Veranstalter im Focus: Free & Virgin
25.5.08
By: Roger W.
Die Konzertagentur FreeAndVirgin hat Grund zum Feiern! Seit 35 Jahren organisiert sie nun bereits Konzerte in der Schweiz und hatte Topacts wie Metallica, Nickelback oder Aerosmith erfolgreich hierzulande aufgebaut. Dies muss gefeiert werden. Und zwar mit einem Status Quo-Konzert am 31. Mai in Winterthur. Anlässlich dieses Jubiläums führte ich ein sehr ausführliches Interview mit dem Geschäftsführer Stefan Matthey. Dabei kam neben einem Zeitraffer und der persönlichen, eindrücklichen Biographie von Mathey auch zur Sprache, warum auch heute noch Schweizer Bands einen schweren Stand im Ausland haben.

MF: Hallo Stefan. Bevor wir zu Free & Virgin und ihrem 35. jährigen Jubiläum kommen, möchte ich gerne etwas über dich erfahren. Wie lange bist du schon dabei?

SM: Ich habe zwischen 15 und 16 Jahren angefangen Konzerte zu organisieren. Und bin dann bereits mit fast 17 Jahren bei Free & Virgin gelandet, als so mit 16½. Seither bin ich hier, aber immer wieder in anderen Funktionen. Heute bin ich irgendwie der Geschäftsführer und schaue, dass der Laden läuft. Es hat sich vieles in dieser Zeit geändert, aber das Grundelement ist immer noch das Konzerteorganisieren. Und das machen wir immer noch. Manchmal erfolgreich, und manchmal weniger erfolgreich. Aber uns gibt es immer noch.

MF: Hast du eine KV-Lehre gemacht? Oder wie bist du reingerutscht?

SM: Nein, also eigentlich gar nicht. Ich war Briefträger und Konzerte organisieren war eher so mein Hobby. Und da ich als Musiker nirgends hingekommen bin, habe ich gemerkt, dass Konzerte veranstalten eher mein Ding ist. Es war damals eine Zeit mit vielen Anfängen. Zum Beispiel kamen da gerade Metallica. Das war auch eine der ersten Bands, an deren Auftritt ich mitorganisiert habe. Metallica spielten hier ihren ersten Gig in Europa. Das war 1984 im Volkshaus Zürich im Vorprogramm von Venom. Das war so meine Zeit und der Rest ist dann Geschichte. Also sowohl meine Geschichte, wie auch die von Metallica. Obwohl Metallica wahrscheinlich ein wenig erfolgreicher sind als wir. Aber hey, uns gibt es immer noch. Und wir machen immer noch das, was uns Spass macht, eben wie auch Metallica. Wir mussten uns sicher auch ab und zu dem Trend biegen, was Metallica zum Teil nicht, aber zum Teil auch gemacht haben. Aber ich glaube, dass ich heute immer noch das mache, was mir Spass macht. Manchmal sicher weniger, als dazumal. Das ist sicher. Ich habe heute auch andere Prioritäten im Leben. Habe zum Beispiel eine Familie und Kinder und anderes. Aber ich mache immer noch das, was mir Spass macht. Und ich glaube ich mache das noch eine paar Jahre, wenn es weiterhin so wie läuft jetzt.

MF: Welches war dein erstes Konzert, welches du organisiert hast?

SM: Also mein erstes eigenes war mit 16 Jahren ein Blueser aus Los Angeles Namens Big Jay McNeal. Das war irgendein Boogie-Woogie-Blues Saxophonspieler dazu mal im Kaufleuten in Zürich, als der Laden noch gerockt hat. Das war damals noch kein Trendy-Lokal wie heute.

MF: Und danach mit Free & Virgin?

SM: Hm… Das könnte ich nicht mehr sagen. Das waren tausende von Shows seither. Darum kann ich es nicht mehr sagen. Ich war letzthin aufgrund der 35 Jahre Free & Virgin im Keller und habe nachgeschaut, was wir überhaupt alles gemacht haben. Und da hat es massenhaft Künstler darunter. Wir hatten zum Beispiel Aerosmith. Wir haben wirklich Acts gehabt, die später riesig geworden sind. Wir hatten früher Dire Straits, wir hatten Aerosmith, The Clash, Sticks, und, und, und. Aber das sind tausende von Konzerte und könnte jetzt nicht mehr sagen welches mein erstes gewesen ist. Aber es wird wohl eine Punkband gewesen sein. Wahrscheinlich im Kino Walche in Zürich, als man ihn Zürich noch rocken konnte und es nicht so das Trendy-Zeugs gab.

MF: Ich höre da raus, das Zürich immer so dein Hauptstandort gewesen ist?

SM: Ja klar. Das war natürlich auch Firmenbedingt. Wir waren immer hier.

MF: Bist du hier auch aufgewachsen?

SM: Ich bin in Zürich aufgewachsen, wohne aber mittlerweile ein wenig ausserhalb von Zürich, weil ich dieses Stadt-Zeugs nicht mehr brauche. Aber Zürich war schon mein Hauptwirkungsort. Zürich hat auch früher wirklich gerockt. All die legendären Punkbands waren halt hier. Im Kino Walche zum Beispiel haben sehr viele Acts gespielt.

MF: Free & Virgin feiern dieses Jahr ihr 35 jähriges Jubiläum. Also eigentlich zwei Jahre zu spät. Wieso habt ihr es nicht bereits im 2006 gefeiert?

