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"...Jeder, der das Geld oder das Blut im Wasser riechen kann, verhält sich wie ein Hai und versucht alles von dir zu kriegen..."
Es gibt diese Bands, mit denen man aufwächst. Truppen, die einen begleiten, vielleicht nicht immer das gleiche Level abliefern, aber mit denen man viele Dinge in seinem Leben verbindet. Zu genau diesen Bands, über die man nichts kommen lässt, gehören Flotsam And Jetsam. Die Combo um Meistersänger Eric A.K. Knutson hat mit dem neusten Streich «Blood In The Water» einen weiteren F&T-Klassiker in die Erdumlaufbahn geschossen. Seit dem Zuzug von Übertrommler Ken Mary und dem stabilen Gitarrenduo Michael Gilbert und Steve Conley sind die Herren beständiger denn je. Dies bedeutet, dass jedes Album seit «Dreams Of Death» (2005) eine weitere Steigerung zum Vorgänger war. Mit dem neuen Bassisten Bill Bodily (kam für Michael Spencer), beschert uns die Truppe ein Album, das allen US-Thrash-, oder US-Power-Metal-Fans die Freudentränen in die Augen treiben wird. Eric nahm mich mit auf eine Zeitreise, bei der er auch selbstkritische Töne vom Stapel liess. Vorhang auf und Bühne frei für eine der nach wie vor talentiertesten Combos im Metal-Bereich, der allerdings der ganz grosse Wurf unverständlicherweise immer verwehrt blieb.
MF: Gratulation zum neuen Album, das ein richtiger Killer geworden ist. Woher kommt diese ungezügelte Energie?
Eric: Herzlichen Dank für dein Kompliment, freut mich zu hören! Ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung woher sie kommt (grinst). Wir sind noch immer hungrig, bereit anzugreifen und unsere Rechnungen zu bezahlen (lacht).
MF: Dann seid ihr wie ein Wein, je älter desto besser?
Eric: Das hoffe ich doch sehr (lacht). Du weisst, dass ich Wein mag (grinst). Aus meiner Sicht gesehen…, alles was wir in unserer Karriere taten, fühlte sich wie ein Üben und Ausprobieren an. Zudem bin ich in der komfortablen Zone, dass meine Stimme noch immer sehr gut klingt und ich keine Schreibblockaden habe. Wir haben die neuen Tracks jeder für sich und auch zusammen komponiert. Mike schickte mit immer wieder Riffs zu, auf welchen er das Schlagzeug programmierte. Dazu packte ich meine Gesangsideen und schickt ihm meine Version zurück. Dann kam Steve dazu, der seinen Teil beisteuerte. Wenn der Track mit dem Gesang stand, wurde alles an Ken gesendet, der die Lieder mit seinen verrückten Drum-Parts ergänzte. Jeder hat seinen Teil bei sich zu Hause im eigenen Studio aufgenommen. Meinen Gesang habe ich im Studio von Ken eingesungen, dort wo er auch sein Schlagzeug einspielte. Es ist ein sehr komfortabler Ort, und zudem ist Ken ein grossartiger Engineer wie Produzent. Das Material nicht gemeinsam aufzunehmen, daran habe ich mich schon fast gewöhnt (lacht). Für mich ist es bedeutend schwieriger nicht gemeinsam komponieren und sich die neuen Ideen von Angesicht zu Angesicht vorstellen zu können. Es verliert an Romantik, wenn jeder für sich alleine neues Material schreibt (grinst). Grundsätzlich wird das Komponieren schwieriger. Der eigene Druck, dem man sich unterstellt, hemmt ab und zu ein freies arbeiten. Weisst du, ich will keine stupiden Texte abliefern. Sie müssen Sinn machen und sollen sich von den anderen unterscheiden. Man entwickelt einen eigenen Stil, das macht es leichter, aber die Gefahr besteht, dass man sich unbewusst wiederholt.
MF: Hast du einen persönlichen Favoriten auf dem neuen Album? Meiner ist «Brace For Inpact»…
Eric (grinst): …sehr gute Wahl, mein Freund. Es ist immer hart nach so kurzer Zeit einen Lieblingssong heraus zu picken. Wenn es nach dem Gesang geht, dann ist es «Cry For The Dead». Der macht sehr viel Spass zu singen, und ich habe viel Raum für meine Gefühle. Eigentlich macht es keinen grosse Freude die schnellen Tracks zu shouten (lacht), weil man sich nicht entfalten kann.
MF: Was willst du uns mit dem Titel «Blood In The Water» mitteilen?
