Swiss Hard Rock and Heavy Metal Magazine since 1999
You can reach us via email or phone.
+41 (0) 79 638-1021
"...nach all den Jahren wurden die ersten beiden Scheiben zu Klassikern. Wie willst du ein Album toppen, das zu einem Klassiker wurde?..."
Wie so viele andere Truppen, fielen auch die Herren Ted Pilot (Gesang), Ed Archer (Gitarre), John Macko (Bass), James Byrd (später Kendall Bechtel Gitarre) und Ken Mary (Drums) nach zwei erfolgsversprechenden Alben auseinander. Zwei Scheiben («Fifth Angel», «Time Will Tell») entstanden, welche heute zu Recht als Klassiker des Metals angesehen werden. Es schien alles so wunderbar zu laufen. Aber wieder zerbrach eine Band mit Potenzial am Business und dessen Umständen. «The Third Secret» erschien somit eigentlich völlig unerwartet, und dennoch konnten die Herren, nach fast 30 Jahren, damit nahtlos an die beiden Vorgänger anknüpfen. Wie es zum neusten Fifth Angel-Werk kam, wie Ken sich an die Zeit bei Alice Cooper erinnerte und was die Zukunft zu bieten hat, berichtet der Wunder-Schlagzeuger im folgenden Interview.
MF: Wieso dauerte es fast 30 Jahre von «Time Will Tell» bis zu «The Third Secret»?
Ken: Da gibt es einige Gründe, wieso es so lange dauerte. In erster Linie existierten Fifth Angel für eine Zeit nicht mehr. Erst 2010 kamen wir wieder zusammen und sprachen über ein neues Album. Die ersten beiden Scheiben gehören sicherlich zu den Metal-Classics. Diese Gewissheit machte uns sehr nervös, weil wir nicht etwas Halbgares produzieren, sondern den beiden Vorgängern gerecht werden wollten. Als wir mit dem Schreiben starteten, bemerkten wir, wie schwer es war in die Vergangenheit zu reisen. Die Inspirationen waren anders, als wir in den Achtziger unbekümmert neues Material komponierten. Wir waren alle noch Teenager (lacht). Mit unserem Alter sich nun zurück zu bewegen und zu fühlen, was damals war, entpuppte sich als unmöglich. Wir probierten viele Dinge aus, waren aber nicht glücklich mit dem Resultat. Als wir mit dem Schreiben für «The Third Secret» begannen, waren wir uns sicher, dass sich der Sound nach Fifth Angel anfühlt. Wir wussten, das Material kann sich mit den anderen beiden Alben messen und wir konnten stolz auf das Ergebnis sein. Es war eine Frage dessen, ob wir das richtige Material komponierten. Es freut mich, wenn dir das Album auch so gefällt wie uns. Weisst du, «The Third Secret» ist von den drei Werken mein absoluter Liebling. Klar liebe ich aber auch die frühen Alben (grinst).
MF: Wie schwer entpuppte sich das Songwriting nach einer so langen Zeit?
Ken: Es war wie eine Formel, nach der wir arbeiteten. «The Third Secret» ist in erster Linie Kendall, John und ich. Das ist ein anderes Team, als auf den beiden Vorgängerscheiben. Da waren die Komponisten Ed, Ted, James und ich. Das sind völlig unterschiedliche Writing-Teams. Zuerst probierten wir mit unterschiedlichen Sängern oder schrieben mit anderen Leuten für «The Third Secret». Aber es klang nie nach Fifth Angel. Das erste Mal, als wir inne hielten, uns ansahen und wussten, das hört sich nach Fifth Angel an, war, als Kendall, John und ich mit dem Komponieren begannen. Zusammen hatten wir sehr schnell neues Material geschrieben, so dass wir in ein paar Monaten alles fertig hatten. Wir drei schmissen unsere Ideen zusammen und es funktionierte problemlos. Als wir komponierten, hörten wir oft die alten Scheiben an und wussten, dass wir etwas Neues, Spannendes und Passendes am Kreieren waren. Die Energie und die Emotionen…, es fühlte sich an, als ob die Songs uns finden würden (grinst).
MF: Welcher Druck war grösser? Jener damals für «Time Will Tell», als Nachfolger für das sensationelle Debüt-Album, oder fürs dritte Werk?
Ken: Ich denke, dass der Druck bei «The Third Secret» grösser war. Aus dem einfachen Grund, weil eine so grosse Zeitspanne dazwischen lag. Plus, nach all den Jahren wurden die ersten beiden Scheiben zu Klassikern. Wie willst du ein Album toppen, das zu einem Klassiker wurde? Wenn die Leute älter werden, hören sie sich die Bands an, mit denen sie aufgewachsen sind, weil sie einen speziellen Platz in ihrem Leben haben und sie wichtige Situationen damit verbinden. Nichts wird jemals diesen Platz einnehmen können. Das gilt auch für mich. Als ich ein Kind war, liebte ich Rush. Wenn ich mir die Scheiben heute anhöre, weiss ich, dass diese Songs durch nichts in meinem Leben zu ersetzen sind. Aus diesem Grund war der Druck bei «The Third Secret» um einiges grösser (grinst).
