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"... Das Z7 ist "Family". Es ist wie nach Hause kommen, als würden wir in der Bochumer Zeche spielen..."
Axel Rudi Pell ist ein unermüdlicher Hard Rock Gitarrist. In den letzten zehn Jahren hat er elf Alben veröffentlicht, darunter nicht nur neues Material, sondern auch Live-Alben und seine "berüchtigten" Balladen-Werke. Nun steht «Ballads VI» zum Kauf bereit und hinterlässt erneut einen mehr als nur guten Eindruck. Neben bekannten Nummern wie «Beyond The Light», «Fly With Me» und der Oberballade «Gone With The Wind» tummeln sich auch die neuen Tracks «Dust In The Wind» (Kansas) und «Diamonds And Rust» (Joan Baez) darauf. Sein prägnantes Gitarrenspiel ist ebenso zu vernehmen wie die nach wie vor göttliche Stimme von Johnny Gioeli. Es waren aber nicht nur seine Lieder, mit denen Mister Pell in letzter Zeit auf sich aufmerksam gemacht hat, sondern auch seine Parfüm-Kollektion, mit der er bei der "Höhle der Löwen" aufgetreten ist. Auch wenn immer alles wie am Schnürchen zu laufen scheint, musste die ARP-Band beim letzten Auftritt im Z7 mit einigen technischen Problemen kämpfen.
MF: Axel, was ist beim letzten Konzert im Z7 passiert?
Axel: Ach, das habe ich schon wieder vergessen (lacht). Ich habe der Melanie bloss gesagt, dass sie den Leuten auf "Schwyzerdütsch" mitteilen soll, was gerade auf der Bühne los ist. Irgendwas kackte ab, es gab einen technischen Defekt und wir konnten nicht weiter spielen. Das war nicht so schön (grinst).
MF: Ärgern dich solche Dinge noch oder nimmst du das gelassen...
Axel: ...ich tobe da nicht herum. Wieso auch? Die Show muss weitergehen, das weiss jeder.
MF: Welchen Bezug hast du zum Z7?
Axel: Das Z7 ist unsere zweite Heimat. Wir freuen uns immer darauf, dort zu spielen, nicht nur weil die Hütte immer relativ voll ist. Das Z7 ist "Family". Es ist wie nach Hause kommen, als würden wir in der Bochumer Zeche spielen. Es gibt keinen Unterschied mehr zum Z7.
MF: Fast 35 Jahre Axel Rudi Pell, welches Fazit ziehst du?
Axel: Sind das wirklich schon 35 Jahre? Keine Ahnung! Wenn mir jemand vor 35 Jahren gesagt hätte, dass ich immer noch Interviews mit Martin führen würde, hätte ich gesagt: "Bist du bescheuert? Da bin ich längst tot (lacht) oder in Rente. Das kann ich mir nicht vorstellen". Umso stolzer bin ich, dass ich noch immer hier bin und wir zusammen plaudern...
MF: ...und es scheint, dass du auch der einzige Hard Rocker bist, der immer wieder neue Balladen-CDs veröffentlichen kann?
Axel: Ja, schon wieder (lacht)! Ich habe keine Ahnung, aber der Erfolg gibt mir recht. Darum verstehe ich nicht, wieso andere Bands dies nicht auch so machen. Man sieht an unserem Beispiel, dass es funktionieren kann. Vielleicht sind die anderen aber auch nicht so gut mit ihren Balladen (schelmisches Grinsen), das kann sein (lacht).
MF: Nach welchem Muster suchst du dir die Balladen aus?
Axel: Grundsätzlich ist es eine Compilation. Alles was sich bei mir an Balladen auf den regulären Studio-Alben angesammelt hat, seit der letzten «Ballads V»…, das müsste 2017 gewesen sein?! Alles was sich seit dieser Scheibe angesammelt hat, ist auf «Ballads VI» zu hören. Dieses Mal habe ich nicht drei, sondern fünf neue Tracks aufgenommen. Ich dachte mir, gib den Leuten mehr für ihre Geld. Das Teil weist 74 Minuten Spielzeit auf, da kriegt man schon was geboten (grinst).
MF: Wie bist du auf die Cover-Nummern von «Dust In The Wind» und «Diamonds And Rust» gestossen?
