Swiss Hard Rock and Heavy Metal Magazine since 1999
You can reach us via email or phone.
+41 (0) 79 638-1021
"...Es war sehr aufregend, die Heathen Songs im Radio zu hören und im TV zu sehen..."
Die 1984 gegründete Band Heathen aus der Bay Area gehörte immer so ein bisschen zur zweiten Garde der Thrash Metal Bands und stand somit im Schatten der grossen Truppen wie Metallica, Megadeth, Testament oder Slayer. Dabei gibt es songtechnisch selten eine Combo, die dermassen geschickt Härte mit Melodien und Schnelligkeit mit langsamen Parts mischt. Zu Beginn ihrer Karriere waren es die beiden Gitarristen Lee Altus und Doug Piercy, welche gitarrentechnisch das Sagen hatten, und sie hatten einiges zu sagen. Hört man sich Songs wie «Death By Hanging», «Hypnotized» oder «Heathen's Song» an, erkennt man schnell, dass es nicht nur Testament sind, welche mit intelligenten Songstrukturen zu überzeugen wussten.
Da die Jungs von Heathen gerade auf Tour waren und allabendlich dem Headliner Overkill das Leben schwer machten, hatte ich die Möglichkeit, zusammen mit Sänger David White zu sprechen. Statt über das neue Album («Empire Of The Blind»), welches 2020 veröffentlicht wurde, zu plaudern, nutzte ich die Gelegenheit und sprach mit dem Sänger über die Vergangenheit, das Hier und Jetzt von Heathen. David entpuppte sich dabei als sehr freundlicher, netter und zuvorkommender Interview-Partner. Zudem ist er auch das Bandmitglied, welches am längsten bei Heathen in Diensten steht. Somit hatte der Shouter einiges zu berichten und ist sichtlich stolz auf seine aktuelle Besetzung mit Kragen Lum (Gitarre), Jason Mirza (Bass), Jim DeMaria (Drums) und Neugitarrist Kyle Edissi, welcher Lee Altus ersetzt.
MF: Lass uns zuerst zurück gehen in der Geschichte von Heathen. Warum hast du die Band zwischen 1988 und 1989 verlassen?
David: Nun gut, wir hatten eine harte Zeit, und da hatte auch das Management seine Finger mit im Spiel. Es gab angeblich viele Probleme mit dem Plattenlabel, und jeder kämpfte auf seine Weise um sein Recht. Viele Leute brachten eine schlechte Stimmung in die Band, als sie sagten: "…ihr müsst dies wie jenes ändern, und speziell solltet ihr einen härteren Sänger haben…" - Einige Bandmitglieder vertrauten dem, was gesagt wurde und liessen mich fallen. Nach mir war für kurze Zeit Paul Baloff (ehemals Exodus) bei Heathen. Zu der Zeit war es aber der falsche Mann am falschen Ort. Es war ein totales Desaster für Heathen. Ich stieg derweil bei Laughing Dead ein. Es war eine gute Zeit, und wir spielten ein Demo ein. Nach sechs Monaten bekam ich einen Anruf von Heathen und sie baten mich, wieder zurück zu kommen.
Ich war aber noch immer sehr angepisst, wie es zu meinem Rauswurf kam, und benötigte einige Minuten, um mich durchringen zu können. Bevor ich mich endgültig entscheiden wollte, spielte ich bei beiden Truppen. Bis es zu dieser Situation kam, als ich mit Laughing Dead am Songwriting war. Sie waren nicht glücklich damit, dass ich bei beiden Bands sang, stellten mich deshalb zur Rede und entschieden dann mit diesem Gespräch für mich, welchen Weg ich gehen sollte. Eigentlich entschied ich mich gegen meine innere Stimme, da ich zu der Zeit sehr viel Spass mit Laughing Dead hatte. Sie verhielten sich korrekter zu mir, mit dem was ich tat. Zudem lag mir die Situation, wie es zum Bruch mit Heathen kam, noch immer schwer im Magen, aber wir hatten eine gemeinsame Geschichte zusammen. Als der Schlagzeuger bei diesem Meeting von Laughing Dead Scheisse über mich redete, war für mich klar, wohin mich mein Weg führen sollte.
MF: Welche Erinnerungen hast du an die Zeit eures Debüt-Albums «Breaking The Silence» (1987)?