SM: Das ist uns in irgendeinem Alkohol-Exzess in den Sinn gekommen. (lacht) Nein. Du musst dich als Veranstalter immer ein Bisschen selber motivieren. Es war so, dass man immer nur von dieser Euro08 geredet hat und rum herum hiess es, man müsse mit Veranstaltungen aufpassen. Und um uns selber zu kicken haben wir einen Aufhänger für uns selber gesucht. Wir haben bereits vor einigen Jahren festgestellt, dass die Leute nicht die Konzert-Billete kaufen, weil jetzt der Matthey oder der Sprenger dahinter steckt, oder weil Raphaela die Werbung und Tarja das Büro macht, sonder dass sie es wegen dem Act kaufen. Wir haben uns auch nie in den Vordergrund gedrängt. Ich meine, es ist ein Job wie jeder andere auch. Wir organisieren jetzt halt Konzerte, du schreibst, ein anderer verteilt die Post und ein weiterer arbeitet als Schreiner. Wir machen das um Geld zu verdienen und vor allem auch zum Überleben und um unsere Kinder und uns selber zu ernähren. Jetzt fanden wir aber, dass wir mal was für uns machen sollten. Und dann sahen wir, dass wir bereits 37 Jahre alt werden und wussten, dass wir das jetzt nicht gross an die Glocke hängen können. Das interessiert eh niemanden und „35 Jahre“ klingt auch besser. Und so haben wir mit der Planung begonnen.

MF: Also schlicht um euch selber zu motivieren?

SM: Ja, in erster Linie. Und zweitens hat man sich so mal mit sich selber auseinander gesetzt. Ich war zu dem Zeitpunkt wieder mal im Keller und war erstaunt, als mir bewusst wurde, wie lange ich das bereits mache. Und was ich bereits alles promotet habe. Denn das war im Grunde nie wichtig für mich. Ich kann dir ja nicht einmal sagen, welches mein erstes Konzert mit Free & Virgin gewesen ist. Wir haben so viel in so vielen verschiedenen Stilrichtungen promotet … Aber es hat wirklich gut getan, mal in den Keller zu gehen und zu sehen, was ich hier überhaupt mache und was ich schon gemacht habe.

MF: Du hast das erste Metallica-Konzert in der Schweiz angesprochen. Wie war das damals?

SM: Das war sensationell. Die waren damals eine der lautesten Bands. Und das im Vorprogramm von Venom. An der Hauptband waren aber nicht sehr viele Leute interessiert. Man wusste, dass Metallica eines der kommenden Dinger sind. Denn bis dahin wurden bereits Demos herumgereicht.

MF: Aber das war zu einer Zeit, als erst knapp Kill `em All draussen war?

SM: Ja. Es war wirklich zu den ganz frühen Anfangszeiten. Vorher kannte man sie von gewissen Demos. Man wusste aus den bereits existierenden Metal-Magazinen wie dem Metal-Hammer, was da kommt. Die Underground-Szene war dazumal riesig. Und man wusste, dass da irgendwas kommt, was sicher Wegweisend für die nächsten paar Jahre sein wird. Dass das 20 oder 30 Jahre halten würde, wusste man aber noch nicht. Aber man wusste, dass das im Metalbereich sicher was Neues ist. Es gab da vorher zwar schon Exciter oder Anvil, welche auch in dieser Stilrichtung gingen, aber Metallica haben das Zeugs damals an den Mann gebracht. Und darum hat zu der Zeit auch jeder über dieses Konzert geredet. Und der Rest ist Geschichte. Ich meine 100 Millionen verkaufte Platten, ja…

MF: Das Konzert war also ebenfalls eindrücklich?

SM: Ja klar. Ich meine ja auch heute noch, dass die Vorbands generell nicht so gut beim Publikum ankommen, weil sie entweder schlechte Soundeinstellungsbedingungen haben, oder sie vorher keinen Soundcheck machen dürfen. Das war früher so, und gilt auch heute noch. Und Venom haben die Geschichte natürlich breit geschlagen, weil sie auch gemerkt haben, dass sie mehr so der Spinal Tap-Groove hatten und eher ausgelacht wurden.

MF: Wirklich, also schon 1984?

SM: Ja, natürlich. Und zum Glück hatten sie Metallica als Vorgruppe dabei. Weil die haben meiner Meinung nach die Leuten an die Shows gebracht. Und das war schon ein Highlight.

MF: Im August bringt ihr Mettallica wieder in die Schweiz. Liegt das auch an einer Beziehung, welche ihr mit der Band aufgebaut habt?

SM: Also es ja nicht so, dass wir uns immer an Weihnachten treffen und so. Das auf keinen Fall. Aber man kennt sich einfach und Metallica ist halt noch eine Band aus dem alten Strickmuster, welche mit ihren Promotern in den jeweiligen Ländern gewachsen ist. Wir sind also wirklich durch die Hölle mit dieser Band gegangen. Also mit ihnen schon weniger als mit anderen Bands, weil Metallica eigentlich von Anfang an erfolgreich waren. Aber wir sind wirklich Stück für Stück mit Metallica gewachsen. Und wir haben mit ihnen alles gemacht. Vom eigenen Volkshaus bis ins Sportzentrum Greifensee, ins Basler Joggeli Stadium und zwischendurch immer wieder im Hallenstadium. Wir gehen diesen August nach Jonschwil und die Band kommt nächsten Jahr schon wieder ins Hallenstadion. Also natürlich ist da was entstanden. „Freundschaft“ ist aber das falsche Wort. Es ist mehr eine Business-Kollegialität wo man sich auch gegenseitig schätzt und sie vor allem schätzen, was wir für sie in der Schweiz gemacht haben.

MF: Läuft das denn über die Band selber oder mehr übers Management?