Axel: Ich fand beide Tracks schon immer cool. Sollte ich jemals noch eine Cover- oder Balladen-Platte machen, dann müssen die beiden Songs auf jeden Fall zu hören sein. Die Idee schlummert schon ein paar Jahren in meinem Kopf. Sie sind nicht auf der «Diamonds Unlocked II», da nach meinem Gefühl da schon zu viele Balladen zu hören sind. Deswegen verschob ich beide Nummern auf einen späteren Zeitpunkt, der jetzt der richtige war. Wieso ich die beiden Lieder so mag, das kann ich dir nicht sagen (grinst).
MF: Wie gehst du an eine solche Cover-Version heran? Hast du eine klare Vision wie das Stück klingen soll oder kommt dies erst beim Einspielen?
Axel: Ich erstelle bei mir zu Hause Demos. Ausser Schlagzeug spiele ich alle Instrumente selbst ein. Die Geschwindigkeit lege ich vorher fest und spiele dazu. Vorher überlege ich mir, wie viel Keyboards zu hören sein sollen. Wird es eine Klavier Ballade oder eine, die auf die Gitarre aufbaut? Dieses Grundgerüst lege ich zu Beginn fest. Dazu überlege ich mir, welche Covers es von diesen Stücken schon gibt. Bei «Dust In The Wind» orientierte ich mich sehr an einer Version von Brian May (Queen). Er hat diese mit einem Sänger aufgeführt. Die hat mir besser gefallen als das Original von Kansas. Ich wollte auch nicht die Original-Version nachspielen.
MF: Du bist sehr fleissig im Veröffentlichen von Alben. Bei all den Downloads…, macht dies noch Sinn in dieser Regelmässigkeit?
Axel: Studio-Alben veröffentlichen wie alle zwei Jahre. Dazwischen hauen wir ein Cover- oder ein Balladen-Album heraus. Es kann auch eine Live-Scheibe sein. Ich komponiere zu viel (grinst). Halte ich die Gitarre in meinen Händen, fällt mir ständig was Neues ein. So kann ich meine innere Leidenschaft nach aussen transportieren. Dazu lasse ich die Gitarre sprechen. Bei all dem Komponieren fallen zu viele gute Ideen ab. Die sind besser oder auch schlechter. Bei den letzten Alben (kleine Pause)…, natürlich nur besser, das ist ja klar (grinst schelmisch).
MF: Das kann ich unterschreiben, zumindest war der Nachfolger nie schlechter als der Vorgänger…
Axel: …das stimmt. Das bedeutete, das Debüt-Album war richtig scheisse (lacht). Die folgenden wurden ein bisschen besser, und mittlerweile sind wir bei akzeptabel angekommen (lautes Lachen).
MF: Wobei Dein erstes Solo-Album "Wild Obsession" richtig geile Tracks drauf hatte…
Axel: ... nein! Ehrlich? Dann gehörst du zu den wenigen, die das so sehen.
MF: Auch wenn die Produktion nicht ...
Axel: ... die Produktion war furchtbar! Das war so ein 8-Tage-Ding. Aufnehmen inklusive Mix in nur acht Tagen. Das ging ruckzuck, war schnell fertig, und genau so klingt es auch. Ich würde heute manche Songs nicht mehr so aufnehmen, und der Sound geht gar nicht.
MF: Hast du dir nie Gedanken gemacht, "Wild Obsession" nochmals neu aufzunehmen?
Axel: Nein! Wieso sollte ich? Da sind Lieder zu hören, die ich heute nicht mehr schreiben und auch nicht mehr so spielen würde.
MF: Wie schwer ist es für dich geworden zu komponieren, da ich sicher bin, dass du einen sehr hohen Qualitätslevel hast, den du erreichen willst? Wird man da auch ab und zu ein bisschen wahnsinnig?
Axel: Jein! Habe ich eine gute Grundidee, sei es ein Riff oder eine Melodie für einen Chorus, fallen mir relativ schnell die passenden Dinge dazu ein. Die müssen nur noch konkretisiert werden. Ab und zu sind es auch nur Fragmente aus meinem Fluss an Riffs, bei denen ich die Teile zusammensetze. Parts, die unabhängig voneinander komponiert wurden. Es geht oft relativ schnell. Was mir schon passierte, dass ich meine fertigen Demos anhörte und ich mir denke: "Song Nummer elf, der kommt mir soo bekannt vor! Habe ich da schon mal gemacht?" Beim Durchgehen der Demos und der Lieder stellte ich fest, dass Track Nummer fünf den gleichen Chorus hat. Mit einem anderen Text. Da denke ich nur "SCHEISSE"! Der bessere Song überlebte, und der andere fiel raus. Das ist mir mittlerweile schon zweimal passiert (grinst). Das kann vorkommen, da ich mir die fertigen Demos nicht gleich wieder anhöre, sondern erst wenn alle Lieder fertig sind. Da können locker ein paar Wochen oder Monate dazwischen liegen.