David: Das war eine sehr aufregende Zeit (grinst zufrieden). Wir haben uns den Arsch abgearbeitet, haben viel Material komponiert und kriegten die Möglichkeit, viele Gigs zu spielen. Eigentlich bestanden Heathen aus Musikern, die in anderen Bands spielten. Doug Piercy (Gitarre) kam zu uns, ebenso wie Eric Wong (Bass), Carl Sacco (Drums) und Lee Altus (Gitarre spielt noch immer bei Heathen und Exodus). Das Musikbusiness florierte, und es gab viele hoffnungsvolle Bands. Wir wollten eine davon sein und unser Markenzeichen hinterlassen. Jeden Tag schrieben wir an den Liedern und nahmen sie auf. Bis es zum Demo («Pray For Death») kam, welches in die Hände der Tape-Trader gelangte und so zu den Magazinen kam. Das "Kerrang Magazine" schrieb eine grossartige Kritik über unser Demo. So standen viele Labels bei uns auf der Matte, bis wir bei Combat unterschrieben und schnell in einem Studio landeten.
Das hat richtig Spass gemacht, aber unser erster Produzent hatte keine Ahnung von Metal. Wir waren nicht glücklich mit dem Mix. In meinen Augen hat er versucht, die Produktion so günstig wie möglich zu halten, damit er mehr Geld in seine Tasche wirtschaften konnte. Ich denke, das war so. Es ist ein unschönes Gefühl, wenn dein erstes Album mit einer schlechten Produktion veröffentlicht wird. Doch wir hatten das Glück, dass uns eine andere Person half, die Cover-Version von Sweets «Set Me Free» neu abzumischen. Diese Nummer wurde zu unserem ersten Video, das bei "MTV Headbangers Ball" ausgestrahlt wurde. Das war unglaublich. Ich erinnere mich, dass sie zuerst ein Video von Dio sendeten, und danach kamen wir (lacht). Es begann zu explodieren und, wir bekamen die Möglichkeit, grosse Tourneen zu spielen. Mit Motörhead sollte es losgehen und dann mit Manowar, was aber gecancelt wurde. Savatage waren auch im Gespräch, aber wir hatten die Möglichkeit, quer durch die Staaten zu spielen. Es war sehr aufregend, die Heathen Songs im Radio zu hören und im TV zu sehen.
MF: «Breaking The Silence» ist für mich noch immer eine Killer-Scheibe...
David: ...danke dir Martin (grinst zufrieden).
MF: Wie schwer war es für euch, einen Nachfolger für «Breaking The Silence» zu komponieren, und wie gross war der Druck zu «Victims Of Deception» (1991)?
David: Nun gut..., Warner zeigten Interesse an der Band. Sie benötigten jedoch unglaublich viel Zeit, bis sie uns einen Vertrag anboten. Wir warteten und warteten, während die Zeit verging und wir uns nicht sicher waren, ob der Vertrag mit ihnen eine gute Entscheidung wäre. Während dieser Zeit waren wir dabei, neue Songs zu schreiben. Schon bevor «Breaking The Silence» veröffentlicht wurde, komponierten wir neues Material. Wir befanden uns in einer guten Verfassung, und die Ideen sprudelten nur so. Mit «Hypnotized» und «Opiate Of The Masses» fand sich sehr gutes Material in unseren Händen. Wir hatten eine Pre-Produktion für vier oder fünf neue Tracks. Es machte Spass, da wir immer wieder an den Songs schrieben und sie dadurch immer besser wurden, sowohl musikalisch als auch gesanglich. Insbesondere Lee und ich haben immer wieder neue Parts komponiert, sei es Gesangslinien oder Melodien, die wir angepasst oder verändert haben. Bei «Hypnotized» war dies besonders schwierig, da es ein sehr schneller Track ist. Aber das war der Unterschied zu «Breaking The Silence». Wir hatten mehr Zeit zum Komponieren, ohne es zu wollen. So waren wir in einer Mission, Neues zu kreieren. Doug und Lee übertrafen sich mit ihren Ideen, und alles fügte sich sehr einfach wie locker zusammen.
MF: Nach diesen beiden grossartigen Alben, was waren die Gründe für die Auflösung von Heathen?
David: Das waren unterschiedliche Dinge, die dazu geführt haben. Doug verliess die Band, denn auf Tour traf er eine Frau und entschied, dass er in Deutschland bleiben wollte. Er heiratete sie, und sie bekamen Kinder. Ira Black kam zu uns, und wir arbeiteten an neuem Material sowie an Covers, die erst viel später unter dem Titel «Recovered» veröffentlicht wurden. Unsere Freunde vom" Rock Hard Magazin" kannten die Jungs der Band Die Krupps, eine deutsche Industrial-Truppe. Sie suchten einen neuen Gitarristen für eine Tour. Das Rock Hard empfahl den Jungs Lee Altus. Es war ein gut bezahlter Job, und nach der Tour fragten sie Lee, ob er nicht fest einsteigen wolle. Er blieb anschliessend für die nächsten sechs Jahre. Wir alle arbeiteten dann an unterschiedlichen Dingen und waren bei anderen Combos involviert. Ich sang zum Beispiel für Defiance. Zudem geriet Metal in der damaligen Zeit ins Hintertreffen. Alle hörten nur noch Grunge, und niemand interessierte sich mehr für Heavy und Thrash Metal. Es war eine komische Zeit, und plötzlich brach alles zusammen. Es benötigte das "Thrash Of The Titans" Konzert, einen Benefiz-Gig, um Geld für die Operation des an Krebs erkrankten Testament-Sängers Chuck Billy einzuspielen.
