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"...Der schwierigste Teil war, nicht vor einem Publikum auftreten zu können. Das war echt seltsam, keine Energie der Fans zu spüren..."
Auf der Bühne ein Derwisch und beim Interview, wie immer, der Kumpel von nebenan. Sänger Mark Osegueda hat nicht nur markerschütternde Schreie drauf, sondern punktet auch durch sein lautes Lachen. Mit dem neuen Live-Album «The Bastard Tracks» im Gepäck, das unter "speziellen" Umständen aufgenommen wurde und viele Songs beinhaltet, die lange nicht mehr oder noch gar nie gespielt wurden. Damit war schon mal genügend Gesprächsstoff vorhanden. Plauderlaune war also angesagt beim Shouter, der zusammen mit Death Angel Gründungsmitglied Rob Cavestany (Gitarre), Ted Aguilar (Gitarre), Damien Sisson (Bass) und Will Carroll seit zwölf Jahren am Musizieren ist. Nicht nur das neue Live-Album war eines der Themen, über die gesprochen wurde, sondern auch San Francisco, die Heimatstadt der Truppe, Freundschaft und die Corona Erkrankung von Will, der sich mit dem Virus auf der «The Bay Strikes Back»-Tour in Europa infizierte, als Death Angel zusammen mit Exodus und Testament auf Konzertreise waren.
MF: Welche Erinnerungen hast du an das Konzert zu «The Bastard Tracks»?
Mark: Weisst du Martin (grinst), ich liebe diesen Veranstaltungsort. Es ist eine grossartige Musikhalle in San Francisco, die wie ein altes Theater aussieht. Death Angel haben noch nie ohne Publikum gespielt. Wir wollen dies auch nicht mehr (lautes und langes Lachen). Wenn wir dort wieder auftreten, dann nur mit Publikum. Es fühlte sich dennoch grossartig an, endlich wieder live zu spielen. Mit meinen Jungs auf einer Bühne zu stehen war sensationell. Das war wirklich der beste Teil des Ganzen. Klar übten wir im Proberaum, aber endlich wieder auf einer Bühne stehen und spielen zu können, dieses "normale Ding" zu erleben, war fantastisch. Der schwierigste Teil war, nicht vor einem Publikum auftreten zu können. Das war echt seltsam, keine Energie der Fans zu spüren. Man beendet den Song und denkt jetzt explodieren die Emotionen, und der Einzige der vielleicht in die Hände klatschte, war der Kameramann. Das war so komisch. Death Angel sind eine Live-Band. Wir liefern den Fans Energie, und sie geben sie an uns zurück. Das ist dieses "geben und nehmen" Ding, das beide Parteien dermassen aufputscht. Das ist der grösste Spassfaktor und Hauptgrund, wieso man Musiker wird. Den habe ich definitiv vermisst (lacht).
MF: Was hast du gedacht, als der Song zu Ende war und es keine Reaktionen dazu gab? Hast du dich gefragt: "sind wir gut oder schlecht"?
Mark: Genau mein Freund. Jeder sah den anderen an und fragte sich: "War das nun gut?" (lautes Lachen). Das ist wirklich sehr hart. Du versuchst weiter zu machen und bist wirklich verunsichert. Spielst du vor Publikum, vergeht eine Show wie im Fluge, verdammt schnell. Spielst du eine tolle Show, denkst du nur: "Scheisse, sind wir schon fertig?" Wir sind Entertainer und Adrenalin Junkies.
MF: Ja, das habe ich bei jeder Show bemerkt, die ich von euch besuchte und wusste: "Was für eine unglaubliche Band stand da auf der Bühne!"
Mark: Mein Freund, was für ein tolles Kompliment, wenn du dies so anerkennst. Vielen herzlichen Dank. Wir leben dafür auf der Bühne zu stehen. Ich kann es kaum abwarten, endlich wieder auf Tour gehen zu können (lautes Lachen). Immer wenn wir in der Schweiz spielten, verbrachten wir eine verdammt tolle Zeit und zockten extrem geile Konzerte. Es scheint, dass sich vieles wieder normalisiert.
MF: Wieso habt ihr das Album «The Bastard Tracks» genannt?
Mark: Es war für uns ein Spass. Alle Lieder spielten wir schon lange nicht mehr oder noch nie. Es gibt sehr wenige Bands, die ein ganzes Set nur mit solchen Tracks bestücken. Klar bleiben dabei einige Klassiker auf der Strecke, aber das ist ja das Problem. Je mehr Alben du in petto hast, desto schwieriger wird es, eine Setliste zusammen zu stellen. Ganz abgesehen davon, von jedem Album die Schlüssellieder zu performen. Das ist das Gute an der Metal Szene, und dies hebt uns von allen anderen Genres ab! Bei denen gehen die Fans zu Spotify oder i-Tunes und laden sich einzelne Nummern herunter. Sie hören sich die Lieder an, welche ihnen vorgeschlagen werden oder die sie hören wollen. In der Metal-Community kauft sich der Fan das komplette Album, weil er sich dafür interessiert. Es ist das gesamte Werk, das spannend ist und es zu entdecken gilt. Höre ich mir den Track einer für mich neuen Band an, dann will ich wissen, wie sie sonst noch klingen. Wie bei «The Bastard Tracks», wenn die Fans schreien: "Du heilige Scheisse, sie spielen diesen Track!", und dein Kumpel neben dir sagt: "Verdammt, und den haben sie auch endlich wieder ausgegraben!" (lautes Lachen). Einfach, weil die Fans gewisse Lieder mit ihrer Vergangenheit verbinden. Darum haben wir diese Tracks ausgesucht und hoffen, dass die Leute die Songs ebenso lieben wie wir. Nicht nur die Hardcore-Fans.
MF: Ich hatte das gleiche Empfinden und freute mich wie ein kleines Kind, all die vergessenen Perlen wieder zu hören. Am Ende fragte ich mich allerdings, wieso zur Hölle nennen die Jungs das Album «The Bastard Tracks» und nicht «The Forgotten Killers»?
Mark: Ja Martin, ein absolut perfekter Titel (lacht). Das ist unglaublich und freut mich, wenn dir die Songauswahl so gut gefällt.
MF: Denkst du, dass ihr all diese Lieder auf einer der kommenden Tourneen nochmals spielen werdet?
Mark: Das ist lustig, denn wir verbrachten so viel Zeit mit den Songs und fragten uns bei den Proben, wieso wir diese Tracks so lange nicht mehr im Set hatten. Jeder hat die Lieder bei sich zu Hause geübt. Als wir uns im Proberaum trafen, schauten wir uns an und fragten: "Wieso blieben diese Songs so lange aussen vor?" Wir haben sie uns zu Hause ausgiebig drauf gepackt, damit wir "tight" genug waren, sie auf der Bühne spielen zu können. Wie eine Fahrradfahrt, die sich zu einem "Bullet Train" steigert (lautes Lachen). Ich entwickelte einen grossen Respekt für diese Tracks, jeder von uns in der Band. Es besteht die Möglichkeit, dass wir sie wieder in das Set aufnehmen. Dies hängt aber damit zusammen, ob wir eine Support-Show oder einen Gig als Headliner spielen. Kürzlich spielten wir auf einem Festival. Am "Thrash Tag" traten Anthrax, Exodus und Testament zusammen mit uns auf. Da wir sehr früh auf die Bühne mussten, konnten wir nur ein sehr kurzes Set spielen. Bei knapp einer halben Stunde Spielzeit packst du die eigenen Hits aus. Erst ab 45 Minuten oder einer Stunde wird es reichen, auch die «Bastard Tracks» wieder zu spielen.
MF: Wie kam es zum Black Sabbath Cover?
Mark: Oft wenn wir live spielen, nehmen wir einen Cover-Song ins Set rein. Über all die Jahre spielten wir «Heaven And Hell» (Black Sabbath) oder einige Lieder von KISS. «Falling Off The Edge Of The World» (Black Sabbath) spielten wir ein Jahr davor an einer Weihnachts-Show. Die Reaktionen waren dermassen überwältigend, dass wir dachten, es macht Sinn ihn erneut einzubauen. Wir wollten ein Cover spielen, und das einzige was gerade präsent war, war eben dieses (grinst).
MF: Ihr spielt jetzt seit zwölf Jahren im gleichen Line-up, wie wichtig ist dies für dich?
Mark: Das ist extrem wichtig, dass wir in diesem Line-up spielen können. Weisst du Martin, als uns Dennis (Pepa, Bass) und Andy (Galeon, Drums) vor über zwölf Jahren verliessen…, die beiden letzten Gründungsmitglieder sind Rob und ich…, viele Leute waren da der Meinung, dass uns dies das Genick brechen würde, wenn Dennis und Andy nicht mehr in der Band sind. Für mich gab es zur Hölle aber keinen Grund die Truppe aufzulösen und zu sagen, dass mein Traum nun vorbei sei. "NO WAY!" Für Rob und mich war klar, dass der Weg mit Death Angel weiter gehen soll. Ted war schon bei der Reunion 2001 dabei. Zusammen mit ihnen schrieben wir neues Material. Als «Relentless Retribution» erschien, waren die Reaktion besser als wir dachten und uns erhofften. Wir gingen auf Tour, länger als zuvor. Seit diesem Werk veröffentlichten wir mehr Alben, als mit jedem anderen Line-up, gehen ausgiebiger auf Konzertreise als mit der alten Besetzung und treten solider auf. Ich weiss, wie wichtig das Original Line-up ist. Ohne dieses wären wir heute nicht da, wo wir aktuell stehen. Auch würde unsere Geschichte anders aussehen. Die letzten zwölf Jahre sind für mich "die produktivsten Monate" in meiner Karriere. Ich denke wir sind eine verdammt grossartige und coole Metal Band geworden (lautes Lachen).
"...Sie haben die Szene damals geformt und aus der Taufe gehoben. Zudem verkauften sie am meisten Alben..."
MF: Darum verstehe ich nicht, wieso ihr nie ein Teil der «Big Four» (Megadeth, Metallica, Slayer und Anthrax) geworden seid!?
Mark: Es bringt nichts darüber zu reden oder zu spekulieren (grinst). Sie waren vor uns da und standen viel grösser und fetter im Geschäft. Sie haben die Szene damals geformt und aus der Taufe gehoben. Zudem verkauften sie am meisten Alben. Ich zolle ihnen grossen Respekt für das, und wir sind mit allen gut befreundet. Es ist wie es ist. Wir sind nie in diesen kommerziellen Erfolg hinein gerutscht. Trotzdem bin ich stolz auf das, was wir als Band erreicht haben. Das konnten viele Truppen nicht geniessen. Wir haben ein sehr eigene Identität und vieles was Death Angel taten, haben andere Thrash Bands nie gemacht.
MF: Welche Erinnerungen hast du an die «The Bay Strikes Back» Tour, zusammen mit Testament und Exodus?
Mark: Das war eine unglaubliche Tour. Ich wollte immer einmal in meinem Leben eine Konzertreise spielen…, das Ende war dann allerdings ziemlich abstrus. Es war trotzdem eine der besten Tourneen, die wir spielten, wenn nicht sogar die Beste. Es war das erste Mal, dass diese drei Combos zusammen tourten. Die Shows waren ein Spektakel, und die Bands verbrachten eine unglaubliche Zeit untereinander. Auch die Fans genossen diese Zeit mit uns. An vielen Orten waren die Shows komplett ausverkauft. Backstage fühlte es sich wie eine grosse Familie an. Wir kennen uns seit wir Teenager sind. Jeder hielt sich im Backstage Raum des anderen auf, was eine völlige Normalität war. Es war eine Gemeinschaft wie eine Familie und absolut wunderbar. Die Shows waren wirklich ein SPEKTAKEL! Wir mussten wegen dem Virus, das so neu war, zwei Konzerte absagen. Corona…, davon hörte man bald darauf mehr und mehr. Wenn du in einem Tourbus bist, dann bleibt die Grippe nicht aus. Keiner konnte damals wissen, dass es keine war. Erst als wir aus Europa kommend wieder in den Staaten ankamen, ging das weltweite Chaos los. Will war sehr, sehr krank, und wir versuchten zu einer Art Normalität zurück zu kehren.
MF: Wie hast du die Erkrankung von Will miterlebt?
Mark: Zuerst war es sehr unheimlich. Wenn du auf Tour bist, bekommst du oft nichts mit von dem, was draussen in der Welt passiert. Klar hörten wir von dieser Pandemie. Aber wie gesagt, bist du auf Tour, ist immer irgendwer krank, auf JEDER Tour! Wie auch damals, da wussten wir doch nicht, dass dies COVID-19 war. Wir hatten keine Ahnung, wie man es erkannte. Als wir zurück waren, musste Will ins Spital. Zu dem Zeitpunkt war die Krankheit von ihm für uns sehr unheimlich, weil sie nicht greifbar und verständlich war. Gott sei Dank hatte Will sehr fachkundige Ärzte an seiner Seite, so dass es ihm heute besser denn je geht. Er spielt viel besser als früher und befindet sich in der besten gesundheitlichen Verfassung, wie noch nie zuvor. Er geht ins Fitness Studio und macht täglich seine Übungen. Als er begriff, wie es um ihn stand…, es ist wunderbar, wie es ihm heute geht. Er passt seriöser auf seine Gesundheit auf und fand dadurch auch mehr Feuer und Leidenschaft für das Leben. Er übt mehr als früher, und wenn wir uns im Proberaum treffen, spielt er besser denn je. Er ist eine Maschine.