"...Man muss sich nicht immer neu erfinden, aber darauf achten, dass sich die Kompositionen nicht zu sehr ähneln..."
MF: Wie schmal ist der Grat zwischen Trendmark Axel Rudi Pell und sich zu wiederholen?
Axel: Manche Leute sagen noch immer: "Kennst du ein Pell-Album, kennst du alle!" Das stimmt überhaupt nicht, das ist Quatsch. Von der stilistischen Ausrichtung her, klar zu 100 % getroffen. Aber! Ich habe keinen Song, der einem anderen ähnelt. Klar gibt es keine Riffs, die noch nicht da waren. Manchmal wird es anders situiert, oder es ist eine Kleinigkeit, die den Unterschied ausmacht. Ich denke immer: "Mensch, dieses Riff, das ist mega, wieso ist noch kein anderer auf diese Idee gekommen?" Wahrscheinlich gab es dieses schon irgendwo auf der Welt, nur weiss ich es nicht. Man muss sich nicht immer neu erfinden, aber darauf achten, dass sich die Kompositionen nicht zu sehr ähneln.
MF: Ist ein neues Live-Album geplant? Besonders auf dieser Tour war die Setliste sehr stimmig.
Axel: Das Set war super, das haben uns auch viele Leute gesagt. Schon wieder ein Live-Album? Ich weiss nicht, ob die Welt das wirklich braucht? Wir haben schon so viele, auch DVDs, ich kann sie schon gar nicht mehr alle zählen (grinst). Geplant ist nichts, was aber nichts bedeuten soll. Vielleicht gebe ich unserem Soundmann eine Festplatte mit, und wir nehmen ein paar Shows auf. Wenn da was Gutes dabei ist, dann machen wir wieder was, somit abwarten.
MF: Jede Show ist bei euch wieder anders, mit all den improvisierten Soloparts…
Axel: …das ist richtig, klar! Aber dann sagen die Leute: "Was, zum 100'000-sten Mal wieder «Rock The Nation» und «The Masquerade Ball»? Das braucht doch keiner!" Ich weiss nicht, ob ich selbst ein neues Live-Album will. Ausser es sind wirklich tolle Dinge zu hören, bei denen ich mich frage, was haben wir denn da gespielt! Das ist mega und kann man nicht besser spielen.
MF: Kommen wir nochmal zu „Ballads VI“ zurück. Wie habt ihr die Tracks aufgenommen? Alle zusammen oder jeder für sich?
Axel: Alle waren im Studio. Für die Demos spiele ich zuerst immer selbst die Instrumente ein. Bobby (Rondinelli, Schlagzeug) war dieses Mal nicht bei uns, sondern hat alles in New York eingespielt. Das war für mich auch günstiger. Für die paar Lieder muss er nicht bei mir sein. Bei zehn neuen Tracks ist es eine andere Geschichte. Da muss er hier sein, damit ich mit ihm seine Parts durchgehen kann. Die anderen waren aber alle bei mir, bis auf Johnny (Gioeli, Gesang), der immer alles in seinem Studio einsingt. Aber wir nehmen immer zusammen im Studio auf. Ein einziges Solo blieb von meinen Demos übrig. Das war dasjenige zu «Morning Star». Das Outro-Solo nahm ich zu Hause auf und versuchte es im Studio nochmal zu spielen. Ich sagte zu meinem Engineer: "Das kriege ich nie wieder so hin, das wird immer anders klingen". Das Feeling war so geil, dass wir es belassen haben.
MF: Es sind oft die eingefangenen Momente und nicht der perfekte…
Axel: …auf jeden Fall! Sind wir im Studio und nehmen das neue Album auf, nimmt der Ton-Engineer alles auf, was ich spiele. Selbst wenn ich mich nur zum Track warmspiele (lacht). "Der Part ist mega". Scheisse, ich kann mich nicht daran erinnern (lacht). Darum ist es immer gut, wenn er den Aufnahmeknopf schon gedrückt hat (lacht). Es sind oft diese kleinen, zehn Sekunden Spots, die das gewisse Etwas ausmachen können. Das sind sehr wichtige Teile, weil jeder Take dann beim Einspielen wieder anders klingen kann. Nicht bei den Melodien, sondern bei den Soloparts.
MF: Konntest du all deine Wünsche, Hoffnungen, Erwartungen und Ziele mit der Band erfüllen?