Dieser 11. August 2001 war nicht nur legendär, sondern hatte viele Bands wieder zusammen gebracht, wie Death Angel, Vio-Lence, Forbidden und auch Exodus. Für uns war dies ebenso ein neuer Startschuss, und wir kriegten die Möglichkeit, im Folgejahr beim "Wacken Open Air" aufzutreten. Für all diese Bands, abgesehen von Vio-Lence, bei denen Robb Flynn noch bei Machine Head involviert ist, war dies die Initialzündung, um wieder Musik zu machen. Metal war wieder zurück, und wir hatten plötzlich unsere alten Fans wieder, aber auch viele junge, die sich für Heathen interessierten. Wir begannen an unserem Tape weiter zu arbeiten, an dem wir aufgehört hatten es damals, sprich 1993 einzuspielen. Das Verrückte an dieser Sache war, als wir uns das Tape anhören wollten und der Engineer uns «Holy War» (eine Cover-Version von Thin Lizzy) und «Death On Two Legs» (Queen Cover) abspielte, drehte sich das Band zu langsam. Wir waren geschockt, sahen uns an und fragten uns: "Scheisse, was ist passiert?" Der Mischer stoppte das Band, und die Abnahmeköpfe waren schwarz.
Das Tape hatte sich in den letzten zehn Jahren fast aufgelöst, doch es gab eine Möglichkeit, das Beste aus dem Tape heraus zu holen. Dazu hatten wir aber nur einen Versuch (lacht). Es hat dann glücklicherweise tatsächlich funktioniert. So kam es zu «Recovered». Wir spielten eine kleine Tour, ohne dabei Geld zu verdienen. Dann ging es nach Europa für zwölf Konzerte. Zum Glück halfen uns unsere Fans, denn sie kamen zu den Gigs und kauften T-Shirts. Als Dank haben wir auf unserer Webseite «Breaking The Silence» und «Victims Of Deception» zum kostenlosen Download angeboten. Die Besucher brachten unseren Server danach zum Absturz (lacht). So gewannen wir neue Fans dazu. Nach dieser Zeit stieg Lee bei Exodus ein und ersetzte Gary (Holt), der bei Slayer für Jeff Hanneman nachrückte. Nach und nach kam es bei uns zu einer neuen Scheibe, und wir konnten «The Evolution Of Chaos» (2010) bei Mascot Records veröffentlichen. Was folgte, waren Konzerte, Tourneen, Open-Air Auftritte und der Plattenvertrag mit Nuclear Blast, bei denen wir 2020 «Empire Of The Blind» veröffentlichten.
MF: Ist es für euch heute einfacher als in den Achtzigern?
David: Ja, das würde ich so sagen. Viele Leute sind involviert und arbeiten für die Band. Wir wollen den Zug am Rollen halten. Auch wenn COVID einiges ausgebremst hat, spielten wir viele Gigs. Wir standen in Europa, Südamerika, den USA, Asien, Japan, Singapur und Thailand auf der Bühne. Es läuft gerade ziemlich gut für uns. Wir haben ausserdem Pläne für ein neues Album. Das ist bereits geschrieben und muss nur noch aufgenommen werden.
"...Das ist das Schöne an Nuclear Blast, die sind sehr transparent..."
MF: Was hast du aus der Vergangenheit vom Musikbusiness gelernt?
David: Dass es das beschissenste Geschäft auf dem ganzen Planeten ist (grinst). Es sind aber nicht die Labels…, weisst du Martin, ich habe dies vorhin angetönt. Wenn man jung ist und in dieses Geschäft kommt, ist man völlig grün hinter den Ohren und hat keinen Plan, wie das Ganze läuft. Man legt all seine Hoffnungen in die Hände anderer Menschen. Das ist das Schöne an Nuclear Blast, die sind sehr transparent. Darum bekommen wir immer wieder Geld für Lizenzgebühren. Wir haben den Vertrag mit ihnen 2013 oder 2014 unterschrieben. Bis sie das Album von uns erhielten, dauerte es bis 2019. Lee war bei Exodus, die auch Nuclear Blast unter Vertrag sind. Darum konnte er nicht mit uns ins Studio gehen. Sie hatten Verständnis dafür und gaben uns die Zeit. Am Ende waren sie superglücklich mit dem Album. Gerade in der Zeit der Pandemie erblickte «Empire Of The Blind» das Licht der Welt. Auch ein grosses Dankeschön an unsere Fans, die immer an uns geglaubt haben. Viele Truppen haben nicht solch loyale Fans und geraten dabei in Vergessenheit, doch dank ihnen konnten wir auf Tour gehen.
