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"... ich setze mich immer selbst ein bisschen unter Druck, weil ich ein noch besseres Album komponieren will..."
Der Grieche Gus G gehört zu den aktuell filigransten Gitarristen, die es problemlos verstehen, nicht nur technisch versierte Akzente zu setzen, sondern ein Riff auch mit Melodien wie Harmonien zu bestücken, die sich sofort in den Gehörgängen festkrallen. Neben seinen solistischen Ausflügen war Mister G auch schon in Diensten von Ozzy Osbourne, Dream Evil, Mystic Prophecy oder Nightrage. Seine eigene Truppe Firewind existiert seit 1998 und veröffentlichte bislang neun Studio-Alben. Auch wenn sich das Band-Karussell immer wieder gedreht hat, wich der Gitarren-Hexer kaum von seiner eingeschlagenen Linie ab. Ausser, dass er den Zugang zu eingängigeren Melodien fand, die sich nicht mit seinen knallharten Riffs duellierten, sondern ergänzten.
Mit dem zehnten Streich «Stand United» hat Gus nun, zusammen mit Sänger Herbie Langhans, Bassist Petros Christodoulidis und Schlagzeuger Johan Nunez, eine schlagkräftige Truppe zusammengestellt, die auf dem neuesten Werk ein Feuerwerk an grossartigen Melodien, Riffs und fantastischen Liedern abliefert. Dabei stehen das Riff, aber auch der Refrain im Zentrum des Geschehens und sollten jedem Hard Rock und Metal-Fan die Freudentränen in die Augen schiessen lassen. Abwechslung wird auf «Stand United» gross geschrieben, und neben den gigantischen Riffs sind es balladeske Momente, aber auch feine, epische Einspielungen, die das Album stets interessant gestalten.
MF: War die Herausforderung oder der Druck dieses Mal grösser als bei den vorherigen Scheiben?
Gus (überlegt): Gute Frage…, ich weiss nicht…, einige Lieder sind sehr anspruchsvoll. Weisst du, Martin, ich versuche mich immer zur Höchstleistung anzutreiben. Bei einigen Solos war ich richtig erleichtert, als ich sie aufgenommen hatte (grinst). Hey, das ist wirklich eine gute Frage…, ich denke, dass es tatsächlich einige Teile gibt, die für die Gitarre anspruchsvoller sind, aber wenn ich jeweils die Idee am Ausarbeiten bin, komme ich in einen Flow, und dabei gelangen interessante Parts ans Tageslicht. Wie gesagt, ich setze mich immer selbst ein bisschen unter Druck, weil ich ein noch besseres Album komponieren will.
Dabei probiere ich immer Dinge aus, die ich bei früheren Aufnahmen verworfen habe. Übe ich, kommen solche Teile wieder hoch, und ich verarbeite sie zu neuen Ideen. «Fallen Angel» zum Beispiel war eine der grösseren Herausforderung beim Schreiben. Die Original-Version wies einen anderen Refrain auf. Ich sendete die Nummer zu Herbie, und er meinte nur, dass der Refrain in Tat und Wahrheit keiner sei, sondern eine Bridge (lacht). Ich überlegte und nahm mir seine Worte zu Herzen. So kam es zu einer anderen, finalen Version, welche du nun auf dem Album hörst. Das war eine Herausforderung, die aber schlussendlich zum richtigen Weg führte.
MF: Du hast gerade deinen Sänger erwähnt, wie wichtig war er für «Stand United»?
Gus: Er war sehr wichtig, und von Beginn an war es eine perfekt funktionierende Zusammenarbeit. Er hat mich auf Dinge aufmerksam gemacht, wie ich vorhin erwähnte, wenn ich ihm Riffs und Arrangements schickte. Wenn er mir seine Gesangs-Linien sendete, habe ich ihm meinen Input dazu gegeben. Wir haben sehr gut zusammen harmoniert. Er hat definitiv seinen Stempel auf «Stand United» hinterlassen. Es war eine fruchtbare und sehr lockere Zusammenarbeit, die viel Spass gemacht hat.
MF: Wo siehst du die Unterschiede zu den vorherigen Alben?
Gus: Alle wurden unter anderen Umständen geschrieben und aufgenommen. Beim letzten Album «Firewind» (2020) kam Herbie erst in die Band, als die Musik schon aufgenommen war. Einige der Tracks hatten schon Gesangs-Linien und fertige Texte. Er musste diese übernehmen und konnte kaum noch etwas selber dazu beitragen. Wir standen unter einem sehr knappen Zeitplan. Bei einigen Liedern fehlte noch der Gesang, und er hatte kaum Zeit, sich in die Tracks, geschweige denn in die Band einzuleben. Es war ein wirklich grosser Test, um heraus zu finden, inwieweit dies mit uns klappen könnte (lacht), wenn wir unter immensem Druck arbeiten müssen. Bei «Stand United» hatten wir viel mehr Zeit, konnten neue Dinge ausprobieren und experimentieren. Wir haben uns auf den jeweiligen Song konzentriert, als würden wir nur Singles und kein Album kreieren. Dazwischen standen wir immer wieder auf der Bühne. Darum konzentrierten wir uns auf den Song und nicht auf eine komplette Scheibe. Wir nahmen uns den Luxus, dass wir die Zeit in unseren Händen hatten und sie steuern konnten.
"...Für mich beginnt alles mit einem starken Riff. Das ist die Grundlage eines Tracks..."
MF: Wenn du neue Lieder komponierst, was ist das Wichtigste für dich? Das Riff, das Solo oder der Refrain?
Gus: Für mich beginnt alles mit einem starken Riff (grinst). Das ist die Grundlage eines Tracks. Für Firewind braucht es ein gutes Thema oder ein gutes Riff. Natürlich dann in Verbindung mit einer grossartigen Vocal-Line. Ein packendes Gitarren-Riff ist nichts ohne eine mitreissende Gesangs-Linie. Umgekehrt kann der Gesang nicht ohne Riff funktionieren (lacht). Im Metal brauchst du dieses Riff. In der Pop-Musik sind die grossartigen Gitarren-Riffs hinfällig. Da konzentriert sich alles auf den Gesang und den Refrain. Bei Firewind ist es der Gesang sowie das Riff, und das Gitarren-Solo ist die Kirsche auf der Torte (lacht). Klar, ein packender Track kann ohne Solo auskommen, aber es ist natürlich ein zusätzlicher Bonus, wenn du jemanden in der Band hast, der ein Killer-Solo spielen kann (grinst).
MF: Wie kam es zur Cover-Version von The Romantics mit «Talking In Your Sleep»?
Gus: Wir wollten einen untypischen Cover-Song auf das Album nehmen, konnten aber keinen finden, der nicht schon von einer anderen Band verwendet wurde. Alle Pop-Hits der 80er-Jahre wurden von vielen Metal-Bands schon in eine Rock-Version umgewandelt. Dieser Track wurde im griechischen Radio sehr oft gespielt. Eines Tages dachte ich mir, warum versuchen wir nicht, ihn zu covern? Ich fragte Dr. Google (lacht) und sah, dass noch keine Metal-Band sich mit diesem Lied beschäftigt hatte. Ich schlug den anderen die Nummer vor, und alle liebten sie sehr. So kam es dazu, dass wir dieses Stück auf unsere Art gespielt haben (grinst zufrieden).
MF: Wie kam es zum Album-Titel «Stand United»?
Gus: Zuerst hatten wir einen anderen Titel und auch ein anderes Konzept. Wir verabschiedeten uns jedoch davon. Dennis Ward, unser Co-Produzent, schickte mir die Gesangs-Linien zu «Stand United». "Hey, ich habe da einen tollen Chorus!" Keinen kompletten Text, sondern nur ein paar Wörter. Als ich dieses «Stand United» hörte, schoss es mir durch den Kopf. Das ist ein fantastischer Titel! Klar, er ist sehr simpel (grinst), aber es ist ein starkes Statement. Wenig später überlegte ich mir, dass er sich auch gut als Album-Titel eignen würde. Es ist unser zehntes Studio-Album, wir sind noch immer da und umfasst den internen Zusammenhalt bestens (grinst), den wir gerade bei Firewind erleben. Zudem steht das Ganze für ein Lied über die Menschheit.
"...Alle diese Gesichter sind ein Teil unseres Lebens..."
MF: Wie hängen Album-Titel und Cover zusammen?
Gus: Das Cover passt sehr gut zum textlichen Inhalt des Albums. Einige Lieder erzählen Geschichten über den Krieg, Gier, also Dinge, die die Geschichte der Menschheit immer begleitet haben. Liebe, Hass, der Kampf zwischen Gut und Böse - all das kannst du auf dem Cover sehen, das eine Collage von all dem ist. Jedes einzelne Gesicht erzählt seine eigene Geschichte und repräsentiert diese. Ganz oben sieht man das Gesicht eines Mannes, der seinen Blick nicht mehr von den Geldmünzen abwenden kann. Man sieht die Liebe, aber auch einen Krieger oder einen Totenschädel, der den Tod repräsentiert. All diese Gesichter sind ein Teil unseres Lebens.
MF: Welche persönliche Entwicklung hast du, zusammen mit Firewind, durchlebt?
Gus: Oh, gute Frage…, für uns…, wir werden alle älter und wachsen an unseren Aufgaben. Nicht nur als Künstler natürlich, sondern auch als Musiker und Performer. Ich hoffe, dass wir uns in all den Jahren verbessert haben (lacht). Das ist unser Ziel, immer besser zu werden in dem, was wir tun, und die Band auf ein nächstes, höheres Level zu bringen. Wir machen uns viele Gedanken über unsere Live-Shows, die Art und Weise, wie wir uns selbst präsentieren, und natürlich die Musik, die eine Schlüssel-Rolle spielt. Da gab es viele Herausforderungen (grinst). Musik ist für mich eine Vollzeitarbeit. Auf Tour zu gehen ist nicht immer einfach. Du musst dich vielen Dingen stellen, mental oder organisatorisch…, es gibt so viele Dinge, die hinter den Kulissen zu tun sind, und hinter diesen Vorhang sehen die Leute nicht.
"...Die Musikindustrie ist das Geschäft, bei dem du öfter das Wort «Nein», statt «Ja» hörst..."
Wenn sie die Ankündigung eines Videos, einer Tour oder eines Albums sehen, steckt sehr viel Arbeit dahinter, an der viele Menschen beteiligt sind. Allein das Einbeziehen dieser Leute birgt schon viele Herausforderungen, damit am Ende alles so funktioniert, wie es sollte. Dabei gehen deine Pläne nicht immer auf, und deine Karriere nimmt einen anderen Verlauf als geplant. Alle haben unterschiedliche Vorstellungen und müssen am Ende feststellen, dass vieles nicht so läuft, wie man es sich wünscht. Die Leute arbeiten hart dafür. Die Musik-Industrie ist das Geschäft, bei dem du öfter das Wort "Nein" statt "Ja" hörst (lacht). Du musst lernen, damit umzugehen.
MF: Ist es somit schwieriger, deine eigene Band am Leben zu halten, als nur der Gitarrist einer Truppe zu sein?
Gus (lachend): Absolut, es ist schwieriger, dein eigenes Geschäft am Laufen zu halten, aber ich möchte es nicht anders haben. Ich will nicht sagen, dass es einfach ist, besonders wenn man einen guten Job abliefern will und das Herz mit Leidenschaft dabei ist. Aber Gitarre zu spielen bereitet mir sehr viel Freude und macht es einfacher, meine eigene Truppe am Leben zu halten, sie zu managen und so viele Dinge zu erledigen. Es ist nicht einfach, aber ich möchte es trotzdem nicht ändern (grinst). Die Kämpfe, die ich führe, sind grösser, aber am Ende fühle ich mich erfüllter, wenn wir etwas erreicht haben.
"...Ich will nicht sagen, dass es einfach ist, speziell wenn man einen guten Job abliefern will und dein Herz mit Leidenschaft dabei ist..."
MF: Ist es für dich heute einfacher die Band am Leben zu halten als zu Beginn?
Gus: Wir haben in den letzten über zwanzig Jahren immer hart für die Truppe gearbeitet und einiges durchgemacht, wie all die Besetzungs-Wechsel und viele Hochs und Tiefs. Es war nie einfach für eine Band wie Firewind. Momentan sind wir an einem guten Ort. Die Truppe verdient Geld mit der Musik. Wenn wir auf Tour gehen, verschulden wir uns nicht, sondern kommen mit einem Plus nach Hause (grinst). Klar, wir gehören nicht zu den ganz Grossen, aber dank einer sehr stabilen Fanbasis, die sich über die ganze Welt erstreckt, haben wir immer noch die Möglichkeit, Musik zu machen. Das ist unglaublich.
"...Griechenland ist nicht der Hotspot für Heavy Metal..."
MF: Macht es euch das Leben einfacher, weil ihr aus Griechenland stammt?
Gus: Das macht es definitiv nicht einfacher (lacht). Griechenland ist nicht der Hotspot für Heavy Metal. Das ist ein gravierender Grund. Wären wir eine schwedische oder finnische Truppe, hast du automatisch diesen Garantie-Stempel. "Ah, ihr seid aus Schweden, ihr müsst grossartig sein" (lacht). Auch geographisch gesehen ist es nicht einfacher für uns. Wir können nicht einfach in den Tourbus steigen und versuchen, ein paar Gigs zu spielen. Da sind bei uns unterschiedliche logistische Abläufe involviert. Wir sind eine internationale Combo und leben in unterschiedlichen Ländern. Da müssen die Musiker immer eingeflogen werden, und das kostet Geld. Das sind zusätzliche Herausforderungen.
MF: Wie wichtig war David Chastain zu Beginn deiner Karriere für dich als Gitarrist und Songwriter?
Gus: Er gab mir die Möglichkeit, in meinen frühen Zwanzigern eine Band und ein Label zu finden. David hat mir geholfen, meinen eigenen Stil zu finden und war der Erste, der mich produzierte. Er half mir dabei, Musiker zu finden, die meine Ideen umsetzen und aufnehmen konnten. In den frühen Tagen spielte er eine Schlüsselrolle in meinem Leben.
MF: Du warst für einige Zeit Gitarrist bei Ozzy, welche Erinnerungen daran hast du?
Gus: Das war eine wirklich grossartige Zeit. Jeder Tag war fantastisch, und wir spielten riesige Shows. Es war eine interessante Erfahrung, auf diesem Level musizieren zu können und ein Teil einer solchen Organisation zu sein. Ich bin glücklich und dankbar, dass ich diese Zeit erleben durfte. In meinen jungen Jahren war es eine sehr gute Zeit, bei der ich nicht die Erwartung hatte, in solche Dimensionen vorzustossen. Ich hatte die Möglichkeit, als Headliner auf den grössten Festivals und im Madison Square Garden zu spielen und mit Ozzy ein Album («Scream», 2010) aufzunehmen. Ich konnte all die Dinge machen, von denen ich nie zu träumen gewagt hätte (grinst zufrieden). Danach kam ich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück (grinst) und arbeitete weiter an meiner Musik. Es war eine unglaubliche Erfahrung, die ich nie vergessen werde.
"...Zu sehen, wie die wirklich grossen Stars abliefern, ist eine Inspiration, die ich nie vergessen werde..."
MF: Was hat dich nachhaltig geprägt, als du mit Ozzy auf der Bühne warst?
Gus: Alles, heisst alles, was den ganzen Tag um mich herum passierte. Allein die Tatsache, dass ich ein Teil davon war und all das erleben konnte, auf diesem Level…, du spielst in einer anderen Liga und musst immer abliefern. Allein die Erfahrung, die ich daraus ziehen konnte, wie professionell man auf der Bühne sein muss, hat mir im weiteren Verlauf meiner Karriere sehr geholfen. Zu sehen, wie die wirklich grossen Stars abliefern, ist eine Inspiration, die ich nie vergessen werde.
MF: Was war dann für dich in der Vergangenheit wichtig, und was ist es heute?
Gus: Wow…, ich denke, ich habe immer noch die gleichen Prinzipien. Ich habe sie in den letzten Jahren nicht gross verändert, sondern immer versucht, mich auf die Musik zu konzentrieren und dabei Qualität abzuliefern. Konstant mit meiner Musik und meinem Spiel sein. Die Musik ist und bleibt die wichtigste Sache in meinem Leben. Wenn du aufwächst, realisierst du viele Dinge, die um dich herum passieren. Vieles entpuppt sich nicht so, wie man es sich vorgestellt hat, besonders wenn du ein Teil des Musik-Business bist, aber die Liebe und Leidenschaft zur Musik ist wichtiger als alles andere. Es gibt nichts Romantisches im Musikgeschäft (grinst). Klar hatte ich viel Spass, das will ich nicht abstreiten. Auf die Bühne gehen zu können und für die Fans zu spielen, ist noch immer ein wundervolles Gefühl, darüber hinaus der grösste und wundervollste Traum, den man leben kann. Der Fokus liegt immer noch auf der Musik und darauf, weiterhin das tun zu können, was ich liebe.
MF: Dann wünsche ich dir noch viele schöne Momente dabei und hoffe, dich bald wieder in der Schweiz zu sehen.
Gus: Ich danke dir, Martin. Leider ist kein Gig auf dieser Tour in der Schweiz geplant, aber ich hoffe, dass wir bald wieder bei euch auftreten werden.