Axel: Unsere Karriere dauert hoffentlich noch fünfzig Jahre (lacht), wir sind ja erst in den Startlöchern. Ich wünsche mir mit jeder Platte in jedem Land eine Platin-Auszeichnung (hämisches Lachen), aber das wird nicht passieren. Ich konnte relativ viel umsetzen. Alles ist cool und darum würde ich alles wieder genau gleich machen, wie bisher. Ich hoffe, dass es noch etliche Jahre so weitergeht (grinst zufrieden).
MF: Was war für dich die schwierigste Zeit?
Axel: Der Sprung ins kalte Wasser, als ich bei Steeler ausgestiegen bin und meine Solo-Karriere startete. Zur gleichen Zeit arbeitete ich noch beim Metal Hammer als Fotoredakteur oder Depp vom Dienst (lacht). Als der Metal Hammer nach München umzog..., ich wollte meine Heimatstadt nicht verlassen. Zu sagen, ich lebe nur noch von der Musik, das war eine Herausforderung, weil ich nicht wusste, wie erfolgreich es werden wird. Kann ich von der Musik leben oder geht das Ganze nach hinten los? Zum Glück hat sich alles positiv entwickelt, und 1993 ging die erste "Ballads" steil nach oben, auch was die Verkäufe angeht. Das hat mir massiven Aufwind verliehen. Das nächste Studio-Album "Between The Walls" kletterte als erstes Werk von uns in die deutschen Album-Charts, auch wenn es nur im unteren Bereich in den 80er und 90er Jahren lag, und das für nur eine Woche. Aber damals dachte ich nur: "Yeah Baby, es läuft!" (lacht).
MF: "Between The Walls" ist für mich noch heute eine der drei besten Scheiben von dir...
Axel: ...nein, ohh (spricht wie Louis de Funès), das Gespräch ist hiermit beendet (lacht).
"...Ich habe Ahnung vom Musikbusiness und wie ein Vertrieb funktioniert, aber vom Geschäft mit Parfüms habe ich keinen Schimmer..."
MF: Wie kam es zu deinem Auftritt im TV bei "Höhle der Löwen", wo du dein eigenes Parfüm vorgestellt hast?
Axel: Ich experimentiere schon seit etlichen Jahren mit Düften, da ich für mich einen eigenständigen suchte. Es gab meine Favoriten, aber nie denjenigen, der mich vollständig überzeugte. Als ich fertig war, hatte ich sieben verschiedene Parfüms kreiert, darunter sechs Herrendüfte und einen Damenduft. Mein Ziel war es, sie auf den Markt zu bringen, heisst finanziell war mir das alles scheissegal. Ich wollte die Produkte mit einem Investor auf den Markt bringen, sodass jeder und jede sie kaufen konnte. Das war mein Bestreben. Ich habe Ahnung vom Musikbusiness und wie ein Vertrieb funktioniert, aber vom Geschäft mit Parfüms habe ich keinen Schimmer, weder einen Plan noch Connections. Die bekannte Show im Fernsehen war deshalb in meinen Augen die einzige Möglichkeit. Es wurde aber nur ein Bruchteil der Sendung ausgestrahlt, was ich darin sagte. Zu sehen waren zehn bis fünfzehn Minuten, die haben mich aber mindestens 95 Minuten gelöchert und gequält (lacht).
Geschadet hat dieser Auftritt meiner Karriere nicht (lacht), und es ging mir nicht darum, etwas Aussergewöhnliches auf den Markt zu bringen, sondern dass ich meine Kreationen auf den Markt bringen wollte. Die Produkte bestanden schon, aber mit einer anderen Idee wäre ich nicht ans Tageslicht gegangen. Die ganzen Bier- und Weinsorten, ob diese von AC/DC oder Motörhead stammen..., in allem ist doch die gleiche Plörre drin, abgesehen davon, dass das Etikett ein anderes ist. Darauf hatte ich keinen Bock. Ich hätte auch zu einem Parfümeur gehen können und ihn darum bitten, mir ein Parfüm zu kreieren, so einen" ARP Diesel Duft" (lacht). Das war nicht meine Intention. Wie bei meinen Songs auch, wollte ich etwas Selbstkreiertes auf den Markt bringen. Die Dinger sind Dinger sind erhältlich in unserem Shop. Warten wir also ab, was da noch passiert wird.
MF: Dann wünsche ich dir zu all deinen Produkten weiterhin viel Kreativität und dass du uns noch lange erhalten bleibst.
Axel: Ich danke dir! Hoffentlich sehe ich dich bald wieder an einem Konzert. Pass auf dich auf. Tschüss.