Eric: «Blood In The Water» ist grundsätzlich ein «warning song». Dabei geht es um sehr viele Dinge. Leute rufen dich über das Handy an und wollen dir Dinge andrehen, welche du nicht brauchst. Das Gleiche passiert auf dem Internet oder mit der Regierung. Jeder, der das Geld oder das Blut im Wasser riechen kann, verhält sich wie ein Hai und versucht alles von dir zu kriegen. Darum geht es in diesem Track. Überall die Schwindler in dieser Welt.
MF: Ist dann das Internet für dich eher ein Fluch oder ein Segen?
Eric: Beides! In den achtziger Jahren war es um ein Vielfaches einfacher ein Rockstar zu sein, bevor das Internet kam (lacht). Du erreichst aber viel mehr Leute damit. Das ganze Rockstar-Ding gibt es heute kaum noch. Wenn du kein normaler Mensch bist, wie die meisten, dann wird dir auch keiner zuhören oder wissen wollen, was du zu sagen hast. Viele Fans hatten diese ganzen Ego-Geschichten und das Rockstar-Gehabe satt. Es ist ihnen wichtiger zu sehen, dass man als Musiker nichts anderes ist, als sie selber.
MF: Gab es für dich eine Zeit, in welcher du dich als Rockstar gefühlt hast?
Eric: In meinen eigenen Gedanken bin ich schon das ganze Leben ein Rockstar (lacht). Weisst du Martin, ich liebe es zu singen, neues Material zu schreiben und mit der Band aufzutreten. Als gewisse Leute begannen zu sagen, wie grossartig ich bin…, klar, wer hat dies nicht gerne, aber ich versuchte immer auf dem Boden zu bleiben, mich zu bedanken mit dem Bewusstsein, dass ich zu Hause meinen Spülkasten selber reparieren muss (lacht). Klar verlor ich trotzdem zwei bis drei Mal den Boden unter den Füssen (lacht). Wenn man jung ist, glaubt man den ganzen Scheiss, der dir von aussen zugetragen wird.
MF: Das Bandkarussell hat sich wieder gedreht. Wieso hat euch Michael Spencer verlassen?
Eric: Wir entwickelten uns in unterschiedliche Richtungen. Die ganze Band wollte den nächsten, seriösen Schritt machen. Die Musikindustrie ist ein Geschäft und ein Lebensstil. Michael plante mit anderen Möglichkeiten, was sich aber eher anhörte wie eine Entschuldigung, um Urlaub zu machen. Er ist ein grossartiger Typ wie Bassist, und wenn er Anschluss an eine andere Band finden wird, werden die kaum Probleme mit ihm haben. Aus dem einfachen Grund, weil er ein richtig guter Metal-Bassist ist. Ich denke, dass es ein Ausstieg war, bei dem sich am Schluss alle gut fühlten. Persönlich habe ich aber nie viel mit ihm gesprochen.
MF: Wie schwer oder einfach ist es, einen neuen Bassisten zu finden?
Eric: Bei diesem Beispiel war es wirklich sehr einfach. Es gab einige US-Tourneen, bei denen uns Spencer nicht unterstützen konnte. Bill Bodily hat einige Male den Platz von Michael eingenommen. Bill ist ein verdammt guter Bass-Player. Es macht sehr viel Spass mit ihm abzuhängen, und wir alle kennen ihn schon sehr lange. Was er auf dem neuen Album gespielt hat, bestätigt mich darin, ihn in die Truppe aufgenommen zu haben. Ich kann es kaum erwarten zu sehen, was er für das nächste Album beisteuern wird.
MF: Wie schwer ist es grundsätzlich eine Band am Leben zu erhalten? War dies früher einfacher oder heute?
Eric: In gewissen Momenten war es früher einfacher, und auf der anderen Seite scheint es heute lockerer zu sein. Es hat sich alles verändert, das macht das Ganze nicht einfacher oder schwerer. Es ist einfach ANDERS! Wenn man versucht sich den neuen Dingen anzupassen oder davon zu lernen, kann es sehr glatt laufen. Das ist aber nicht die Art, wie wir aufgewachsen sind. Wir haben uns gegenseitig die Meinung ins Gesicht gesagt und haben uns nicht hinter dem Internet versteckt. Auch mit dem Touren…, da gibt es so viele politische Dinge…, ich mag das nicht, ich will mit meinem Freunden jammen, das Singen geniessen und am Schluss mit meinen Kumpels rumhängen, welche ich seit Jahren nicht mehr gesehen habe. Wenn es politisch wird und wir da und dort nicht auftreten dürfen, weil das Ganze zu klein aussieht…, wenn ich da nicht spielen darf, weil wir sonst vom Festival gestrichen werden, da sagen ich einfach: "Weisst du was, dann spiele ich lieber sieben Nächte hintereinander in diesem Club und spiele dann auf deinem Festival" (lacht). Ich verstehe das nicht, diese ganze Politik mag ich nicht. Es gab Dinge, die waren früher einfacher, aber auch solche, die heute besser laufen. Wir werden sehen, wohin der Weg geht.