"...Metallica, Exodus, Testament, Vio-Lence, Heathen, Blind Illusion und wir. Es war wundervoll dazu zu gehören..."
MF: Wenn du zurück blickst, welchen Spirit hast du damals in der Bay Area gespürt?
Mark: Es war ein grossartig, ein Teil einer Szene zu sein, welche das Interesse am Metal erweckte und auf die Bay Area legte. Es war wirklich ein magischer Moment, denn alle Truppen kamen aus der gleichen Gegend. Metallica, Exodus, Testament, Vio-Lence, Heathen, Blind Illusion und wir. Es war wundervoll dazu zu gehören. Als wir jünger waren, trieb uns das Gleiche an. Was sich daraus ergab, war eine magische Welle. Wir besuchten viele Konzerte. Bands kamen zu uns und wir gingen an ihre Gigs. Das waren wirklich Gemeinschaften und ein freundschaftlicher Wettbewerb untereinander (lautes Lachen). Jede Woche spielte eine andere Truppe, das vermisse ich heute. Auch wenn die Bay Area noch immer da und lebendig ist. Aber es hat sich vieles verändert, und man kann nicht mehr jede Woche an einen Gig gehen, der dir das Gehirn raus fliegen lässt (lacht).
MF: Welches war für dich die schwierigste Zeit?
Mark: Die schwierigste Zeit…, das müsste…, hmmm…, immer wenn ich von einer Tour nach Hause komme. Wenn man einen Moment zu Hause ist und merkt, wie alles in der Welt den Bach runter geht. Die ersten sechs Monate der Pandemie waren sehr schwierig und äusserst hart. Zu realisieren, dass die Gesundheit über allem steht. Ich mag es raus zu gehen und Party zu machen. Mein Leben wieder aufzubauen und zu wissen, nicht jeden Abend ausgehen zu können, war eine verrückte Situation. Früher kam ich ab und zu morgens nach Hause (grinst), und nun mache ich um diese Zeit meine Spaziergänge, schaue nach meinen E-Mails und frühstücke. Den Prozess, dass ich am frühen Morgen einen klaren Kopf habe und mich mit Übungen fit halte, hat mich um einiges gesünder leben lassen und werden. Klar trinke ich Wein und habe ab und zu eine verrückte Nacht (lacht), aber die Pandemie liess mich einen anderen Weg wählen. Ich stehe nicht mehr am Mittag auf und denke: "Mann, heute siehst du wieder scheisse aus!" (lautes Lachen). Dieser positive Effekt, der aus dieser Realität entstand, ist bedeutend gesünder für mich. Ich sehe es positiv und hoffe, dass ich bald wieder das tun kann, was ich so sehr liebe und vermisse. Endlich wieder auf die Bühne zu gehen (lautes Lachen)!
MF: Gibt es eine Geschichte zu eurem Bandnamen?
Mark: Ja, natürlich gibt es die (grinst). Wir waren sehr, sehr jung. 1982 waren wir verdammt jung (lacht). Der Älteste von uns war dreizehn Jahre alt und Andy war elf Jahre jung. Zuerst nannten wir uns Dark Fury. Mit dem Namen traten wir aber nie auf. Wir wollten einen Titel, der im Gedächtnis bleibt und mit Heavy Metal assoziiert wurde. Als wir zum ersten Mal den Namen Black Sabbath hörten, dachten wir nur: "HOLY SHIT!" Das ist ein mächtiger Koloss. Er war unheimlich und böse. Wir wollten etwas, das genau so klang. Wir gingen also in einen Buchladen und sahen dort ein Buch mit dem Namen "Death Angel". 1982 trugen viele Truppen "Angel" in ihrem Bandnamen (lautes Lachen). Damals war die Szene jedoch um einiges kleiner als heute. Es gab Dark Angel, dann Morbid Angel…, ich freue mich, dass es heute noch so viele junge und neue Combos gibt, aber zum Teufel, alle guten Namen sind doch schon vergeben (lacht). Da ist es verdammt schwer, noch einen weiteren tollen Namen zu finden (lautes und langes Lachen).
MF: Herzlichen Dank für das Gespräch…
Mark: …ich danke dir, es war so grossartig wieder mit dir sprechen zu können. Cheers, bleib gesund und auf bald wieder!