SM: Es ist primär schon das Management. Aber bei Metallica ist immer noch derselbe Manager dabei. Der Peter Mensch. Und das ist auch derjenige, der die Band dazumal… also er hat sie nicht entdeckt. Aber ich denke, das ist der richtige Manager für die Band. Wie Doc McGhee von Mötley Crüe. Also einer der zum richtigen Zeitpunkt das richtige gemacht hat. Ich glaube, dass die weichen für Metallica in den 80er Jahren gestellt wurden, und nicht heute. Heute profitieren sie einfach von ihrem Ruhm aus den 80er Jahren. Heute sind Metallica auch schon fast kult. Wenn man das Wort überhaupt brauchen darf.

MF: Stimmt schon. Man geht sie wie auch Iron Maiden schauen, weil sie Metallica sind und nicht wegen St. Anger.

SM: Nein, also logisch nicht. Und ich glaube, dass das neue Album sowieso erst nach dem Schweizer Konzert erscheinen wird. Natürlich wartet man gespannt auf das neue Album weil St. Anger nicht so das Wahre war. Aber das ist eine Band… Also wir verkaufen die Tickets wie warme Weggli und alle unsere Erwartungen wurden bereits jetzt übertrumpft. Wir haben schneller mehr Billette verkauft, als je zuvor. Und das will was heissen. Das heisst also nicht, dass die Band überhaupt nicht mehr beliebt ist. Ich glaube, die Band ist soweit, dass ihre neuen Alben nicht mehr wichtig sind. Ein neues Album ist zwar nice to have, aber es ist nicht mehr der Grund, warum die Leute an ihre Konzerte gehen.

MF: Also für mich ist das Album vor allem ein Grund, damit sie endlich wieder mal in der Schweiz ein Konzert spielen.

SM: Ja klar. Und sie gehören zu den Top10 Rockbands weltweit, wenn man das gesamte Segment anschaut. Und im Metal-Bereich gibt es jetzt nichts grösseres, welches mehr Leute zieht als Metallica.

MF: Ich möchte jetzt einen kleinen Jahrzehnte-Rückblick durchführen. Wir lassen die 70er Jahren draussen, weil du da nicht dabei warst. Ist das recht so?

SM: Ja, das ist mir recht. (lacht)

MF: Damit musst du mir nicht die Erinnerungen anderer erzählen. Was machten für dich die 80er Jahre aus?

SM: Natürlich sehr viel Rock. Ich komme selber aus der Metal-Ecke. Da gab es Bands wie z.B. Testament. Ich habe gerade gestern mit deren Manager diskutiert. Das ist auch so eine spät 80er-Band, oder ev. Mitte 80er sogar. Und diese Bands kommen jetzt alle wieder. Es ist lustig. Wir hatten dieses Jahr bereits Overkill, die gibt es auch immer noch, ebenso wie Metallica. Und dann gibt es andere aus dem Nicht-Metal-Bereich, welche auch noch immer wieder kommen. Es war also eine super Zeit für mich.

MF: Ihr habt zwischen 1987 und 1995 das „Out In The Green“-Festival organisiert. Wieso habt ihr euch als Veranstalter von den Openairs zurückgezogen?

SM: Das ist einfach zu beantworten. 1995 realisierten wir, dass wir an dem Open-Air innerhalb diesen 9 Jahre wirklich alles hatten, was man haben konnte. Also z.B. Elton John, und alles was Top war. Und wir haben realisiert, dass der Aufwand und der Ertrag für eine solche Kiste in keinem Verhältnis zu einander standen. Ich meine es war damals das grösste Festival in der Schweiz. Und das wollten wir einfach nicht mehr. Wir wollten nicht ein ganzes Jahr lang arbeiten, um dann vielleicht ein Bisschen Geld zu verdienen oder wenn es schlecht geht noch Verluste einzufahren. Ich glaube auch, dass die Zeit für solche Festivals heute vorbei ist. So was könntest du heute auch nicht mehr in dieser Musikkonstellation machen. Also z.B. einen Elton John und einen Slash am gleichen Tag innerhalb von drei Stunden auf der gleichen Bühne zu haben. Das kann man heute nicht mehr. Das goutiert kein Festival-Promoter und das Publikum will es auch nicht mehr.

MF: Das heisst, ihr müsstet für das Ticket 300 Fr. verlangen?

SM: Ja genau. Und die Bands wollen auch nicht mehr zusammen spielen. Heute ist das ein knallhartes Geschäft. Wenn du Metallica hast, dann sagen die ganz genau, wen sie als Vorgruppe haben und wie lange die spielen können und noch vieles mehr. Früher hattest du als Konzertveranstalter noch mehr Einfluss darauf.. Du bist da zum Zahlen und zum schauen, dass die Bands ein Sandwich oder schlicht ihr Futter erhalten. Aber sicher nicht zum Auswählen, wer im Vorprogramm von Metallica spielen darf. Und das ist das, was um 1995 bereits angefangen hat. Und wir wollten deshalb gar nichts mehr machen.

MF: Ist das auch der Grund, wieso Lauren Harrys jetzt auch immer bei Iron Maiden als Vorgruppe dabei ist?

SM: Also dort handelt es sich wohl um eine familieninterne Angelegenheit. Wahrscheinlich kommt sie selber nicht weiter und tritt darum im Vorprogramm von Iron Maiden auf. Ich glaube es würde gar niemand kommen, wenn sie selber Touren würde. Und ich würde das als Iron Maiden wahrscheinlich auch so machen. Also wenn du sowieso überall eine volle Hütte hast, musst du nicht noch Geld für einen Support in die Hände nehmen, welchem du Infrastruktur zur Verfügung stellen musst. Du hast eine eigene Tochter, die ein wenig singen kann und vielleicht für die einen noch ein Bisschen gut aussieht. Ich glaube bei diesen Bands ist es als Support sowieso scheisse. Alle Leute wollen sowieso nur Iron Maiden oder Metallica sehen. Und entweder ist etwas Gutes vorher, dann ist es okay, und sonst ist es halt ein Scheiss. Aber eine einfache Geschichte ist das sicher nicht.