MF: Wie wichtig ist Ken für die Band? In meinen Augen ist er ein absolut fantastischer Trommler, ein gigantischer Showman und ein toller Produzent…
Eric: …als wir das erste Mal über Ken nachdachten, war ich mir nicht sicher, ob er der richtig Mann für Flotsam ist. Ich hörte mir die Alben an, auf denen er spielte. Einige gefielen mir, andere nicht. Das Schlagzeug bei Alice Cooper war nun nicht gerade gefährlich (grinst). Ich war mir nicht sicher. Vom ersten Moment, an dem wir zusammen übten, bis heute, beeindruckt er mich Tag für Tag aufs Neue. Er ist ein Weltklasse-Produzent. Er hat mit so vielen Leuten gespielt, er ist super-professionell, er ist ein Schlagzeuger 24/7. Er ist es nicht nur im Studio oder beim Gig. Alles was er denkt, hängt mit seinem Drum zusammen, und das zeigt er allen, wenn er spielt.
MF: Wie schwierig war es für euch aus dem Schatten der ersten beiden, sensationellen Alben («Doomsday For The Deciever» und «No Place For Disgrace») heraus zu treten?
Eric (lachend): Wir sind noch immer in diesem Schatten. Ich mag diese beiden Scheiben. Sie brachten uns an einen Platz den wir benötigten, um zu überleben. Ich war nie traurig darüber, dass die Fans an diesen beiden Alben hingen. Auch nicht, wenn es die beiden Einzigen waren, die sie liebten (lacht). Die Scheiben werden immer einen sehr grossen Platz in meinem Herzen haben!
MF: Wie siehst du heute die Zeit mit «High», «Unnatural Selection» und «My God»?
Eric: Das war mitten in unserer Karriere. Mit «Unnatural Selection» war ich nie zufrieden. «High» war ein seltsames Experiment. Wir wussten nicht, in welche Richtung wir gehen wollten. Dafür ist «My God» eine meiner Lieblingsscheiben. Da sind wirklich tolle Songs zu hören, aber auch solche, die nie jemals fertig ausgearbeitet worden sind. Das kann man über das komplette Werk sagen (grinst). Für viele ist «My God» ein wirklich richtig tolles Album. Weisst du, bei «Unnatural Selection» haben mich die Jungs eines Tages angerufen und meinten: "Deine Zeit im Studio ist gekommen!" Studio? Warum? "Wir haben ein neues Album geschrieben und nehmen gerade unsere Parts auf! Wo zum Geier bist du?" Ich ging ins Studio, schrieb die Texte und habs eingesungen. Zu keiner Zeit war mein Herz dabei oder in den Songs drin. Die Tracks langweilen mich noch heute, wenn ich sie höre. Dieser Versuch, den Ball hart fallen zu lassen…
"...es ist einfach passiert. Schlechtes Timing. Flotsam hätten eine lange Zeit erfolgreicher sein können..."
MF: …war der Moment, in dem du gedacht hast, den Weg verlassen zu haben der, der die Band erfolgreich gemacht hat?
Eric: Immer wenn ich dachte, die Band ist erfolgreich, ist was passiert. Wie haben das Label verloren oder einen Agent, einen Manager oder den Bassisten. Es ist immer was geschehen. Es war niemand dafür verantwortlich oder dessen Fehler, es ist einfach passiert. Schlechtes Timing (lacht). Flotsam hätten eine lange Zeit erfolgreicher sein können. Nun sind wir auf einer Mission, bei der wir sicher sind, noch viel erfolgreicher zu werden (grinst zufrieden).
MF: Metallica verkauften Millionen vom schwarzen Album. Lange davor hattet ihr Lieder wie «No Place For Disgrace» oder «Escape From Within». Wieso hattet ihr nicht den gleichen Erfolg vor demjenigen von Metallica? Wart ihr der Zeit voraus?
