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"...Wir Ladies sind wie eine grosse Familie und sind auch privat sehr oft zusammen..."
Hat man als Frauenband das Glück auf seiner Seite oder muss man für die Anerkennung mehr schuften als eine Boy-Band? Sind die optischen Merkmale für die männlichen Zuhörer oftmals wichtiger als die musikalischen Fähigkeiten? Im Umfeld der helvetischen Hexen gab es in den Sozialen Medien immer wieder unnötige Kommentare, welche Burning Witches mit ihrer Musik beantworteten und somit die Lästermäuler verstummen liessen. Seit sechs Jahren ist das Quintett unterwegs und belegt mit traditionellem und zeitlosem Metal, dass Frauen in der ansonsten von Männern dominierten Metal-Welt mit den Besten problemlos mithalten können. Genau gleich wie die weitaus mehr rockorientierteren Thundermother scheren sich die Hexen nicht um idiotische Kommentare, sondern werden von Album zu Album besser. War «Dance With The Devil» schon ein Klasse-Album, so überzeugt der vierte Streich «The Witch Of The North» mit packenden Metal-Klängen und einer Geschichte über die nordische Mythologie. Sängerin Laura Guldemond, die beiden Gitarristinnen Romana Kalkuhl und Larissa Ernst sowie Jeanine "Jay" Grob berichten im Interview, wie es zum neuen Album gekommen ist und wie sie, zusammen mit Trommlerin Lala Frischknecht, sich dem Savatage-Klassiker «Hall Of The Mountain King» angenommen haben.
MF: Wo seht ihr die Unterschiede zwischen «Dance With The Devil» und «The Witch Of The North»?
Jay: Bei «Witch Of The North» haben wir das Tempo angezogen…
Romana: …genau, und die Scheibe ist epischer ausgefallen. Laura hat sich mit ihrer Gesangsstimme "gefunden", nicht wie beim letzten Werk, bei dem sie sich ihren Platz noch suchen musste. Viele Dinge sind sehr spontan entstanden…
Jay: …Romana sprudelt immer vor Ideen und begeistert uns damit.
Laura: «The Witch Of The North» hängt stark mit der nördlichen Mythologie zusammen, während wir bei «Dance With The Devil» unseren Ideen freien Lauf liessen. Die Lieder sollten dieses Mal eher dem eines Geschichtenerzählers gleichen. Die Texte und die Story setzten wir in Musik um.
MF: Gibt es ein Konzept hinter den Texten?
Laura: Romana kam mit dieser Idee, nachdem sie ein Riff schrieb, das sehr an Amon Amarth erinnerte. Der Titel klang sehr cool, aber niemand in der Band hatte eine Idee, wer sie sein könnte (lacht). Es ging ans Recherchieren, inwieweit diese Hexe existierte. Tatsächlich gab es zwei Hexen, welche anderen Hexen die Macht verliehen, in die Zukunft zu sehen. Die meisten kennen nur Freya, die Göttin der Liebe und Ehe. Ich liebe solche Mythen, aus denen sehr interessante Texte komponiert werden können. Es hat viel Spass gemacht, sich in diese nordische Mythologie einzulesen und daraus ergaben sich die meisten Inspirationen für die Texte von «The Witch Of The North».
MF: Liebst du es eher aggressiv zu singen oder mit mehr Emotionen wie bei «Black Magic»?
Laura: Ich mag beides (grinst) und dabei viele Dinge auszuprobieren. Darum liebe ich das neue Album, weil es ein sehr dynamisches Werk geworden ist. Diese Energie lässt sich in den Geschichten sehr gut ausleben. Viele Tracks haben laute, aber auch sensible Momente. Ganz ehrlich, ich mag es unterschiedliche Dinge zu singen. Solange der Gesang zum Lied passt, gibt es nichts, was wir mit Burning Witches nicht tun können.
MF: Wie kam es zur Coverversion von «Hall Of The Mountain King»?
Romana: Laura kam mit der Idee an. Wir sind alle grosse Savatage-Fans und lieben den Track. Was lag also näher, als diesen Hit umzusetzen? Wir fragten Chris Caffery. Er war sofort dabei, hat uns sein Solo und die Rhythmusparts geschickt, wie auch das Ende.
Jay: All unsere Coverversionen haben uns beeinflusst und damals auch zu Metal-Ladies werden lassen.
Romana: Wer weiss, vielleicht covern wir in naher Zukunft einen Track von Iron Maiden (grinst). Das wäre eine geile Geschichte, aber es existieren The Iron Maidens, deswegen haben wir diesen Wunsch noch in der Kiste gelassen.
Jay: Mal schauen, wenn das nächste Studioalbum ansteht, was passiert. Wir planen nichts, sondern es entsteht immer spontan.
MF: Laura, wie bist du zur Band gekommen?
Laura: Sonia (Nusselder, ehemals Gitarre) kannte mich, da wir zusammen in einer holländisches Band spielten. Wir verbrachten viel Zeit zusammen und gingen oft an Konzerte. Sie wusste wie ich singe und kannte meinen Stil. Sonia schlug mich vor. Auf Youtube ist eine Coverversion von mir zu sehen, auf der ich Judas Priests «A Touch Of Evil» singe. Da sieht man auch, dass ich sehr unterschiedliche Dinge singen kann. In meinen anderen Truppen sang aber ich eher clean. So kam alles ins Rollen.
MF: Wie gross war für dich der Druck in die Band einzusteigen?
Laura (lachend): Es ist lustig, dass du fragst, wie gross der Druck für mich war, bei Burning Witches einzusteigen. Für mich war es eine grosse Möglichkeit und Veränderung, die mit viel Spass verbunden war und zu mir passte. Zu dem Zeitpunkt war ich mir nicht sicher, ob ich den Weg als Musiker eingehen wollte. Es ist sehr schwierig geworden, wenn du dich auf eine Band konzentrierst. Aber diese Möglichkeit schien wie ein Wink des Schicksals, dass es klappen könnte. Aber ja…, es war viel Druck da (lacht). Zudem standen die Festivals vor der Türe, und ich musste als neue Sängerin bereit sein. Die erste Show war das "Sweden Rock Festival", nicht gerade eine kleine Show (lacht). Es war cool auf der Bühne zu stehen, aber der Druck war immens. Wir haben sehr fokussiert geprobt, so dass alles geklappt hat. Es war sehr speziell, das erste Konzert mit Burning Witches beim "Sweden Rock" zu spielen. Ich versuchte mich total zu fokussieren und bestens vorbereitet zu sein. Ich war natürlich nervöser als sonst (lacht). Es standen viele Leute vor der Bühne. Spielst du auf einem Festival, fühlt sich dies immer wie Urlaub an (grinst). Einige Leute erkannten mich und schrien: "Hey Laura!". Es hat unheimlich Spass gemacht.
Romana: Wir hatten einen erhöhten Herzschlag, waren nervös, aber auch glücklich mit Laura beim "Sweden Rock" auftreten zu können. Sie hatte kaum Zeit, um sich das Material drauf zu packen.
Jay: Es waren sieben bis zehn Tage…
Romana: …das war echt eine tolle Leistung von ihr. Sobald wir auf der Bühne standen, war die ganze Unsicherheit und Nervosität weg. Zudem fiel uns eine riesen Last von den Schultern. Wir waren sehr erleichtert. Die Situation vorher…, das ging gar nicht mehr! Das war eine Katastrophe, und darum war dieses Konzert eine richtige Erlösung. Laura ist Metal durch und durch. Seraina hatte einen anderen musikalischen Hintergrund. Für uns war immer klar, Metal und nichts anderes, während Seraina nie genau wusste, was sie wollte.
MF: Wie kam es zum Ausstieg von Sonia und kam der für euch unerwartet?
Romana: Nicht unbedingt. Wir merkten, dass die Verbindung nicht zu 100 % passte. Wir Ladies sind wie eine grosse Familie und sind auch privat sehr oft zusammen. Sonia war nicht immer dabei. Plötzlich interessierte sie sich für andere Musik…
Jay: …sie hat sich ein bisschen abgewendet. Schade, denn wir sind nicht nur auf, sondern auch hinter der Bühne eine verschworene Einheit. Dieses Familien-Ding ist uns sehr wichtig und mit Larissa sind wir "the circle of five".
Larissa: Das hat mich echt weggeblasen, als ich damals bei der Akustik-Corona-Show dieses Band-Feeling miterleben durfte. Das ist keine Band, das ist eine richtige Familie…
MF: …und wie kam es zu deinem Einstieg?
Larissa (lachend): Auf der einen Seite ist diese eine lange Geschichte, die man aber auch schnell erzählt hat (lacht). Mit Romana habe ich zusammen im Kinderchor gesungen. Ihre Mutter war für einige Jahre meine Klavierlehrerin. Zusammen entdeckten wir im Teenager-Alter die gemeinsame Liebe zum Metal und hatten den gleichen Gitarrenlehrer (Damir). Für eine Zeit verloren wir uns aus den Augen und lebten an verschiedenen Orten. Als vor einem Jahr die Anfrage kam, ob ich bei dieser Akustik-Session dabei sein möchte, freute ich mich wahnsinnig. Noch mehr freute es mich, bei den Mädels einsteigen zu dürfen!
Romana (lachend): Für uns war wichtig, dass die "Neue" menschlich mit uns harmoniert. Logisch benötigten wir auch eine gute Gitarristin.
MF: Wie wichtig ist ein Image für euch oder in eurem Fall die Hexen?
Jay: Ich denke, ein Image ist wichtig. Das Hexen-Thema kann ausgelotet werden. Etwas, das nie langweilig wird. Romana hatte die Idee, dass wir uns in einem bestimmten Look auf der Bühne präsentieren und nicht in den Alltags-Kleidern. So nehmen wir eine andere Rolle ein und besitzen einen Wiedererkennungswert.
Laura: Wir sind wie ein Hexen-Clan, da wir auch viel gemeinsam unternehmen. Ja, und es hat etwas Magisches. Etwas, das wir im Metal sehr mögen. Dieses Mystische, Okkulte und leicht Gruslige. Zudem wird nie ein Mann eine Hexe sein (grinst).
"...Ich hoffe, dass die Leute mittlerweile begriffen haben, dass wir auch tolle Songs schreiben und diese auch spielen können..."
MF: Hat man es als Frau schwerer oder einfacher in diesem Business?
Laura: Ab und zu…, es hängt davon ab, an was du arbeitest. Ich war nicht von Beginn weg bei der Truppe dabei. Als die Mädels starteten, versuchten sie Connections aufzubauen. Dabei waren ihnen einige Typen nicht sehr positiv und nett gegenüber eingestellt. Da ich damals nicht dabei war, ist es schwer mir eine Meinung darüber zu machen. Ich denke, es ist einfach zu sagen: "Schaut euch an, das sind alles Frauen, da ist doch klar, was ihnen geholfen hat, dass sie dastehen, wo sie sind". Dabei wird oft vergessen, dass wir gute Musikerinnen sind. Ich hoffe (lachend), dass die Leute mittlerweile begriffen haben, dass wir auch tolle Songs schreiben und diese auch spielen können. Im Moment haben wir diese Probleme nicht mehr. Als ich in die Truppe eingestiegen bin, erlebte ich nur positive und offene Leute im Musikbusiness. Vielleicht können wir auch für anderen Frauen-Bands eine Türe öffnen und ihnen Mut machen?! Wahrscheinlich war es zu Beginn für die Mädels nicht einfach. Wieso auch immer.
Romana: Ich denke, wären wir keine Frauen, hätten wir dies alles nicht erreicht. Aus dem einfachen Grund, weil eine reine Lady-Truppe eine Seltenheit ist. Auf der anderen Seite wird man oft nicht ernst genommen…
Jay: …oder völlig unterschätzt. Ohne Durchhaltevermögen und eisernen Willen gehst du unter. Ganz wichtig ist auch das Umfeld, da können wir auf sehr tolle Leute zählen.
MF: Denkst du, dass ihr es in den achtziger Jahren einfacher gehabt hättet?
Laura: Ich hab keine Ahnung, um ehrlich zu sein. Das ist eine schwierige Frage. Ich denke in den Achtzigern war es etwas Neues, als Girl-Band aktiv zu sein. Darum bin ich mir nicht sicher, ob es einfacher gewesen wäre (lacht). Damals war einiges anders und der Hype sehr gross. Die Labels verfügten über mehr Geld, um in eine neue Truppe zu investieren. Vielleicht war einiges möglich, aber ich würde es nicht wagen zu behaupten, dass alles einfacher war.
Jay: Keine Ahnung…, ich bin mir nicht sicher…, vielleicht ist es damals für eine Frauen-Band noch schwieriger gewesen als heute? Ich bin mir aber sicher, dass wir uns 1984, wie auch 2021 unseren Platz gefunden hätten (grinst). Wir befinden uns in einem Schiff, das mit Vollgas geradeaus fährt und lassen uns von Niemandem und Nichts aufhalten.
MF: Welche Ziele verfolgt ihr mit Burning Witches?
Jay: Als Romana die Band gründete, war das "Ziel" mit fünf Frauen auf der Bühne zu stehen und Spass zu haben. Ziele hatten wir keine…
Romana: …es hat sich alles ergeben (lacht). Alles was wir uns erträumten, konnten wir schon umsetzen. Wir sind bei einer geilen Plattenfirma untergekommen, haben in Wacken gespielt, einen coolen Manager und die besten Leute in unserem Umfeld, die man sich wünschen kann. Das alleine ist ein wahnsinniger Traum, den wir täglich ausleben können.
MF: Ging alles für euch auch ein bisschen zu schnell, so dass ihr kaum die Zeit hattet, alles zu realisieren und zu geniessen?
Romana (lachend): Es ging alles sehr schnell vorbei, dabei realisiere ich kaum, was wir schon alles erreicht haben. Jeder Tag erleben wir ein neues Highlight und was gestern war, ist schon wieder Vergangenheit.
Jay: Ich erinnere mich kaum an die Hälfte der Konzerte (lacht). Weil einfach alles so schnell an mir vorbei zieht.
MF: Dann wünsche ich euch noch viele tolle Momente, danke euch für das Interview und die Zeit…
Laura: …sehr gerne…
Jay: …danke dir…
Larissa: …auf bald…
Romana: …und melde dich, wenn du an einem Gig von uns bist.