MF: Das heisst, dass man es auch als gute Vorband schwierig hat?

SM: Also ich glaube es geht auch anders, wenn die Konstellation stimmt. Ich mag mich an Metallica 2004 im Letzigrund erinnern. Die hatten Slipknot als Vorband.

MF: Okay, aber Slipknot waren auch schon damals ziemlich gross…

SM: Ich glaube, die hatten nicht Paradise Lost als zusätzliche Vorgruppe, sondern Lost Prophets. Und da stimmte es. Da war die Konstellation richtig. Aber oft musst du irgendeine knorkige Vorband hören… Ich meine, du gehst ja nicht wegen den Vorbands. Also in den wenigsten Fällen. Es ist nice to have, wenn es eine gute Vorband hat. Aber jetzt da… Der andere Punkt ist, dass man ohne Vorband auch Diskussionen auslöst.

MF: Kommen wir zu den 90er Jahren. Du hast diesbezüglich schon gewisse Schwierigkeiten mit den Festivals erwähnt. Wie ist es mit den Hallenkonzerten gelaufen?

SM: Also für uns sehr gut. Wir hatten Bands wie Midnight Oil oder Inxs, welche brillante Zahlen geschrieben haben. Halt auch ein Bisschen weg vom Rock. Klar, Rock hat es immer in irgendeiner Form gegeben, auch den Hard Rock. Aber man hat dort auch den Wandel gespürt. Pearl Jam kamen damals, und, und, und. Es war für uns eine super Zeit. Wir mussten uns anders orientieren, musikalisch als auch marketingtechnisch. Wobei man das damals noch nicht als so wichtig gesehen hat. Aber es war auch eine gute Zeit, auf jeden Fall. Aber sicher nicht so wie die 80er Jahre.

MF: Was heisst marketingtechnisch?

SM: Marketing war ein Wort, welches man früher nicht so gekannt hat. Ich komme ja selber eher aus der musikalischen Ecke. Heutzutage siehst du keiner mehr bei den Plattenfirmen, der aus dem musikalischen kommt. Die haben heute alle eine Marketing-Ausbildung. Das kannte man früher gar nicht. Früher war die Rechnung einfach. Die Band kommt und du musst so und so viel Gage zahlen und dafür musst du so und soviel Leute haben. Und dafür musst du Werbung machen. Und Werbung hiess springen. Heute gibt es ganz andere Werkzeuge an marketingtechnischen Sachen, wo du Kombinationen mit irgendwelchen Kommunikationsanbieter machen kannst. Das gab es früher gar nicht. Früher hatten wir mal Camel dabei und später Marlboro. Das hat sich einfach gewandelt. In den 90er Jahren hat das ein Bisschen angefangen. Auch mit dem Sponsoring. Rock wurde ganz am Anfang der 90er Jahre ein wenig interessant, obwohl sich der klassische Rock bereits am Wandeln war. Aber übergreifende Bands wie Status Quo, Deep Purple, Scorpions und all das Zeugs wurden auf einmal interessant. Und man begann Geld bei den Veranstaltern und bei den Bands zu investieren. Das hat sicher auch damit zu tun, dass diese 90er Jahre nicht so rockig wie die 80er Jahre waren.

MF: War es denn musikalisch auch für dich selber interessant. Oder war das der Punkt wo du realisiert hast, dass Free & Virgin halt auch ein Job ist?

SM: Nein… Ja, na klar ist es ein Job. Aber ich finde es hatten alle Zeiten interessante Sachen, welche neu waren und man entdecken musste. Auch heute noch. Und das ist eigentlich auch unser Job. Wir leben ja nur von den Ticketverkäufen. Das heisst, dass wir auch gute Bands raus in den Handel stellen, damit die Leute merken, dass das geil ist und sie es sehen wollen müssen. Genauso wie auch die Label verkünden müssten, dass die und jene Platte draussen ist und man sie unbedingt anchecken sollte. Je mehr gute Produkte du hast, je mehr gute Bands du bringen kannst, desto einfacher ist unser Job. Wir sind Marktabhängig, ohne Zweifel. Das war in den 90er Jahren so, in den 80er, heute und wird auch noch in 10 Jahren so sein. Wir sind Marktabhängig, wir müssen wissen, auf welche Bands wir künftig setzten müssen. Ich sehe das z.B. an Megadeth, die heute vorbei sind. Das wissen wir. Das ist bei uns mittlerweile eine Club-Band. Die letzte Tour ist in ganz Europa geflopt. Wir kamen gerade noch so mehr oder weniger raus. Wir haben die Band aber anders als die anderen eingeschätzt. Overkill war mal eine grosse Band, tourt aber immer noch. Da musst du einfach ein Gespür dafür entwickeln. Und das wird auch in Zukunft so sein.

MF: Kommen wir noch zu den 2000er Jahren.

SM: Ebenfalls super. Da kam sehr viel neues Zeug. Auch da gab es wieder einen Wechsel mit all diesen Majors und mit kleineren Labels und mit ganz anderem. Das Live-Segment kam wieder stärker. In den 90er fiel das Live-Segment eher so ein Bisschen nach hinten ab. Anfangs dieses Jahrhunderts merkte man, dass das Live-Zeugs wieder kommt. Die Musikindustrie geht eher wieder ein Bisschen zurück. Wie gesagt, du musst dich immer anpassen. Das ist ein ständiges Anpassen und ein wissen, was gerade geht und was nicht. Und das wird immer so sein. Die 90er Jahren waren cool, hatte zwei coole Geschichten im Nicht-Rock-Bereich, welche wir erfolgreich promotet haben.

MF: Das wäre gewesen?

SM: Das war die ganze Teeny-Welle. Die war für uns riesig.