MF: Was ist denn das "dritte Geheimnis"?
Ken: «The Third Secret» basiert auf einer Geschichte, die man auf Wikipedia nachlesen kann. Das muss 1917 gewesen sein, als eine junge Frau, die in Portugal lebte, drei Visionen hatte. Bei der dritten sagen viele Leute, dass diese nicht der Wahrheit entspricht. Sie war so furchtbar, dass man den Leuten nicht erzählen durfte, was der Inhalt war. Die Kirche verbot es. In unserer Interpretation ist das dritte Geheimnis…, auch wenn wir nicht sicher sind, was es wirklich war, muss es etwas Furchtbares sein. Am Ende des Tages beschreibt sie das Ende der Welt (Anm. des Schreiberlings: Angeblich soll das Geheimnis der dritte Welt-, oder einen Atomkrieg vorher sagen).
MF: Dann gehe ich davon aus, dass Texte für euch sehr wichtig sind?
Ken: Ich denke, Lyrics sind sehr wichtig. Es unterstreicht zusätzlich den Stil eines Albums und zeigt, wie wir uns gewisse Dinge vorstellen oder darüber denken. Wir versuchten eine Fortsetzung der ersten beiden Scheiben zu komponieren. Es ist das dritte Kapitel, in dem wir über ähnliche Dinge oder Ideen sprechen. Es ergab sich sehr natürlich, was mit diesem neuen Writing-Team nicht selbstverständlich war. Wir komponierten starke Songs und die passenden Texte dazu.
MF: Gab es Pläne, die Band wieder mit Ted und James zu reformieren?
Ken: Wir versuchten es. Ted ist sehr beschäftigt. Er ist ein Orthopäde und wechselte dann in die Luft- und Raumfahrtindustrie. Wir sprachen mit ihm und versuchten ihn zumindest als eine Art Gastsänger auf das Album zu locken. Ted war der Meinung, dass er schon zu lange nicht mehr gesungen hatte und dass es für ihn keinen Weg zurück gibt. James…, ich fragte ihm, ob er nicht Gast auf ein paar Liedern sein möchte. Er hatte keine Gitarre mehr zu dieser Zeit. Ich kann dir nicht sagen, was die Gründe sind. Er wechselte seinen Wohnsitz nach Washington. Vieles schien sich in seinem Leben verändert zu haben. Wir versuchten beide wieder an Bord zu bekommen, in diese Fifth Angel-Familie. Aber es scheint, dass sie dieses Kapitel für sich geschlossen haben. Wir wollten mit der Band aber nach vorne schauen und taten, was wir machen mussten. Für jeden ist die Türe offen, sollte er es sich nochmals anders überlegen und wieder ein Teil von Fifth Angel werden.
"...Ich weiss aber, dass wir ein paar andere, sehr erfolgreiche Truppen inspirierten und beeinflussten..."
MF: Wieso habt ihr nie den grossen Erfolg feiern können? Ihr seid alles talentierte Musiker und hattet sensationelle Lieder.
Ken: Ich kanns dir nicht sagen (grinst). Es gab sicher einige Gründe…, es ist schwer vorher zu sagen, was passieren könnte, wenn man als junge Band startet. Ich weiss aber, dass wir ein paar andere, sehr erfolgreiche Truppen inspirierten und beeinflussten. Keine Ahnung, wieso der grosse Erfolg bei uns ausblieb. Wir arbeiteten hart an unserer Zukunft, versuchten grossartige Musik zu schreiben und ich glaube, viele Leute schätzen dies auch. Aber es gibt auch immer eine geschäftliche Seite (grinst), die nicht zu unterschätzen ist. Es muss einiges zusammen passen mit dem Plattenlabel und den Personen in deren Umfeld. Da passierte auch einiges, welches nicht in unserer Kontrolle war…
MF: Du hast in vielen anderen Truppen gespielt wie Impellitteri, Chastain, House Of Lords, Accept oder auch Alice Cooper. Welche Erinnerungen hast du an diese Zeit?
Ken: Nur fantastische Erinnerungen, an alle! Noch heute sind Wolf (Accept), Peter (Accept), Alice, Dave (Chastain) oder Chris (Impellitteri) gute Freunde von mir. Zudem bin ich glücklich, mit all diesen Bands gearbeitet zu haben. Dies waren tolle, musikalische Erfahrungen und alle sind unglaubliche Musiker. Ich fühle mich gesegnet, diese Gelegenheiten gehabt zu haben. Es gibt keine Erfahrung, welche ich missen oder ändern möchte. Es würde keinen Sinn machen, da ich nie unglücklich war.
MF: Wie wurdest du ein Mitglied der Alice Cooper-Band?
