Bericht: Emergency Gate
By Roger W.
Musikjournalist zu sein ist ein Hobby, welches vor allem Spass macht! Umso mehr, wenn man für einen kritischen CD-Kommentar noch Lob einheimsen kann. Wenn die Band einen beim anschliessenden Auftritt auch vor halb leerer Halle fast wegbläst und schliesslich sogar eine Einladung für die Pre-Listening des Nachfolgewerks ins Haus fliegt, dann ist das Glück endgültig perfekt. Dass der Ort des Vorhörens dabei eine Bier-reiche Stadt ist, in die man es in seinen 25 Länzchen noch nicht geschafft hat, erleichtert den Entscheid zusätzlich, die Einladung anzunehmen.

Und so nahm ich die lange Zugfahrt nach München auf mich, um von einem gut gelaunten Emergency Gate Bassisten Mario abgeholt zu werden. Nach ausgiebig Schlaf und einem anschliessenden Interview mit den Emergency Gate-Kumpels Dreamscape durfte natürlich eine Führung zu den touristischen Hotspots der Bayern-Metropole nicht fehlen. Metallische Höhepunkte waren dabei der Teufeltritt in der Frauenkirche und das Hard Rock-Café, welches vis-à-vis des berühmten Hofbräuhauses liegt. Aber eigentlich ging es ja an diesem Wochenende um Musik! Und diese gab es am frühen Abend im Dreamscape-Studio in Form des brandneuen Emergency Gate-Albums "Rewake", welches erst Ende Januar 2009 erscheinen wird.

Der Eröffnungstrack „Double Suicide“ machte auch gleich klar, dass Emergency Gate nicht mehr 100% dieselben wie auf ihrem Debut-Album Nightly Ray sind. Hörte man darauf noch einen eigenständigen, schwierig einzuordnenden Heavy Metal, hat sich die Combo nun dem Melodic-Death-Metal zugewendet. Wobei auch diese Bezeichnung nur als wage Orientierungshinweis dienen kann. Denn Emergency Gate haben ihre Unberechenbarkeit beibehalten, wie der weitere Verlauf der Scheibe beweisen sollte. Der Grund dessen liegt in der Mannschaft, die zum grossen Teil ausgewechselt wurde. Am markantesten ist dabei der der neue Gesang, der nun von Ex-Suidakra Gitarrist und Mitsänger Matthias Kupka gesponsert wird. Zurück zum Eröffnungssongs: Ein heiseres „Rock’n’Roll-Rebell“ leitet „Double Suicide“ ein, worauf eine sehr komplexe, ja fast chaotisch anmutende Strophe folgt. Erst im Refrain wird der Song wieder geradlinig, worauf ein Gitarrensolo. Nach einem weiteren Refrain ist das Lied bereits zu Ende. Schnörkelloser und weniger böse, ja schon fast fröhlich rockt „Slave“ los, welches im Mittelteil ruhiger und im Refrain von Leadgitarren getragen wird. Wurde bis jetzt vor allem eher gekeift als gesungen, beginnt „…Of Stars And Drifting“ mit fast klarem Gesang und schleppend, bevor es an Tempo zunimmt und zum flotten Death-Rocker mutiert. Song Nummer Quattro heisst „Next In Line“ und ist ein sehr düsterer Stampfer, welcher mit tiefen, dann wieder mit cleanen Vocals gespickt ist. Nicht zu vergessen sind dabei die vielen elektronischen Einschübe, die den Sound vielfältiger, und beim ersten Hören nicht ganz fassbar machen.

Verwirrung stiftet anschliessend „Unbeing“. Ein Song, der mit einer Akkustik-Klampfe ruhig beginnt, und bei dem man nie weiss, was als nächstes kommt. Irgendwie hat man immer das Gefühl, dass er im nächsten Augenblick losrockt oder Gesang einsetzt. Nichts davon passiert, denn „Unbeing“ ist ein reines Instrumental, welches für das Album nicht geplant war und spontan von Urgitarrist Vlad geschrieben wurde. Zu einem kleinen Hit könnte sich „Gold & Glass“ mausern, ein Lied mit Elektro-einleitung, welches leicht poppig, aber schwer einzuordnen abgeht. Ebenso viel Potential liegt in der Double-Bass-Attacke „The Purpose“, die sich Filmsoundtrack-artig und mit gedoppeltem Gesang in die Hirnrinde einfrisst. Beim ersten Hördurchgang weniger spektakulär wirkt da schon „Trust In Me“, es klingt entfernt rock’n’rollig und verbreitet gute Laune, soweit dies mit gekeiftem Gesang überhaupt möglich ist. Überraschung Numero zwo erreicht mit „Remains“ die Ohren. Oder wer würde schon von einer Melodic-Death-Metal-Kapelle eine rauchige, leicht epische Blues-Hard-Rock-Ballade erwarten? Machte bisher Sänger Matthias Kupka bei den harten Songs mit verzerrtem und cleanem Gesang eine gute Falle, erzeugt er mit seiner kratzigen und doch weichen Stimme jetzt endgültig Gänsehaut und lässt einem vor Erfurcht vor den Boxen knien. Dieser Sänger scheint schlicht alles singen zu können!

Nach dieser neuen Erfahrung kann man sich mit „Elementor“ wieder zurücklehnen und wird vorerst vor weiteren Überraschungen verschont. Wiederum treibt der Song gut nach vorne, baut vor allem im Mittelteil mit Geisterstimmen Spannung auf und leitet so hervorragend zum zweitletzten Song über. „Live v2.0“ ist schnell, sehr dynamisch, und hat neben einem coolen Gitarren-Solo einen Mitsingrefrain, welcher erstmals mächtige Chöre einsetzt. Zum Schluss gibt’s mit „Lullaby“ noch den letzten stilistischen Schock. Ruhig und mit einer Schlaflied-Melodie wird man durch die rauchige, cleane Stimme Kupkas ans Ende der Scheibe begleitet, wo man gerne den Knopf zum noch einmal Hören drücken würde. Dies geht aber leider bei einer Pre-Listening nicht. Mist!

Emergency Gate sind sich trotz Musik-Stil- und Mannschaftswechsel treu geblieben. Wiederum schaffen sie es zu verwirren. Gitarrist Vlad: „Wir wollen eigentlich keinen eigenen Musikstil kreieren. Primäres Ziel war es, etwas härter zu werden und uns dabei auf unsere eigene Art auszudrücken.“ Die Aufnahmen dauerten fast 9 Monate, wobei das Schlagzeug innert 27 Stunden eingetrommelt wurde. Auch der Gesang war in 8 Tagen ziemlich fix eingetütet, da sämtliche Songs bereits standen, als Kupka zur Band kam. Bassist Mario Lochert bezeichnet seinen Sänger denn auch als Idealfall. Ob die Songs allerdings der von den Musikern gewünschten Qualität entspricht, ist nach nur einem Hördurchgang schwierig zusagen, da einige Lieder schlicht zu komplex sind, um beim ersten Mal abschliessend beurteilt werden zu können. Das Potential ist aber erkennbar. Bleibt noch die Frage, ob das Melodic-Death-Metal-Publikum die stilistischen Eskapaden von Emergency Gate mitmacht. Mehr werden wir wohl nach der Tour im Vorprogramm von Kreator, Caliban und Eluveitie im Frühjahr wissen. Ich freue mich darauf!

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