Wir mussten allerdings einen neuen Gitarristen für Lee suchen und fanden in Kyle den richtigen Mann, der bei Invicta spielte. Wir sprachen viel mit ihm, ohne ihn jemals persönlich getroffen zu haben. Viele Gitarristen bewarben sich bei uns, und sie alle waren unglaublich talentiert. Aber Kyle verstand es, wie die Songs zu spielen sind. Alle Bewerber waren fantastisch, doch dies war der ausschlaggebende Grund für Kyle. Es war schwierig, weil sich auch Freunde aus meinem Umfeld in der Bay Area meldeten, denen wir eine Absage erteilen mussten. Einer dieser Gitarristen war unsere erste Wahl. Er spielte bei Defiance und hatte einen neuen Job, den er nicht aufgeben wollte. Es ist eine typische Story des Musikbusiness. "Willst du denn wirklich mit uns eine Welttour bestreiten oder doch lieber deinem Job nachgehen?" Wir wollten in Europa und Südamerika spielen, und da war er sich nicht mehr so sicher (lacht). Kyle passt perfekt zu Heathen. Ich lud ihn nach Florida zu mir nach Hause ein, und dort probten wir vor der Tour. Nach dem ersten Konzert wussten wir, dass er die richtige Entscheidung war. Er ist ein wunderbares, menschliches Wesen.
MF: Wie wichtig sind Texte für dich, respektive für Heathen?
David: Oh, sie sind superwichtig! Sie untermalen einen Song. Das war vielleicht noch nicht so ausgeprägt beim ersten Album. Wir behandeln dabei keine Fantasy-Geschichten, sondern gehen das Ganze bedeutend seriöser an. Eine Meinung über ein bestimmtes Thema einfliessen zu lassen, finde ich wichtig. Beim Text zu «Control By Chaos» (vom Album "The Evolution Of Chaos") frage ich mich am Schluss: "Meine Güte, habe ich das geschrieben?" (lacht). Ab und zu fühlt es sich seltsam an (grinst). Es ist schön und interessant, aber auch gefährlich, wie Menschen kontrolliert werden können. Mit Computern, Handys und allem anderen Zeug bist du in Sekundenbruchteilen mit der ganzen Welt verbunden. Wir haben dadurch so viele unterschiedliche Informationen, was grossartig ist. Wir brauchen keinen separaten Zugang zu diesen Informationen. Das ist auf der einen Seite sehr positiv, aber auf der anderen Seite auch äusserst gefährlich. Wir versuchen bei den Texten unsere Gedanken einfliessen zu lassen. Ich habe immer wieder neue Ideen, über was ich Lyrics verfasssen könnte. Ich komme da jeweils in einen richtigen Flow hinein, der aber von irgendwoher kommt. Da frage ich mich ab und zu schon: "Du meine Güte, woher kommt all diese Inspiration nur her?" (lacht).
MF: Was war für dich früher wichtig, und was ist es heute?
David: Oh, gute Frage, Martin..., ich denke, dass es noch immer dieselben Dinge in meinem Leben sind, wie früher und auch heute. Das Allerwichtigste ist die Familie, dann die Freunde und die Gesundheit, speziell wenn man älter wird. Ich habe mitunter meine Eltern verloren. Meine Mutter starb vor zehn Jahren und mein Vater letztes Jahr. Das Schöne ist, dass solche Verluste durch Kinder und neues Leben ersetzt werden. In meiner Familie entsteht immer wieder Nachwuchs, und dieser bringt wichtige Elemente von uns Erwachsenen zurück ins Leben. Natürlich darf man die Musik hierbei nicht vergessen, denn sie ist nach wie vor meine Leidenschaft. Darum bin ich noch immer hier und kann mit dir sprechen.
MF: Dann hoffen wir, dass dies nicht das letzte Gespräch gewesen ist...
David: ...ja, es hat Spass gemacht, mit dir zu plaudern...
MF: ...ich wünsche dir weiterhin viel Kraft, gutes Durchhaltevermögen mit Heathen und beste Gesundheit.
David: Das wünsche ich dir auch. Musst du nun alles abtippen?
MF: Ja...
David: ...meine Güte, dann hätte ich nicht so viel gequatscht (lacht).
MF: Überhaupt kein Problem, denn mir sind solche Interviews lieber als einsilbige Antworten.
David: Dann bin ich froh, denn wenn ich erstmal ins Reden komme, bin ich jeweils nicht mehr zu bremsen! (lacht).