MF: Also sind die Backstreet Boys über euch gelaufen?

SM: Die Backstreet Boys liefen bei uns gewaltig. Wir hatten jeden Teeny-Act bis auf Take That. Wir haben also Konzerte für Worlds Apart, Caught in The Act und wie die alle geheissen haben organisiert. Das war eine super Zeit mit Hallenstadion und grösser. Wir haben im Letzigrund mit den Backstreet Boys gespielt, und, und, und. Und dann anfangs 2000 haben wir gemerkt, dass es wieder ein paar spannende Geschichten im Rock hat. Also dass hier eine neue Epoche beginnt, welche durchaus interessant ist.

MF: Was sind so die Herausforderungen für die nächsten Jahre?

SM: Ich glaube, dass das ganze myspace- und youtube-Zeugs, also die ganze neue Generation sicher einen Vorteil hat. Es läuft wieder mehr in der Szene. Mit der Musikindustrie, welche zusammen gesackt ist. Und die Bands haben jetzt gemerkt, dass sie wieder Tourneen spielen müssen, wenn Geld verdienen wollen. Da muss man sehr aufpassen, dass man die richtigen Bands rauspickt um damit Geld verdienen zu können. Weil es so viele Bands hat, welche auf Tour sind. Was wir machen ist ja nicht Kultur. Es ist nicht unser Philosophie Kultur an den Mann zu bringen. Also schon auch, aber nicht auf unsere Kosten. Und ich glaube, das wird so die Schwierigkeit in dem ganzen Kuchen an neuen Bands sein. Jede Band hat natürlich mit Myspace ein unglaubliches Potential ihre Musik zu verbreiten. Und da musst du als Veranstalter einfach fähig sein, dass richtige raus zunehmen.

MF: Wie filtert ihr diese Bands raus? Bist du selber oft auf Myspace oder habt ihr da eure Spitzel?

SM: Wir haben keine Spitzel. Also ich meine, das ist mein Job. Ich muss schauen, was so läuft. Manchmal hat man Glück. Bei Mika war ich zum Beispiel einer der ersten, der überhaupt realisiert hat, dass es den überhaupt gibt. Gut das ist jetzt nicht Rock. Ich habe gerade mit einem französischen Promoter diskutiert. Der hatte vor 2 Wochen 44'000 Leute in Paris. Vor zwei Jahren hat noch niemand nach ihm geschrieen. Und das ist auch das Spannende an meinem Job. Das ich immer wieder neues Zeug finden muss.

MF: Wie informierst du dich? In Magazinen, im Internet…?

SM: Ich mache das sicher noch nach der klassischen Art. Ich kenne einfach sehr viele Leute, auch im amerikanischen Bereich. Mit denen rede ich immer wieder. Und es gibt im Metalbereich nach wie vor zum Beispiel diese Leute von Metalblade. Diese Leute von diesen kleinen Labels sind einfach immer noch am Puls der Zeit. Da hat es Bands wie z.B. As I Lay Dying oder Killswitch Engage, so die neue Generation. Und ich denke, dass in diesem Bereich noch einiges gehen wird.

MF: Free & Virgin sind ja keine reine Konzertagentur. Was macht ihr sonst noch?

SM: Also das Kerngeschäft ist die Konzertagentur. Wir haben noch einen Promozweig. Das heisst wir machen den ganzen Promobereich für die Toten Hosen und die Ärzte in der Schweiz, was die Platte betrifft. Wir machen viele Event- und Firmen-Geschichten. Aber der Kernbereich ist schon das Promoten. Also so als Promoter vom Club bis ins Stadion, aber auch musikalisch vom Jazz über den weiss der Geier was bis zum Rock.

MF: Das heisst ihr macht für die Ärzte das, was eine Plattenfirma sonst tut. Ihr verschickt Promos und seit dafür zuständig, dass die Plattenläden die CDs erhalten?

SM: Hm… nein. Das ist das 360°-Modell, welches jetzt immer mehr kommt. Madonna ist bei einem Konzertveranstalter, welcher jetzt auch ihre Platten und ihr Merchandise verkauft. Und das ist das, was irgendwann mal gross kommen wird. Und ob du jetzt draussen im Markt Konzerte bewirbst oder du jetzt sagst, dass da ganz neue eine Hosen-Platte draussen ist, ist eigentlich 1:1 dasselbe. Wenn die Leute wissen, dass eine neue Hosen-Platte im Laden steht, dann geht der Fan sie holen. Wenn er es nicht weis, kauft er sie nicht. Und das gleiche ist bei uns mit dem Ticketing. Wenn wir In Flames im Volkshaus haben und die Leute das nicht wissen, dann gehen sie nicht. Und da haben die Bands teilweise realisiert, dass das eigentliche das gleiche ist. Und wenn du dann natürlich einen Partner hast, welcher den Livebereich ebenfalls betreut, dann hast du alles in einem Sack.

MF: Wie läuft das denn bisher mit der Aufteilung?

SM: Bis jetzt läuft das so, dass die Plattenfirma Platten und wir unsere Billet-Geschichten verkaufen.

MF: Das scheint mir ziemlich unkoordiniert, also dass sowohl die neue Platte wie auch das Konzert etwa gleichzeitig kommen?

SM: Ja, natürlich gibt es solche Sachen. Bei In Flames ist es z.B. cool. Da ist die Platte draussen und wir kommen jetzt mit dem Konzert. Aber natürlich ist es das Beste wenn eine Platte kommt, in welcher die Tournee-Daten stehen und es nur eine Promo gibt, welche läuft. Aber da sind Theorie und Praxis in unserem Business meistens weit auseinander. Meistens kommt die Platte verspätet, weil die Jungs zu lange im Studio waren. Wir haben als Veranstalter über die Jahre gelernt, es so zu akzeptieren, wie es nun mal ist. Wir schauen, dass wir die Billete verkaufen, weil wir davon und nicht von den möglichen tausenden verkauften Platten einer Band leben. Wir leben wirklich nur vom Ticket-Buying.