Eric: Keine Ahnung, aber es ist eine nette Art die Dinge zu sehen (grinst). Ich würde gerne sagen, dass wir mit jedem Album der Zeit voraus waren (lacht). Die Leute gehen zurück und hören sich unser altes Material an und sagen immer wieder: "Verdammt, das ist unglaublich!" und wir fragen uns, wo waren sie, als die Scheiben veröffentlicht wurden (grinst). Es sind die Umstände von Glück und schlechtem Timing. Wir waren beim Major-Label MCA (1990) und sie versuchten uns als die nächsten Metallica aufzubauen. Sie hatten vorher noch nie was von uns gehört. Das ist verrückt und ist Pech (lacht).
MF: Hattest du das Gefühl, jemals einem Trend gefolgt zu sein?
Eric: Vielleicht im Unterbewusstsein. Bewusst sassen wir nie da und haben uns gesagt, lass uns etwas komponieren, das sich wie diese oder jene Truppe anhört, damit wir eine Million verkaufen können. Wir sind nie dem Hip-Hop gefolgt (grinst verschmitzt). Aber alles was wir zu einem gewissen Zeitpunkt des Songwritings hörten, hat uns sicherlich im Unterbewusstsein zu mehr Mainstream abdriften lassen.
MF: Wie schwierig war damals für euch die Grunge-Zeit?
Eric (lacht): Das war die Hölle! Metal wurde plötzlich grösser und grösser. Hard Rock wurde härter. Aerosmith und all diese Truppen wurden so gross, da sie alle kannten. Die Leute wurden krank über all dieses grösser werden. Sie suchten nach etwas Neuem und es war Grunge. Alle Girls liebten diesen Sound. Ich wünschte, ich könnte den Grunge packen und ihn vergessen machen. Aber das geht nicht. Denn er hat nicht überlebt (lautes Lachen)…
MF: …und ihr seid noch immer am Leben…
Eric: …das bin ich, und speziell der Metal hat sich prächtig erholt.
MF: Wieso hast du Flotsam And Jetsam für eine kurze Zeit verlassen?
Eric: Das war zu einer Zeit, in der das Musikbusiness starr war. Ich war müde von den Tourneen und dem harten Arbeiten für ein neues Album. Trotzdem nahm niemand Notiz von uns. Ich versuchte andere Dinge zu tun, nur zum Spass. Die Jungs versuchten ohne mich weiter zu machen, fragten mich aber, ob ich nicht zurück kehren wollte. Weisst du, ich liebe es zu spielen, im Studio zu stehen, zu schreiben und Teil einer Band zu sein. Es war klar, dass ich ihnen nicht für immer den Rücken zukehren konnte (grinst).
MF: Welches war die erfolgreichste Zeit für dich?
Eric: Ich denke, das war nachdem «Drift» (1995) veröffentlicht wurde. Wir waren bei MCA, erhielten viel Aufmerksamkeit durch die Presse, waren ständig auf Tour, und Neil Kernon hat die Scheibe produziert. Für das Ego war es grossartig, all die grossen Namen zu kennen, mit ihnen zu arbeiten und zu wissen, dass viel Geld im Spiel war. Für das Ego war es sicherlich die erfolgreichste Zeit von uns (lacht).
MF: Welches war die schwierigste Zeit?
Eric: Gute Frage (überlegt)… Das müsste nach dem Release von «High» (1997) gewesen sein. Mike (Gilbert) und Kelly (Smith) verliessen die Band. Wir hatten grossen Ärger mit dem Management. Es folgte ein schreckliches Ding auf das nächste. Zu der Zeit war ich mir nicht sicher, ob Flotsam eine Zukunft haben werden. Daraus ergab sich auch meine Auszeit. Es war eine verdammt schwere Zeit mit der Truppe und weit und breit kein Spass und Glück. Eine Zeitlang war ich wütend über all den Business-Scheiss. Man wird älter und erwachsener. Dabei erinnerst du dich, wie du gewisse Dinge in den Griff bekommen hast. 75 Prozent aller Probleme lagen nicht in unseren Händen, sondern wurden auf unseren Köpfen ausgetragen. Ich kann nicht den andern die Schuld geben. Es war der Umstand von Zufällen, die dazu führten. Wir hatten ein grossartiges Label und ebensolche Manager, als wir unsere erste Tour zusammen mit Megadeth in Europa spielten. Leute verloren den Kopf, als die Dinge grösser und grösser wurden. Aber neben Metallica und Mötley Crüe waren wir die kleinen Fische (grinst). Es sind immer Zufälle, die über den weiteren Verlauf entscheiden.
MF: Eric, herzlichen Dank für das Interview. Ich wünsche euch alles Gute für die Zukunft und lasst mich weiter erfreuen an euren Scheiben…
Eric: …Martin, keine Ursache, es war mir eine Freude. Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder.