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"...ich sass als 14- oder 15-Jähriger vor dem Fernseher, schaute mir Mosh-TV an und sah dort, wie Peavy in Polen herum hüpfte..."
So als kleiner Tour-Appetizer sass ich mit Peavy (Rage) und Andy B. Franck (Brainstorm) zusammen, um einen kleinen Einblick zur kommenden, gemeinsamen Tour zu gewähren, die am 18. Oktober 2022 im Z7 Halt machen wird. Die beiden haben mit ihren Bands viel zu sagen und sind in der Metal-Welt nicht mehr wegzudenken. Wie es aber kam, dass sie nun zusammen auf die Bühne gehen, welche Bands sie wie beeinflussten und warum Peavy auf dem letzten Brainstorm Album als Gastsänger zu hören war, das könnt ihr auf den folgen Zeilen nachlesen.
MF: Andy, wie kam es dazu, dass Peavy auf dem letzten Brainstorm Album («Wall Of Skulls») zu hören ist?
Andy: Peavy brauchte Geld, hat mich angerufen und gefragt, ob er das machen könnte (lautes Lachen)
Peavy: Ja, genau so war es (lautes Lachen).
Andy: Nein, es war völlig anders. Wir hatten von der Produktion her noch Geld übrig und fragten uns, wem wir das geben könnten. Nein, das ist alles Quatsch. Ich sass vielmehr mit Seeb (Sebastian Levermann, Orden Ogan und Produzent von Brainstorm) zusammen und sagte ihm, dass mir schon lange die Idee durch den Kopf gehe, mal einen Gastsänger auf der Platte zu haben. Das hat sich bis dahin nur nie angeboten. Diverse Sänger schwirrten mir im Kopf herum, und Seeb meinte nur: "Weisst du Andy, du bist schon geil. Du schaust nach Amerika oder Schweden, dabei hast du ein Urgestein, der ein dicker Kumpel von dir ist und den du seit Jahren kennst…, seine Platten höre ich mir seit seinen Anfangstagen an, auch als sie sich noch Avenger nannten oder als ich das erste Video «Don't Fear The Winter» sah, dass ihr in Katowice aufgenommen hattet…
Peavy (lachend): …genau…
Andy: …das habe ich anbetend vor dem Fernseher geschaut. "Warum stellst du dich so blöd an und fragst nicht Peavy?!", war die Meinung von Seeb. So kam alles ins Rollen, und ich bin unfassbar stolz, dass Peavy uns geholfen hat. Ganz ehrlich, ich sass als 14- oder 15-Jähriger vor dem Fernseher, schaute mir Mosh-TV an und sah dort, wie Peavy in Polen herum hüpfte. Dass er auf unserer Platte mittut, ist für uns eine grosse Ehre. Für die ganze Band macht sein Beitrag das Album noch spezieller, und ich bin ihm mega dankbar, dass er uns da geholfen hat.
Peavy: Danke für die Blumen (lachend), wir kennen uns ja schon ziemlich lange. Wir waren uns immer sehr sympathisch, und darum war eure Anfrage eine Ehrensache für mich. Seeb kenne ich ebenso seit einer Ewigkeit und konnte auch bei ihnen einen Song mitsingen. Wenn mich Leute anfragen, mir der Track gefällt und ich Bock darauf habe…
Andy: …ich finde das geil…
Peavy: …du würdest das sicher auch machen?
Andy: Sowas erträumst du dir im Teenager-Alter nicht. Tolle Sache! Geiles Ding! Ganz ehrlich, und das meine ich jetzt ohne zu übertreiben, aber dies wird immer einen Platz in meinem Herzen haben.
Peavy: Wenn es Bedarf gibt, lade ich dich gerne zu uns in Studio ein.
Andy: Peavy, du brauchst bloss anzurufen.
"...wir müssen schon schauen, denn der Fan der ersten Show soll die gleiche gut aufspielende Band sehen, wie der Fan des letzten Gigs..."
MF: Entstand schon damals die Idee für diese geneinsame Tour?
Peavy: Gute Frage, das Ding ist schon über eine Jahr in Planung, und ich weiss echt nicht mehr, wie die Idee entstand…
Andy: … ursprünglich war angedacht, dass wir beide parallel auf Tour gehen.
Peavy: Genau und Pandemie-mässig wurde alles wieder abgesagt.
Andy: Daraus ergab sich dann der Gedanke, alles zusammen zu schmeissen. Persönlich finde ich es eine total geile Geschichte. Man vermutete immer diese Rivalitäten… Ich habe schon viele Tourneen gespielt und muss echt sagen, dass die zu klärenden Dinge und die Abstimmungen…, es war selten so entspannt wie mit den Jungs von Rage.
Peavy. Das finde ich auch. Das wird auch so ein bisschen zum Trend mit diesen Co-Headliner-Tourneen.
Andy: Aber wir haben es erfunden (schallendes Gelächter).
Peavy: Wir müssen uns noch unterhalten wegen COVID, wie wir da vorgehen wollen.
Andy: Wir lassen einen kleinen Bus mitgefahren und alle infizierten sitzen da drin. Dann brauchen wir eine Andockstelle, zwischen dem Bus und der jeweiligen Halle, damit die direkt vom Gefährt auf die Bühne und zurück können (schallendes Gelächter) Nein, wir müssen schon schauen, denn der Fan der ersten Show soll die gleiche gut aufspielende Band sehen, wie der Fan des letzten Gigs. Da gehen einfach die Gesundheit und die Musik vor. Vielleicht lassen wir dann die hautnahen Selfies mit den Fans weg, aber das ist nur zum Schutz aller. Ich bin da nicht so pessimistisch wie andere Combos, die ihre Konzertreisen schon abgesagt haben, aber eine gewisse Vorsicht kann nicht schaden.
MF: Ist das für beide Truppen eine gleichberechtigte Tour mit gleich langen Spielzeiten?
Peavy: Beide Bands spielen 75 Minuten, aber wir wechseln uns jeden Tag ab, wer als Letzter auf die Bühne geht.
MF: Wie wird die Setliste aussehen, eigentlich habt ihr ja zwei Alben, die ihr promoten solltet?
Peavy (grinsend): Ja, das war eine längere Diskussion. Wir haben uns auf zwei unterschiedliche Sets geeinigt, die wir abwechselnd spielen.
Andy: Das wird bei uns nur um einen Song variieren. Ansonsten behalten wir das Set gleich. Bei uns wird «Wall Of Skulls» promotet. Darum wird ein Grossteil der Lieder von diesem Werk sein, plus noch ein paar Gassenhauer.
"...Vom Alter her könnten es meine Söhne sein ..."
MF: Ihr beide habt neue Mitglieder in der Truppe. Wie schwer oder wie einfach ist es, neue Musiker in ein lang bestehendes Line-up Gerüst einzubinden?
Peavy: Im Prinzip ist es eine Herausforderung. Jeder neuer Musiker bringt etwas Eigenes mit, und es braucht ein gewisses Gefühl dazu, wie sich die Dinge entwickeln könnten, um sich für die richtigen Leute zu entscheiden. Dazu brauchst du ein bisschen Glück, dass es schlussendlich funktioniert (grinst). Mit Jean und Stefan hatte ich ein Riesenschwein gehabt. Das hätte theoretisch auch ins Auge gehen können. Ob sich dies in zwanzig Jahren nicht immer so geil anfühlt (lacht), weiss man nicht, Aber im Augenblick ist es echt eine super Stimmung und ich hoffe, dass es so bleibt (grinst). Vom Alter her könnten es meine Söhne sein (Andy lacht sich schlapp). Das sind aber auch total liebe Jungs!
Andy: Ich finde, Rage wirken homogener als viele Line-ups davor. Vor ein paar Monaten haben wir zusammen gespielt. Dabei schaute ich mir die Show von Rage sehr fasziniert an. Diese Besetzung ist unheimlich homogen und agil. Die Band steht als Mannschaft auf der Bühne und nicht als drei Einzelmusiker. Das war früher ab und zu der Fall.
Peavy (lachend): Dann kann nichts mehr schief gehen.
Andy: Bei uns stieg nach vielen, vielen Jahren Toni Ieva aus. Wir hielten danach einige Sessions mit vielen Bassisten ab. Da haben sich überraschenderweise auch einige bekannte Namen darum bemüht. Es war für uns eine Ehre, dass sich all diese Musiker bei uns bewarben. Mit Andreas haben nun wir einen Kerl gefunden, der aus unserer Nähe kommt. Einer, der sich unheimlich schnell integriert hat.
Peavy: Das ist ein total netter Typ. Ich war mit ihm schon auf Tour, damals hat er noch bei Vanish gespielt. Ich kann nur Gutes über ihn berichten.
Andy: Das ist für uns auch wichtig, weil Brainstorm eh so eine Harmonie-bedürftige Truppe ist, die viel Kuscheleinheiten braucht (alle lachen). Ganz ehrlich, es waren viele coole Jungs da, und die spielen alle auf einem Top-Niveau. Der ausschlaggebende Punkt war das vor und das Zusammensitzen nach der Probe. Da hat sich mit Andreas schnell eine Chemie entwickelt, und bis heute haben wir es zu keiner Sekunde bereut
"...Ich gebe jeder neuen Platte eine weitere Chance und hoffe auf ein Neues «Somewhere In Time» oder «Powerslave», wurde aber jedes Mal wieder enttäuscht..."
MF: Kommen wir noch zu ein paar Bands, die euch sicher beeinflussten. Die Frage ist nur, welche mehr oder wer euch in all den Jahren nachhaltiger begleitet hat. Judas Priest oder Iron Maiden?
Peavy (grinsend): Priest!
Andy (lachend): Maiden!
Peavy: Iron Maiden mag ich auch. Die frühen Platten bis und mit «Powerslave». Dann wurde es mir persönlich zu langweilig. Seit dieser Zeit wiederholen sich die Jungs nur noch. Was da heute veröffentlicht wird, ist in meinen Augen unter aller Sau. Judas Priest hielten ein anderes Niveau. Was die früher ablieferten, war richtig geil. Aber auch heute können sie da problemlos anknüpfen, wie mit dem letzten Werk «Firepower». Klar, auch sie hatten ein paar Hänger, aber im Gesamten gesehen besitzen sie ein ganz anderes Niveau.
Andy: Bei mir war es Bruce Dickinson (Sänger von Iron Maiden). Er hat Show-technisch…, wie er auf der Bühne agiert, fand ich immer phänomenal. Das war für mich immer der Knaller. Ich gebe Peavy "fast" recht. Bei mir gings noch zwei Platten länger. Nach «7th Son Of A 7th Son» war bei mir Schluss. Der Einstieg mit Janick Gers…, seitdem habe ich das Gefühl…, er kam rein und das Niveau verschwand. Ich gebe jeder neuen Platte eine weitere Chance und hoffe auf ein Neues «Somewhere In Time» oder «Powerslave», wurde aber jedes Mal wieder enttäuscht.
Peavy: Die neuen Platten klingen auch so schrecklich produziert.
Andy: Von «The Number Of The Beast» bis «7th Son Of A 7th Son», das war für mich die absolute Perfektion.
Peavy: Darauf begründet sich auch ihr riesiger Ruhm. Die meisten Fans sehen dies glaube ich auch so.
Andy: Judas Priest haben in der Summe gesehen, auch wenn sie ein Album wie «Nostradamus» veröffentlichten, mit dem ich überhaupt nichts anfangen kann, die qualitativ hochwertigeren Alben abgeliefert. «Angel Of Retribution», respektive ganz besonders «Defenders Of The Faith» und «Screaming For Vengeance», das sind alles Klassiker…
Peavy: …vergiss «British Steel» nicht!
Andy: Um deine Frage abschliessend zu beantworten. Iron Maiden gewinnen mit knappen 51 %, dicht dahinter folgen Judas Priest. Nächste Frage (lautes Lachen).
MF: Saxon oder Tygers Of Pan Tang?
Beide: SAXON!
Peavy: Wegen den Klassikern, aber auch wegen den Musikern. Das sind total liebe Jungs.
Andy: Das ist eine Truppe, die mich schon als Kind begleitet hat. Als ich damals das Cover zu «Crusader» sah, hatte sich nichts bewegt, erst als ich das Intro hörte. Das sind geile Songs, und die Jungs sind Legenden.
Peavy: Was die Truppe für eine Hitdichte ausweisen kann…, die könnten locker drei Stunden auf der Bühne stehen und würden dabei einen Hit nach dem anderen heraus pfeffern. Da würde sich nicht ein Füller darunter befinden!
"...Dave Mustaine legt auf sein Alter nochmals los (lacht), das erwarte ich von Metallica nicht mehr..."
MF: Metallica oder Megadeth…
Andy (wie aus der Pistole geschossen): …ich wusste genau, dass diese Frage kommt. Zu 100 % (lautes Lachen). Peavy, mach du, denn bei mir wirds länger (lacht).
Peavy: Berufe ich mich auf den gesamten Band-Katalog, dann wären es Megadeth. Metallica waren bis zum schwarzen Album eine tolle Truppe. Auch wenn «And Justice For All» für mich zu viele Füller enthielt. Danach kam nie wieder etwas, das mich begeistert hat. Seit Anfang der Neunziger ist die Band für mich tot, was den musikalischen Output angeht. Natürlich war deren Einfluss auf die gesamte Musikszene in den Achtzigern immens. So ein Album wie «Master Of Puppets» haben Megadeth nicht hingekriegt, aber auf die letzten vierzig Jahre gesehen, da lieferten Megadeth einiges mehr an grossartigen Platten ab. Speziell die letzten beiden sind sehr, sehr gut. Dave Mustaine legt auf sein Alter nochmals los (lacht), das erwarte ich von Metallica nicht mehr.
Andy: Bei mir ist es relativ einfach. Die ersten drei Scheiben von Metallica sind fantastisch. Ich muss allerdings sagen, dass ich damals das «Mechanix» Demo in den Staaten bestellte. Von Megadeth habe ich Dinge, die es auf der Welt nur gerade fünf Mal gibt. Bis 2010 reiste ich der Truppe regelmässig hinterher, wenn sie in Europa spielten. Dave Ellefson (Bass) und Dave Mustaine lernte ich so auch kennen. Für mich war «Peace Sells» das Album!
Peavy: Da kannst du eine ganze Latte an Scheiben nennen, die sind alle klasse!
Andy: Darum stehen Megadeth ganz klar vor Metallica.
Peavy: Ich finde es richtig geil, dass Kiko bei Megadeth Gitarre spielt. Den kenne ich schon seit Ewigkeiten. Das erste Album mit ihm, «Dystopia», kommt für mich direkt nach «Peace Sells».
Andy: «Risk», das Album verzeihe ich ihnen nie so richtig. Das habe ich Ellefson aber auch gesagt.
Peavy: Das sind aber auch ein paar coole Nummern drauf.
Andy: Ich erwartete etwas anderes. Damals spielten Megadeth, und ich besuchte sie auf ein paar Konzerten. Ich sass mit Ellefson zusammen und sagte zu ihm: "Die Platte ist einfach scheisse!". Er meinte nur: "Okay, du sitzt hier bei uns, wir haben dich eingeladen und du sagst, wie scheisse das Album ist! Aber du darfst trotzdem bleiben, du bist wenigstens ehrlich!" (lautes Lachen). Das Werk steht bei mir im Regal, aber ich habe keine Ahnung, wie selten sie sich auf dem Plattenteller gedreht hat. Ja, ich weiss Peavy, es sind zwei bis drei Songs, die sind nicht schlecht. Kommen jetzt noch Anthrax und Slayer (lacht)?
MF: Nein, jetzt hören wir auf. Nur noch eines, wenn ich euch auf der Bühne sehe, dann strahlt ihr stets eines aus, nämlich pure Freude und Spass an der Sache. Nach all dem Jahren, woher kommt diese Energie noch immer?
Andy: Nichts dazu gelernt (lautes Lachen).
Peavy: Dort her, wo sie auch schon seit fünfzig Jahren her kommt (lacht). Musik macht einfach Spass. Da gibt es kein Geheimnis dazu. Das ist eine der schönsten Sachen, die man machen kann.
Andy: Wie lernst du Musik kennen? Ich muss mit mir auf der Bühne Spass haben. Die besten Shows sind immer die, bei denen du dich selbst nicht so ernst nimmst. Ich vertrete die These, dass der Spass, den ich auf der Bühne habe, sich aufs Publikum überträgt.
Peavy: Genau, man darf das nicht so verbissen sehen. Ich hatte einen Gitarristen in der Band, der sah die Musik als Sport. Alles war ein Wettbewerb (lacht). Den kennst du auch Andy (beide lachen). Das war eine Sichtweise, die ich nie nachvollziehen konnte und die hat mich total abgenervt. Alles war immer so furchtbar ernst.
Andy: Es soll Spass machen. Wir sind keine Politiker, die auf die Bühne gehen, um anderen Leuten eine Meinung aufzudrängen. Die Fans zahlen Geld für ein Konzert und wollen abgelenkt werden. Deswegen freue ich mich so auf die «BrainRage» Tour. Das wird nicht nur für die Besucher, sondern auch für uns Musiker eine sehr entspannte Geschichte.
Peavy: Das sehen wir genau gleich.
Andy: Wir wollen eine gute Tour spielen und Spass haben. Es ist völlig egal, ob der Rage- oder Brainstorm-Fan kommt. Die Person soll nach dem Gig nach Hause gehen und einen geilen Abend verbracht haben, darum geht es.
MF: Dann lasst uns noch immer viel Spass an der Musik haben. Ich freue mich auf das Konzert, wünsche euch bis dahin alles Gute und bleibt gesund. Danke für die Zeit und das sehr lustige Interview.
Andy: Kommt noch was (schallendes Gelächter)?
MF: Nein, jetzt ist fertig!
Peavy: Martin, bleib ebenso gesund. Machts gut Leute und auf bald.
Andy: Danke dir Martin, und bis bald im Z7.