Wow, das war so eine geile Band, aber nach der zweiten oder dritten Scheibe kam da nix mehr, und sie haben sich aufgelöst! Wie bekloppt sind die denn?" Nun ja, das waren sie nicht, denn sie konnten gar nicht anders. Hätten sie eine weitere Platte aufgenommen, wären sie superverschuldet gewesen, da sie vom Label und dem Manager komplett über den Tisch gezogen wurden.
Selbst wenn sie Millionen von Scheiben verkauften, sahen sie nie Geld dafür und mussten für die nächsten Produktionen alles aus der eigenen Tasche bezahlen. So verschuldeten sich, und deshalb mussten sie sich unter dem Bandnamen natürlich auflösen. Der Vertrag ist an den Namen gebunden, und darum sind viele Combos nicht über die erste oder zweite Platte hinaus gekommen.
MF: Welches der Helloween-Alben mit dir war für dich die schwierigste Geburt beim Komponieren?
Andi: Das war «Keeper Of The Seven Keys – The Legacy» (2005). Da war das erste Mal der Druck da, wenn auch nicht so heftig. Die Plattenfirma hatte die Idee zu diesem Album, und darum musste das Material auch irgendwie in diese «Keeper Of The Seven Keys» Richtung gehen. Vorher haben sich Weiki und ich keine Gedanken dazu gemacht. Wir hatten Spass beim Schreiben und waren der Meinung, das rockt.
Komponieren wir und haben nicht einen komplett verdrehten Geschmack, was wir zum Glück nicht haben, müsste das, was uns gefällt, den Fans eigentlich auch munden (grinst). Das ist die Hoffnung, die man hat. Persönlich war es noch nie so, dass ein Rock-Song, den alle geil fanden, mir nicht gefiel. Ich bin sowas von Otto normal, dass ich mich darauf verlassen kann, dass meine Ideen den Menschen gefallen. Hoffe ich zumindest (lacht) und dass dies immer so bleibt.
"...Mit jeder Note, die aufgenommen wurde, habe ich mitgelitten...*
MF: Welches war für dich das beste Helloween-Album mit dir?
Andi: Ich finde alle ziemlich geil, und muss ich ja sagen als Hauptsong-Schreiber (lacht). Weil das Herzblut brutal intensiv war, sind es aber die ersten beiden Scheiben «Master Of The Rings» (1994) und «The Time Of The Oath» (1996). Mit jeder Note, die aufgenommen wurde, habe ich mitgelitten. Das ist auch dem Umstand geschuldet, weil beide Alben noch analog aufgenommen wurden. Ich habe meine Sachen auf den Scheiben mit mir als Sänger und ab und zu als Gitarrist aufgenommen.
Analog ist jedoch eine komplett andere Nummer! Du machst dich morgens fit, denn es kommt auf deine Performance an. Heute bastelst du dir die Scheisse zusammen, Stück für Stück. Das gab es damals nicht. Das Aufnahme-Band hat nach vierzehn bis fünfzehn Takes angefangen scheisse zu klingen, und du hast zehn Takes für einen vollen Sound gehabt. Nichts von wegen wir singen jetzt bis zu zehn Spuren ein, suchen uns dann das jeweilig Beste heraus und puzzeln alles zusammen. Das gab es einfach nicht!
Autotune ebenso wenig, heisst ich musste schon einigermassen gut singen (lacht). Sitze ich heutzutage in meinem Studio und nehme andere Sänger auf, denke ich mir lächelnd ab und zu schon: "Nun, mit dieser Leistung wärst du in meiner Zeit nicht durchgekommen". Schick ich ihn eine Stunde hinaus, hat er danach ein Ergebnis, das gut klingt. Das kann so weit gehen, dass ich sogar Silben eines Wortes heraus schneide. Daran kannst du sehen, dass im Moment…, und das wird in Zukunft noch viel schlimmer.
Mittlerweile können alle einen Song im Studio aufnehmen. Wenn du einen guten Produzenten hast, wird das richtig gut klingen. Hättest du die damals in einer analogen Welt allein gelassen, würde jeder sagen, oh Gott das klingt ja voll scheisse. Das führt dazu, dass du heute tausende von Bands in allen Richtungen hast und sich die Musiker das Wasser selbst abgraben. Die richtig Guten unter ihnen kannst du nicht mehr richtig unterscheiden.
MF: Wie immer herzlichen Dank für das sehr offene und ehrliche Interview…
Andi: …super gerne immer wieder, und wenn was ist, melde dich nochmals…
MF: …es war schön, erneut mit dir quatschen zu können…
Andi: …leider nicht persönlich, nur über Zoom, aber das kriegen wir schon wieder mal hin.
MF: Ich erinnere mich noch an das erste Interview mit dir zusammen, damals im Tourbus auf der "The Time Of The Oath Tour" im Z7.
Andi: Da hatte ich gerade meine Wäsche am Waschen (lacht). Mitten im Gespräch dachte ich, scheisse die muss ich noch heraus nehmen (lautes Lachen). Pratteln war immer geil. Zehn Tage auf Tour und dann im Z7 spielen, da war superüberlebenswichtig, dank der Waschmaschine. Zu der Zeit war das einmalig, dass dir eine Waschmaschine zur Verfügung stand.
Die Kohle für den Waschsalon, das zu der Zeit echt viel Geld war, konnte ich mir sparen. Ist es heute noch immer, aber tut aber nicht mehr so weh (lacht). Das Z7 war immer genial, auch die Crew war spitzenmässig. Wenn dies hier jemand aus dem Z7 liest, ich hab Euch ganz arg lieb. Pass auf dich auf Martin und immer wieder gerne.