Ken: Ich spielte im Whisky A Go Go, dem sehr berühmten Club in Los Angeles. Ich war mit Randy Hansen auf Tour, als sich ein paar Leute des Managements von Alice Cooper das Konzert ansahen. Nach der Show fragten sie mich, ob ich nicht Lust hätte bei Alice Cooper vorzuspielen. Als die Probe vorbei war wurde mir mitgeteilt, dass noch einige Anwärter in den kommenden Tagen vorspielen würden. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass jemand dabei sein konnte, der besser war als ich (lacht). Bevor ich bei Alice war, bestand mein grösstes Konzert aus 3'000 Plätzen. Das fünfte Konzert mit Alice wurde live auf MTV übertragen und war mit 22'000 Leuten restlos ausverkauft, zwei Nächte hintereinander. Das war, als junger Musiker, eine tolle Erfahrung. Ein fantastischer Moment, den ich nie vergessen werde.
MF: Warst du enttäuscht, dass du Alice verlassen hast, kurz bevor er die ganz grossen Erfolge mit «Trash» und «Poison» feierte?
Ken: Damals herrschte eine andere Situation. Heute hat Alice eine Band, die auch nach einer richtigen Band aussieht. Wie ein Teil einer Organisation und einer Show. Dies schon seit einer langen Zeit. Damals waren Leute involviert, welche die Alice-Band nicht als ihre Heimat sahen. Wenn du in einer stabilen Truppe bist, willst du alles zusammen machen. Wenn aber Menschen dabei sind, die nur von einem weiteren Konzert sprechen, fühlt sich dies für mich sehr komisch an. Darum schloss ich mich House Of Lords an. Auch Kip Winger formierte seine eigene Truppe und Kane veröffentlichte seine Solo-Scheiben. Ich denke…, involvierte Leute sprachen komische Dinge…, weisst du, es machte Spass und ich liebte Alice, aber es gab Typen, welche uns das Gefühl gaben, keinen Teil des Ganzen zu sein.
MF: Somit hast du heute bei Flotsam And Jetsam deine musikalische Heimat gefunden?
Ken: Wir haben eine Menge Spass, spielten einige grossartige Konzerte, komponierten gerade tolles, neues Material und beendeten das kommende Album zusammen. In meinen Augen haben wir ein sehr starkes Werk geschrieben. Jetzt sind wir natürlich sehr aufgeregt und wollen wissen, wie die Fans das sehen (grinst). Du hast recht, im Moment ist Flotsam, gemeinsam mit Fifth Angel mein Zuhause. Obschon du heute eigentlich in fünf unterschiedlichen Truppen spielen musst, um als Musiker zu überleben (lacht). Die Herausforderung heute ist nicht wie viel Geld du verdienst mit der Musik, sondern wie oft du live spielst. Was im Moment unmöglich ist. Momentan haben wir eine sehr seltsame Zeit, durch die wir alle gehen müssen. Hoffen wir, dass es bald wieder zu einer Normalität zurück geht.
"...Du kommst aus der Schweiz? Das ist ein geniales Land. Du lebst in einem Land, das noch weiss, wie man rockt..."
MF: Was waren die erfolgreichsten Momente für dich?
Ken: Meine favorisierte Ära waren wahrscheinlich die Mitteachtziger. Das war wirklich eine lustige Zeit mit der Musik. Noch heute sind die europäischen Fans unglaublich. Hier in den Staaten differiert dies sehr. Damals war dies hier völlig anders. Bei euch, auf all den Festivals oder auf Tour…, noch immer lieben die Fans die Musik und geniessen die Zeit, die wir zusammen haben. Wie grossartig ist das, die Musik gemeinsam zu geniessen?! Das hat sich in den USA völlig verändert. Damals in den Achtzigern war ein komplett anderer Markt für diese Musik da. Darum liebe ich Europa noch immer. Du kommst aus der Schweiz? Das ist ein geniales Land. Du lebst in einem Land, das noch weiss, wie man rockt (lacht).
MF: Welches waren deine schwierigsten Zeiten?
Ken: Ich bin mir nicht sicher, aber ich denke…, Momente, wie diese (lacht). Du kannst nicht auftreten! Wenn man ein neues Album im Studio aufnimmt, steht man weit voneinander entfernt! Erik hat seine Parts in einem Glaskäfig eingesungen…, wir nahmen ein Album auf und haben nie zusammen an den gleichen Songs gearbeitet (lacht). Es ist eine schwierige Zeit und wahrscheinlich die Schwierigste überhaupt. Du kannst nicht live spielen. Wenn du es liebst zu performen und auf der Bühne zu stehen…, es ist für alle Musiker eine komische Zeit und auch für die Fans.
MF: Was sind die Pläne für die Zukunft?
Ken: Im kommenden Juni erscheint das neue Flotsam And Jetsam-Album! Momentan arbeiten wir an neuen Demos für Fifth Angel. Wir versuchen an neuer Musik zu arbeiten, weil es unmöglich ist auf die Bühne zu gehen. Das einzig Gute an der Pandemie ist, dass wirklich neue und gute Musik das Licht der Welt erblickt hat.
MF: Herzlichen Dank für das Interview…
Ken: …ich danke dir Martin und hoffe dich bald wieder auf Tour zu sehen. Ich liebe die Schweiz, das ist ein wunderschönes Land. Pass auf dich auf, grüsse deine Familie und bleibt gesund mein Freund.