MF: Aber eine Plattenfirma merkt die Ankündigung eines Konzertes ja auch in den CD-Verkäufen.

SM: Ja, aber da gibt es auch einen weiteren wesentlichen Unterschied zu den 90er Jahren. Es gibt heute keine Patent-Rezepte mehr. In den 80er und 90er Jahren konntest du sagen, dass eine Band, welche 10'000 Platten verkauft, dann 1'000 Konzert-Besucher ziehen wird. Damals galt das 10% Rezept.

MF: Man sah das ja letztes Jahr in Finnland, als mehrere Metallica-Alben nach einer Konzert-Ankündigung wieder die Album-Charts Spitzenplätze belegten.

SM: Das sicher. Aber das ist auch wieder Marktverschieden. Bei uns konntest du in den 80er und 90er Jahren sagen, dass 10% der Plattenkäufer an die Konzerte kommen. Heute haben wir mit As I Lay Dying 900 Leute. Die verkaufen aber keine 9'000 Platten. Die verkaufen nicht einmal 1'000 Platten in der Schweiz. Also kann man das heute nicht mehr so werten. Man muss da ein Gefühl dafür entwickeln, wann man mit was kommen muss.

MF: Akutelle organisiert er zwischen 80 und 100 Konzerte pro Jahr. Wie viele davon kann man im Sektor Hard und Heavy einordnen?

SM: Im Moment sind es ziemlich viele, sicher so um 60 – 70%. Aber das ist auch Marktabhängig. Wir hatten zum Beispiel letztes Jahr ein Jahr wo wir die grössten Konzerte mit Tokio Hotel und den Fantastischen Vier hatten. Und dieses Jahr schreiben wir die grössten Konzerte mit Iron Maiden, Metallica und den Toten Hosen. Also wir sind wirklich eine Konzert-Agentur und keine Rock-Agentur. Aber rein schon aufgrund unseres Backgrounds sind wir eher Rock-Orientiert.

MF: Als grosse Konkurrenz gibt es in der Schweiz noch Goodnews. Wieso laufen diese grossen Acts jetzt über euch? Also von Metallica wissen wir es ja bereits, aber wie sieht es bei Iron Maiden aus?

SM: Die waren nicht immer eine unserer Bands, aber jetzt in den letzten 8 Jahren schon. Das ist auch eine Band, welche unsere Arbeit in der Schweiz goutiert. Und das wir es recht machen. Und darum sind die bei uns.

MF: Wie ist euer Verhältnis zu Good News?

SM: Das ist okay. Konkurrenz belebt ja generell das Geschäft, und das ist auch bei uns so. Sie haben einen Exklusiv-Vertrag mit dem Hallenstadion, was für uns nicht immer wahnsinnig lustig ist.

MF: Heisst das, dass ihr keine Konzerte im Hallenstadion veranstalten dürft?

SM: Doch schon. Aber wir müssen mit ihnen dann einfach teilen. Und das ist nicht immer so lustig. Vor allem wenn es Bands sind, an welche wir von Anfang an geglaubt und nach oben bugsiert haben. Nightwish war z.B. so eine, an welche niemand geglaubt hat. Und als wir gesagt haben, dass wir mit denen ins Hallenstadion gehen, haben alle gelacht. Und gesagt: „Spinnst du eigentlich, das mit dieser neuen Sängerin zu machen!“ Nun, diese Band hat im Endeffekt an diesem Abend vor noch nie so vielen Leuten in der Schweiz gespielt. Ob das mit dieser Band weiterhin so laufen wird, kann ich nicht sagen. Aber dazumal stimmte es einfach. Und da ist es halt nicht so einfach, wenn du mit Überzeugung mit gewissen Produkten kommst. Es ist es halt was anderes, als wenn du mit Timberland oder Robin Williams kommst. Du kommst mit einem Rock-Projekt, für welches, wie soll ich sagen, Akzeptanz ist das falsche Wort, aber irgendwie das Verständnis für diese Art von Musik nicht so da ist.

MF: Das mit dem Hallenstadion verstehe ich noch nicht richtig. Also wenn ihr im Hallenstadion etwas macht, zahlt ihr einen gewissen Prozentsatz an Goodnews?

SM: Nein es ist so, dass jedes Hallenstation-Konzert ein Coproduktion ist. Also eine 50:50-Produktion zwischen uns und der Firma Goodnews.

MF: Und Metallica könnt ihr dieses Jahr für euch alleine machen, weil es nicht im Hallenstadion stattfindet?

SM: Genau.

MF: Wir kommen zu den letzten Fragen: Ihr baut auch Künstler in der Schweiz auf. Wie muss man sich so einen Aktionsplan vorstellen?

SM: Also ich glaube das Kerngeschäft von uns und der Musikbranche ist und bleibt ein guter Song. Egal welche Stilrichtung das ist. Eine Band, die keine Songs hat, wird nie funktionieren. Im Rockbereich, würde ich mal sagen, und das ist unser Vorteil, muss man eine Band Live lancieren. Du hast zwar sehr viele Medien wie Print-Medien. Und davon ist 20Minuten sicher das Beste Beispiel. Wenn du heute als Medienpartner mit einer jungen Band in der 20Minuten bist, dann hast du bereits gewonnen. Dann hast du sie schon lanciert. Weil das ist einfach das Magazin, welches die Leute in der gesamten Schweiz irgendwo täglich lesen. Und es driftet halt nicht spezifisch auf irgendeine Szene ab. Wenn es eine Band da rein schaffst, dann hast du im Prinzip schon gewonnen, und musst es schaffen, da anzuknüpfen. Im Rockbereich hast du auch sehr viel, was gar nicht erst am Radio gespielt wird. Womit es sehr schwierig ist, die Leute zu erreichen. Weil die Leute es gar nicht erst sehen oder nicht hören. Denn mit einer Foto allein hast du noch keine CDs verkauft. Aber da gibt es heute auch unendlich viele Plattformen, auf welche du zur Aufbauarbeit zurückgreifen kannst. Aber das Kernelement ist und bleibt ein guter Song. Und wenn du es schaffst, andere Leute mit diesem Song zu überzeugen und du damit Patchwork machen kannst, dann funktioniert es. .

MF: Wie versucht ihr diesen Song in einem Heftchen zu verkaufen?

SM: Das ist immer so das Schwierige daran.

MF: Ich meine der Song besteht aus Tönen und im Heftchen hat man nur Bilder…

SM: Das ist eben das Problem. Das ist uns auch in vielen Geschichten nicht gelungen. Ich meine, als Leser ist es nett über eine Band zu lesen, von welcher man nicht weis wie sie klingt. Aber ob man dann mal nachhört, ist eine andere Frage. Da haben wir das richtige Rezept noch nicht gefunden. Und das ist eigentlich auch das Schöne an unserem Job. Dass man immer wieder überlegen muss, wie man das Produkt richtig an den Mann bringt.

MF: Da müsste man schon fast interaktiv in das Paper einen Song einbinden.

SM: Ja schon. Damit die Leute dass nicht nur sehen, sondern auch hören könnten. Aber das lustige ist eine andere Tatsache: Du kannst wirklich alles machen für eine Band machen, und trotzdem ist es nicht garantiert, dass es auch funktioniert. Also jedes Konzert oder jede Lancierung eines Künstlers ist wirklich wie ein Gang an die Börse. Du weist vorher nicht, ob das funktioniert. Okay, bei Metallica haben wir es gewusst. Bei Slayer weist du es auch. Auch bei In Flames bist du auf der sicheren Seite.

MF: Ich habe mir auch schon gesagt, dass, hätte ich genug Geld, ich die Rolling Stones engagieren würde. Weil ich da sicher gehen könnte, dass ich keinen Verlust schreibe…

SM: Stimmt schon. Aber es gibt sehr wenige, bei welchen du das sagen kannst und bei welchen du die Garantie hast, dass sie so und so viele Leute ziehen. Gerade auch im Rockbereich.

MF: Welche Bands haben dich in den letzten Jahren enttäusch?

SM: Da gibt es tausende. Da gibt es… hm…

MF: …also das gehört einfach auch zum Tagesgeschäft?

SM: Ja, klar. Es ist das Tagesgeschäft. Ich muss täglich darüber studieren, welche Band der nächste Hype ist und wie ich diesen Hype an den Mann bringen kann. Wieso kommen die Leute jetzt ausgerechnet zu diesem Hype, den ich im Moment cool finde und gehen nicht zu jemand anderem? Das ist das, was ich so das ganze Jahr lang durchziehe. Natürlich sind wir mit Metallica in einer Superfunktion. Wir können die ankündigen und danach einfach warten, bis die Wiese voll ist. Und die ist jetzt dann bald voll. Also bereits Monate im Voraus. Wir können es dann durchführen und alle werden Freude haben. Aber es gibt sehr viele Bands, bei welchen man wirklich arbeiten muss. Auf der anderen Seite ist es auch schön, wenn du siehst wie Rock wieder vermehrt akzeptiert wird. Der breite Rock auch. Ich meine z.B. Bands wie Nickelback, welche wir ebenfalls in der Schweiz aufgebaut haben. Wir haben damals mit ihnen im Abart angefangen und nächstes Jahr werden wir sie im Hallenstadion spielen lassen. Eine Band, welche mit einer Single bald mal ein ganzes Jahr ist den Charts ist. Von einer Band, über welche vor ein paar Jahren noch alle gelacht haben. „Ja, ja schon gut. Die spielen wir sicher nicht im Radio!“ Das ist schon noch spannend.

MF: Was muss eine Schweizer Band machen, damit sie bei euch reinkommt?

SM: Keine Ahnung.

MF: Muss sie sich von euch entdeckt werden lassen?

SM: Also der Schweizer Markt ist nicht so unsere Geschichte. Und zwar ganz einfach, weil wir uns darum nie gekümmert haben. Wenn wir eine Schweizer Band platzieren können, dann machen wir es. Ich glaube, jede Schweizer Band sollte ja nicht einen Manager an Land ziehen, sondern sich selber Managen und dann kommen sie am weitesten. Weil das Schicksal einer Schweizer irgendjemanden in die Hände zu geben, der ihnen verspricht, sie jetzt zu weiss ich was zu machen, ist Bullshit. Also das gibt es fast nicht mehr.

MF: Das heisst, sie sollen die Kontakte selber aufbauen und es dann so versuchen?

SM: Klar. Denn so spürst du auch, wo du stehst. Ich persönlich finde nach wie vor, dass es ziemlich beschämend ist, dass die erfolgreichste Schweizer Band ever immer noch Krokus ist. Obwohl ich vielleicht einer der wenigen bin. Wir haben nie eine Band weitergeschafft als Krokus. Also Plattenverkaufstechnisch. Da gibt es Bands wie Lovebugs, etc. welche meiner Meinung nach schon längst weiter sein sollten. Weil du denen jetzt wirklich nicht anhörst, dass sie aus der Schweiz kommen.

MF: Die sind einfach Schweizweit bekannt, aber ausserhalb nicht.

SM: Das schon. Aber sie können nicht mal schweizweit Krokus das Wasser reichen was die CD-Verkäufe von dazumal betrifft.

MF: Nicht?

SM: Nein, tut mir leid.

MF: Wie sieht es dann mit dem DJ Bobo aus?

SM: Also Bobo schon.

MF: Gut, der ist halt keine Band…

SM: Der ist keine Band. Aber jetzt rein im Rockbereich. Da gibt es nichts. Da gibt es kein… nix. Natürlich hatten Celtic Frost in Amerika einen Achtungserfolg. Aber das steht in keinem Verhältnis zu Krokus. Also mein Geschäftspartner hat ja Krokus während den erfolgreichsten Amerika-Zeiten gemanagt. Das kannst du gleich vergessen. Die haben in ihrer Karriere immerhin 10 Millionen Platten verkauft.

MF: Ich höre da raus, dass du das Gefühl hast, dass das Potential in der Schweiz da wäre?

SM: Natürlich! Aber ich glaube, dass das in der Veranlagung der Schweizer liegt. Wir haben dieses Cervelat-Denken. Was nicht im eigenen Land zum Propheten wird, hat ausserhalb keine Chance. Und so sehen uns die Aussenstehenden eben auch. Es hat jetzt diese Pressegeschichten gegeben wegen dieser Luzerner Band The Delilahs. Da hat ein deutscher Labelchef gesagt, dass die Schweizer eben verwöhnt sind. Und das hat schon etwas. Der Schweizer ist auch extrem schnell mit sich selbst zufrieden und findet, dass es so schon okay sei. Wenn du aber in der Musikbranche wirklich durchstarten willst musst du eben durch die harte Schule. Wie früher. .Ich glaube, dass es da nichts anderes gibt. Ich meine Krokus haben auch in jeder Garage gespielt.

MF: Liegt der Grund nicht darin, dass unser Land gegen aussen zu schlecht vermarktet wird. Ich meine, nimm mal Finnland. Mittlerweile wird fast alles gekauft, was von da raus gebracht wird.

SM: Ja, weil wir das auch nie in diesem Sinne gepflegt haben. Ich meine wie das ganze Metal-Zeugs aus Finnland. Und mittlerweile fängt es ja auch im Pop-Bereich an. Das hat dort eine gewisse Historie. Wenn du irgendwo in einem Metal-Heftchen etwas über die Schweiz liest, dann ist es über Gotthard oder Krokus, oder vielleicht jetzt noch über Cataract oder noch ein Bisschen über Celtic Frost, obwohl die sich ja erst kürzlich wieder aufgelöst haben. Aber ansonsten findet dort die Schweiz überhaupt nicht statt. Das meiste über was ich in letzter Zeit gelesen habe, war immer über Krokus oder Gotthard. Und das kann es nicht sein. Ich meine wir haben so viele Bands, welche eine gewisses Potential haben. Da hatten wir früher mehr Aufmerksamkeit von aussen. Ich kann mich noch an die Coroner-Zeiten erinnern, das war eine coole Zeit. Und das gibt es einfach in diesem Sinne nicht mehr.

MF: Kommen wir zu letzten Frage. Was sind deine Wünsche für die Zukunft?

SM: Das es so weiter geht. Ich meine wir haben z.B. einen super Herbst, welcher kommt. Mit Slayer, mit Slipknot, mit In Flames, mit Bullet For My Valentine und all dem Zeugs und ich glaube, dass es gut wird.

MF: Noch was anderes letztes. Normalerweise kommst du ja nicht so an den Ticketverkäufer direkt ran. Hast du eine Botschaft oder einen Wunsch an die Ticketkäuferinnen und Käufer?

SM: Ja. Sie sollen einfach möglichst viele Tickets von unseren Konzerten kaufen. (lacht) Nein, also es ist schon so wie du sagst. Wenn du in diesem Geschäft drin bist, verlierst du ein Bisschen den Bezug zu den Leuten, die dir schlussendlich dein Essen bringen. Und das ist der Ticketkäufer. Da gibt es viele Diskussionen über verschiedene Themen. Ticketpreise ist eines davon. Aber auch die Qualität von gewissen Konzertorten, welche dann die Besucher antreffen in Form vom Sound, von der Securitas und, und, und. Das ist für mich schon auch sehr wichtig. Und darum lege ich auch viel Wert darauf, dass das gut kommt. Weil irgendwann… Aber ich muss auch sagen, dass das Thema mit den Ticketpreisen eines ist, auf welches ich nicht gerne einsteige. Weil du hast z.B. vorhin bereits die Rolling Stones erwähnt, für welche der Ticketpreis auch wirklich nicht die allergeringste Rolle spielt. Ich meine, diese Billete haben 200 bis 300 Fr. gekostet und da bist du schlussendlich im hintersten Ecken gestanden und durftest mit dem Fernglas nach vorne starren und damit ein kleines Männchen sehen. Und da spielt es keine Rolle.

MF: Das sieht man auch bei den Iron Maiden T-Shirts. 50 Fr. ein Stück und das Zeugs wird gekauft wie blöd.

MF: Ja genau. Bei Metallica haben wir einen Ticket-Preis von 86 Fr. Damit kommen wir in allen Foren relativ gut an. Weil alle erwartet haben die Tickets würden 120 Fr. und mehr kosten. Ich hatte mich, als wir U2 2002 in der Schweiz gemacht haben, mit meinem Partner fast geprügelt, weil ich gesagt habe, dass 70 Fr. zu teuer sei und er meinte, dass wir im Gegenteil noch viel höher gehen sollten. Und wir hätten schlussendlich viel höher gehen sollen. Also heute ist es halt so wie auch sonst im Leben, das eine gewisse Qualität was kosten darf. Und das ist im Rockbereich ebenfalls so.

MF: Vielen Dank fürs Gespräch.

SM: Ich danke ebenfalls.



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